Wenn renitente Patienten die Helfer angreifen

26.1.2012, 00:00 Uhr

. „Gewalt oder gewalttätige Angriffe gegen Rettungspersonal hat es schon immer gegeben, das ist nichts Neues“, sagt Thomas Heideloff. Er leitet zusammen mit Anton Schuster den Rettungsdienst in Erlangen und hat festgestellt, dass es eine Häufung derartiger Fälle, wie sie bundesweit zu beobachten ist, in Erlangen nicht gibt.

Die Zahlen belegen das: Bei rund 7200 Notfall- und Notarzteinsätzen im Jahr gibt es durchschnittlich nur drei Körperverletzungen oder Bedrohungen. Nicht registriert sind dabei jedoch verbale Bedrohungen und Beleidigungen. Dass daraus keine registrierten „Fälle“ werden, ist vor allem auf die angemessene Reaktion der Mitarbeiter in kritischen Situationen zurückzuführen.

Die Erlanger Rettungssanitäter werden nämlich intensiv darin geschult, wie man sich in bedrohlichen Lagen verhält. Dieses Training, das es seit drei Jahren gibt, habe mit dazu geführt, dass man den bundesweiten Trend in Erlangen nicht spüre, meint auch Heideloffs Kollege Anton Schuster. „Wenn es gefährlich wird, merken das unsere erfahrenen Rettungsdienstmitarbeiterinnen und -mitarbeiter und ziehen sich zurück.“

Auch die hauptberufliche Rettungssanitäterin Gabriele Bracker fühlt sich bei ihren Nachtdiensten sicher. „Ich lasse mich nicht provozieren und gebe einem renitenten Patienten mit meinem sicheren Auftreten keine Gelegenheit, mich anzugreifen.“ Vor einem Jahr erst ist ein Patient mit dem Hammer auf sie losgegangen. „Da habe ich mich natürlich zurückgezogen und die ,Grünen‘ gerufen.“

Auch als sie einem Betrunkenen helfen wollte, der aber „gleich steif geworden ist und die Fäuste geballt“ habe, hätte sie lieber die Polizei geholt. „Kommt es wirklich zu Bedrohungen oder Übergriffen, sind die Kollegen der Polizei verlässliche und schnell anwesende Partner, um das Rettungspersonal zu schützen“, bestätigt Thomas Heideloff die gute Zusammenarbeit mit den Ordnungshütern.

Gabriele Bracke ist kürzlich erst an einem Wochenende in Frankfurt mit dem Rettungsdienst mitgefahren. Dort müsse man mit den Patienten „wesentlich härter umgehen“, darum würden Rotkreuz-Mitarbeiter sogar in Kampftechniken ausgebildet, berichtet sie.

In der Mainmetropole sei „richtig was geboten“, wenn man beispielsweise nach einem Kampf 20 Mann gegen 30 Mann die Verletzten sortieren müsse. Solche Gangs gebe es in Erlangen glücklicherweise nicht, weiß auch Bernhard Beer. Der Student ist seit vielen Jahren in der Jugendarbeit in Erlangen aktiv und arbeitet zudem als ehrenamtlicher Rettungssanitäter beim BRK. Junge Leute, hat er erfahren, hätten viel mehr Respekt vor den Rettern als das „Mittelalter“. Am schlimmsten seien dabei die 30- bis 40-Jährigen.

Keine Stichschutzwesten

Das geringe Gewaltpotenzial in Erlangen führen die Rot-Kreuzler auf den hohen Bildungsstand in der Hugenottenstadt zurück. „Hier ist alles anders, und darum beneiden uns auch viele Rettungsdienste in anderen Städten“, lacht Gabriele Bracker. Aus diesem Grund werde man auch keine Stichschutzwesten einführen, wie sie andere Rotkreuzhelfer bereits tragen, verrät Kreisgeschäftsführerin Beate Ulonska. „Wichtig sind die mentale Vorbereitung der Mitarbeiter auf mögliche Angriffe und das Erlernen einfacher Maßnahmen der Deeskalation.“

Diese Schulungen werden von erfahrenen Trainern der Polizei im sogenannten „PE-Training (PE = polizeiliches Einsatzverhalten) jährlich durchgeführt. Dabei werden unter anderem Grundlagen der Eigensicherung, das Erkennen von gefährlichen Situationen und die Abwehr von Angriffen mit einfachen Mitteln gelehrt.

Wie Deeskalation unter vernünftigen Menschen auch funktionieren kann, haben die BRKler im Übrigen auf dem Berg schon mehrfach erlebt, als sich Schlägereien angebahnt hatten. Besonnene, kluge Erlanger seien nämlich dazwischen gegangen und hätten, so Thomas Heideloff, die Streithähne auseinandergebracht mit den Worten: „Etz gib halt a Ruh, sonst kriegst eine aufs Maul.“

 

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