Zehn Tonnen Baum sind in der Isarstraße umgezogen

11.12.2019, 06:00 Uhr
Teuer, aber wichtig: Bäume werden nicht einfach gefällt, sondern versetzt.

Teuer, aber wichtig: Bäume werden nicht einfach gefällt, sondern versetzt.

Der große Lkw mit der stählernen, rund drei Meter im Durchmesser großen Halbkugel auf dem "Rücken", macht einem regelrecht Angst, wenn er langsam zurück rollt. Dann bleibt er stehen, die Halbkugel öffnet sich wie eine Baggerschaufel, und mächtige Zähne kommen zum Vorschein. Es sieht aus als würde ein riesiger Dinosaurier sein Maul aufreißen.


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Langsam, aber kraftvoll bohren sich die scharfen Zähne in den Erdboden. Dann schließt sich das Maul wieder zu einer Halbkugel, und die Hydraulik hebt sie nach oben. Das Ergebnis nach nur drei Minuten: Ein Loch, das drei Meter im Durchmesser misst und 1,50 Meter tief ist. Hier soll ein Baum seinen neuen Standort finden, der derzeit noch an der Isarstraße etwa 50 Meter weiter östlich steht.

Das Ungetüm mit der mit Erde gefüllten stählernen Halbkugel macht sich sogleich auf den Weg dorthin, wirft die ausgehobene Erde ab, und die mächtige Halbkugel öffnet sich nun seitwärts, wie eine Muschel mit großen Zacken am unteren Ende. Sie legt sich sorgfältig um den Stamm der Rosskastanie ohne ihn jedoch zu berühren. Dann schließt sich die Muschel, so dass eine mächtige Baggerschaufel mit Zähnen nach unten entsteht. Die bohrt sich erbarmungslos in die Baumscheibe.

Zentimeterweise geht das, aber scheinbar ohne großen Widerstand. Erst als das ganze Teil fast schon in der Erde verschwunden ist schließt sich die Konstruktion wieder zu einer Halbkugel, so dass der gesamte Wurzelballen darin gefangen ist. Der Baum ist nun bereits nicht mehr Teil der Erde, er ist von ihr frei geschnitten.

Die Hydraulik hebt die geschlossene stählerne Halbkugel langsam an, und nach wenigen Minuten schwebt ein kompletter, gut zehn Meter hoher und fast zehn Tonnen schwerer Baum senkrecht über dem Rasen.

Langsam und vorsichtig wird der Baum so, immer noch senkrecht stehend, an den Fenstern im zweiten Stock eines Hochhauses vorbei gehoben. Ein Junge steht dort staunend hinter einem Fenster, drückt sich an der Scheibe die Nase platt. Auch er kann glauben, was er da sieht: Ein großer Baum schwebt einfach an seinem Fenster vorbei.

Ziel ist das zuvor ausgehobene Loch. Der Fahrer des "Baumheraushebers" rangiert ihn zentimetergenau an dieses Loch, die Hydraulik hebt ihn drüber, als wäre er federleicht, und setzt ihn langsam ab. Gerade ausgerichtet wird er noch – das war’s. Der Baum steht nun so da, als hätte er schon immer dort gestanden. Einschließlich viel Laub auf der Baumscheibe.

Möglich gemacht hat diese spektakuläre rund 2500 Euro teure Aktion pro Baum eine Maschine, die, so jedenfalls Bernd Küster von der Firma Opitz aus Heideck, die weltweit größte Baumverpflanzungsmaschine ist. Außerdem zählt sie zu den größten im Straßenverkehr zugelassenen Baumaschinen.

Kosten: 5000 Euro pro Baum

Erfunden und gebaut hat sie die Firma Opitz selbst. Sie besitzt mehrere davon und siedelt damit europaweit an die 1000 Bäume im Jahr um. An der Isarstraße sind es allerdings nur drei Bäume, die so gerettet werden. Die anderen 85 gesetzlich geschützten Bäume, die nicht umgesiedelt werden können, werden ab dem heutigen Mittwoch gefällt. Laut dem Landschaftsarchitekten Wolfgang Ohnes, der sich um das Grün in dem Quartier kümmert, werden aber entsprechend der Erlanger Baumschutzverordnung 122 neue Bäume im Wert von 85 000 Euro gepflanzt. Bis die einmal so groß sind wie die umgepflanzten wird es 15 bis 20 Jahre dauern.

Und das ist auch der Grund dafür, dass man Bäume, die dazu geeignet sind, nicht einfach fällt, sondern versetzt. Nach nur zwei bis drei Jahren werden sie bei guter Pflege – die kostet rund 5000 Euro pro Baum – so aussehen, als wäre nichts mit ihnen geschehen.

Laut Dawonia können an der Isarstraße trotz der Bautätigkeiten immerhin 177 geschützte Bäume erhalten werden. Darunter sind auch eine wertvolle Schwarznuss und ein Silber-Ahorn. Um diese beiden Bäume zu erhalten, werden sogar die Wände der Tiefgarage versetzt. Nist- und Fledermauskästen werden auch noch aufgehängt.

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