Zivilcourage mit Folgen: Jetzt spricht der verletzte Helfer

15.1.2020, 10:34 Uhr

An die Täter kann sich der junge Mann, der sich am späten Samstagabend vor einen Passanten gestellt und somit den Zorn der Angreifer auf sich gelenkt hatte, nicht erinnern. "Ich war wie im Schock", erzählt er im EN-Gespräch, "es ging so schnell, dass ich nur sehr vage Angaben über die beteiligten Frauen und Männer machen kann."

Was er aber noch genau vor sich sieht, ist der "hasserfüllte Blick" einer der beiden Hauptaggressoren. "Der rund 120 Kilogramm schwere Mann hätte mich totgeschlagen", sagt Silvio J., "aber ich habe mich gewehrt." Danach sei es auch schon "rund gegangen", berichtet der angehende Kinderpfleger weiter.

Zunächst habe er gar nicht mitbekommen, dass die Gruppe aus rund zehn Personen besteht. Denn an den Beleidigungen seien am Anfang weit weniger beteiligt gewesen. Dass der Mann, den zwei, drei Jugendliche ursprünglich "blöd angemacht" hatten, weder auf die Polizei wartete noch im Nachhinein eine Dienststelle aufsuchte, verwundert Silvio J. nicht: "Er war ganz offensichtlich geistig behindert und völlig in seiner Welt, er hat die spätere Attacke wohl überhaupt nicht wahrgenommen."

"Ich bin blutüberströmt am Boden gelegen"

Die Eskalation dürften indes etliche Passanten sehr wohl wahrgenommen haben. Denn es war laut Silvio J. am Bahnhof viel los. Doch als insbesondere zwei Männer auf ihn einschlugen, habe sich der Bahnhofsvorplatz schnell geleert. Auch auf die Pöbeleien der Jugendlichen gegen den Mann mit Handicap hat niemand reagiert. "Ich habe die Szene beobachtet und bin allein dadurch ins Visier der Gruppe geraten", schildert Silvio J. Dann sei alles sehr schnell gegangen. "Ich bin blutüberströmt mit meinem Rosenstrauß in der Hand am Boden gelegen". Eigentlich nämlich wollte er an diesem Abend seine Freundin vom Zug abholen. Dass er stattdessen mit mehreren Hämatomen am Kopf und einer blutigen Nase in einer Klinik landet, hat er wohl nicht gedacht.

Dennoch würde er genauso wieder handeln — und im Fall eines Falles eingreifen. "Man ist doch Teil einer Gesellschaft", sagt Silvio J. überzeugt, "da muss man auch Verantwortung zeigen."


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