Weltenbummler aus Erlangen erlebt "brutale Vollbremsung"

4.12.2020, 15:00 Uhr
Weltenbummler aus Erlangen erlebt

© Heiko Beyer

Eigentlich war Heiko Beyer immer der Meinung, er sei beruflich gut aufgestellt. Der 52-jährige Erlanger arbeitet als Photojournalist und ist mit seinen abendfüllenden Live-Reportagen über ferne Länder auf den Bühnen Deutschlands zu sehen. Daneben organisiert er in Erlangen die Vortragsreihe "Fernweh Spezial" im Redoutensaal und arbeitet als künstlerischer Leiter des "Fernweh Festivals", das traditionell im Herbst in der Heinrich-Lades-Halle stattfindet. Und last but not least leitet er Fotoreisen und vermittelt sein Wissen als Seminarleiter. Da kann doch nicht viel passieren! Oder doch?

Leider sieht die Realität anders aus. Gerade die Schwerpunkte "Veranstaltungen", "Reise" und "Seminare" fielen wegen der Corona-Krise in eine tiefe und lang anhaltende Rezession. "Wir sind unter den ersten, denen ein faktisches Berufsverbot auferlegt wurde, und wir werden die letzten sein, die wieder arbeiten dürfen", erklärt Heiko Beyer.

Dabei lief ursprünglich alles so gut: Beyer hatte nach dreijähriger Arbeit sein neues Bühnenprogramm "Neuseeland – Ein halbes Jahr durchs Land der Kiwis" fertig gestellt und wollte ab Oktober zu einer 80-Städte- Tournee aufbrechen. Pustekuchen: Derzeit gibt es bekanntlich keine Möglichkeit, eine Show, gleich welcher Couleur, live zu zeigen. "Immerhin gibt es jetzt eine Doppel-DVD mit knapp drei Stunden Spielzeit, die man über meine Webseite bestellen kann und mit der ich vielleicht ein wenig die Produktionskosten wieder einspielen kann."

Programm verschoben

Doch gerade auch bei Beyers anderer großer Unternehmung sieht es düster aus: Für das "Fernweh Festival", ursprünglich anberaumt für ein November-Wochenende, waren zwar bereits im März über 1000 Karten verkauft, aber es musste mit dem kompletten Programm auf den November 2021 verschoben werden (wir berichteten).

"Für mich war es Mitte März wie eine brutale Vollbremsung. Von 140 Stundenkilometern hin zu völligem Stillstand. Das muss man erst einmal verkraften. Und der tröstende Rotwein schmeckte auch die ersten Tage besonders gut. Aber irgendwann habe ich mich dann selbst gefragt, welche Optionen ich habe. Kopf in den Sand, Alkoholiker oder Sportjunkie, das waren so die Optionen. Letztlich habe ich mich für Letzteres entschieden und den ganzen Sommer auf dem Fahrrad oder im Fitness-Studio verbracht. Es klingt völlig widersinnig, aber durch Corona bin ich fit wie nie, auch wenn das natürlich alles nicht so gedacht war."

Finanzierbarkeit gesichert

Nichtstun ist definitiv nicht Beyers Ding. Und so legte er sich ins Zeug und versuchte trotz der Beschränkungen und Auflagen für den 8. November eine Live-Doppelveranstaltung mit der Multivision "Die Anden" im Redoutensaal zu organisieren. Werbung wurde geschaltet, Hygienekonzepte erarbeitet und umgesetzt und mit der Hilfe des E-Werks, das zunächst bis in den März die Leitung des Redoutensaals übernommen hat, die Finanzierbarkeit des Abends gesichert. Alles lief gut, bis der sogenannte "Lockdown light" kam: Trotz peinlicher Einhaltung aller Auflagen durften plötzlich Veranstaltungen nicht mehr durchgeführt werden.

Weltenbummler aus Erlangen erlebt

© Martin Ziaja Photography

Ein abermaliger Schlag ins Gesicht – "nicht nur für mich", so Beyer, "ich habe gute Kontakte zur Erlanger Kulturszene und auch zum Gastrobereich und höre die Klagen der dort Tätigen. Alle Anstrengungen, all die viele Arbeit, alle finanziellen Investitionen, alles Hoffen und Bangen waren vergeblich. Zurück bleiben verbitterte Menschen, die nicht nur finanziell ins Abseits geschoben werden, sondern die nie wieder im Leben die Energie besitzen werden, neu zu beginnen. Ich selbst wurde in den letzten Monaten nicht nur einmal als ,nicht systemrelevant‘ und als ,Kollateralschaden‘ bezeichnet. Ich denke, jeder kann nachvollziehen, wie man sich als Künstler und Kulturschaffender, der seinen Job liebt und lebt, dabei fühlt."

Technik eingerichtet

Wie geht es nun weiter? Natürlich hofft Heiko Beyer, dass zumindest im Herbst 2021 Veranstaltungen mit möglichst wenigen Auflagen möglich sein werden und auch die Zuschauer den Mut aufbringen, zu den Events zu kommen. Und was macht Heiko Beyer jetzt gerade? "Ich helfe im Moment, auf einem großen Areal nahe Nürnberg kleine Bäumchen zu pflanzen. Dort soll mit über 5000 Setzlingen ein naturnaher und klimaresistenter Mischwald entstehen. So nutze ich die Zeit, mich nützlich zu machen und etwas Nachhaltiges zu schaffen." Im Fitness-Center, das Beyer regelmäßig aufsucht, hat er darüber hinaus die Technik fürs Streamen der vom Center angebotenen Online-Kurse eingerichtet.

Und obwohl die Neuseeland-Live-Multivision noch keine Bühne gesehen hat, nutzt Beyer die Wintermonate, um gleich ein neues Projekt nach vorn zu treiben: "Vulkane der Erde" lautet der Arbeitstitel. Seit bereits 15 Jahren zieht es den Fotojournalisten immer wieder zu den aktiven Feuerbergen. "In meinem Bühnenprogramm geht es jedoch nicht nur um spektakuläre Ausbrüche und meine eigene Geschichte. Vielmehr interessiert mich auch, wie Mensch und Natur mit dieser Naturgewalt umgehen." Reisen nach Äthiopien, in den Kongo, den Südseeinseln von Vanuatu, Indonesien, Italien und Island hat es schon gegeben.

"Wenn alle Stricke reißen", so Beyer, "dann beginne ich mit einer Zier-Radieschenzucht. Radieschen werden nämlich weithin unterschätzt."

Die Doppel-DVD "Neuseeland – Ein halbes Jahr durchs Land der Kiwis" kann zum Preis von 18 Euro (zuzüglich Versand) auf der Internetseite www.vision21.de unter dem Punkt "Produkte" bestellt werden.

 

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