Buch legt Hintergründe offen

Zwischen Faszination und Heldenkult: Flugsport von seinen Anfängen bis zum Zweiten Weltkrieg

Redaktion Erlanger Nachrichten

6.5.2022, 06:00 Uhr
Ab in die Luft: Mitflieger mussten sich beim Flug am Piloten festklammern.

© Kontrolle5, NN Ab in die Luft: Mitflieger mussten sich beim Flug am Piloten festklammern.

Fliegen übt eine unglaubliche Faszination aus, selbst auf diejenigen, für die es schon normal ist, in den Urlaub zu jetten. Und ganz besonders auf all diejenigen, die selbst gern am Steuerknüppel sitzen. (Segel)fliegen ist ein unbeschwertes Hobby - leider aber schwebt auch darüber ein Schatten.

Der Erlanger Verleger Harald Fischer ist selbst begeisterter Segelflieger, jetzt hat er ein historisches Buch darüber geschrieben. 

Der Erlanger Verleger Harald Fischer ist selbst begeisterter Segelflieger, jetzt hat er ein historisches Buch darüber geschrieben.  © privat, NN

Denn von seinen Anfängen an bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs wurde dieser Sport immer wieder politisch missbraucht, und es gab Flieger genug, die ihr Hobby gerne in den deutschnationalen Dienst stellten. Heute ist die Sportfliegerei natürlich völlig frei davon - aber auch weit davon entfernt, sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen.

Beides, die Faszination und die politische Vereinnahmung, wird eindrucksvoll und sehr detailliert in einem nun erschienenen Buch dokumentiert, das den schlichten Titel trägt „Erlanger Flieger 1911 - 1945“. Der Erlanger Autor und Verleger Harald Fischer ist selbst Segelflieger beim Flugsportverein Erlangen-Nürnberg. Er hat verschollen geglaubte Dokumente und Protokolle aufgespürt, in Zeitungs-, Stadt- und Staatsarchiven recherchiert, Flugbücher ausgewertet und daraus ein Kompendium der Fliegerei geschaffen, mit vielen Abbildungen und Quellenhinweisen.

Auf Raum Erlangen konzentriert

Das Buch konzentriert sich auf den Raum Erlangen, doch die Stadt steht zugleich stellvertretend für viele andere Orte in Deutschland mit ähnlicher Geschichte. Nur wurde sie dort bisher wohl nicht so gründlich dokumentiert.

In Erlangen begann die Fliegerei im Jahr 1911 - mit Ballonfahren. Am 3. März jenes Jahres wurde die Ortsgruppe Erlangen des Nürnberger Vereins für Luftschifffahrt gegründet. Schon im Jahr darauf landete in der Stadt vor den Augen Hunderter begeisterter Zuschauer erstmals ein Motorflugzeug - was neue Hoffnungen und Begehrlichkeiten weckte. Aber es sollte bis 1919 dauern, ehe eine eigene Fliegervereinigung gegründet wurde, und noch weitere zehn Jahre bis zur Taufe des ersten eigenen Flugzeugs.

Kampfflieger galten als Kriegshelden

Aktiv waren Erlanger Flieger auf jeden Fall im Ersten Weltkrieg, Kampfflieger galten auch nach Kriegsende noch als die Kriegshelden schlechthin - ein Kult, den vor allem Konrad Bischoff pflegte, der fortan die Geschichte des Vereins mitprägte, auch und gerade mit dem Hintergedanken, das deutsche Volk müsse sich von den „Fesseln des Versailler Vertrags“ befreien und wieder eine starke Luftwaffe bekommen.

Doch es gab in Erlangen eine Gegenbewegung. 1929 wurde aus der Fliegervereinigung eine Flugsportvereinigung, die nicht die Tradition, sondern das Fliegen in den Mittelpunkt stellte. Damit begann auch die Blütezeit des Modell- und des Segelfliegens. Der Verein nutzte mehrere Flugplätze in und um Erlangen, meistens fand dort zunächst nur ein „Hangrutschen“ oder Hopsen statt. Fischer dokumentiert eindrucksvoll, wie Flugzeuge aerodynamischer gebaut wurden und wie bessere Seilstarts und Flugzeugschlepps immer längere Flüge möglich machten. Der Autor zitiert dazu Zeitungsberichte und Flugbücher, aus denen die Begeisterung spricht, die Kunst der Fliegens immer besser zu beherrschen.

Allerdings wurden allmählich, zuerst in der Politik und dann auch wieder nationalistischen Gruppe - die sich zwischenzeitlich mit den Flugsportlern versöhnt hatte - wieder nationalistische Töne lauter. Segelfliegen sollte zum Sport des deutschen Volkes werden, auch im Sinne einer Wehrertüchtigung.

1933 begann mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten die Angleichung der Flugsportvereine an SA- und SS-Fliegerstürme. Die Erlanger Flugsportvereinigung begrüßte nach den Worten ihres Ehrenvorsitzenden im März 1933 die Machtergreifung „mit übervollem Herzen“, und sah es als ihre Aufgabe an, „aus der Jugend opferbereite Männer und Streiter für Deutschlands Ehre und Freiheit zu machen“. Vier Jahre später wurde aus den Vereinen endgültig das Nationalsozialistische Fliegerkorps und, wie Fischer schreibt, diese Sportart wie keine andere in den Dienst der NS-Politik gestellt: Wer nur um der Freude willen fliegen wolle, galt als charakterlich nicht geeignet.

Zum Schluss zitiert der Autor aus einem geschichtlichen Rückblick des Bayerischen Luftsportverbands von 1951: Nach dem Krieg zählte wieder nur die „Flugsehnsucht“ als „tiefe Form menschlichen Heimwehs“. Und er fügt hinzu: „Die NS-Diktatur, der von ihr entfachte Weltkrieg und die unzähligen Opfer bleiben (darin) unerwähnt.“ Das blieben sie bis heute.

Info zum Buch

Harald Fischer, Erlanger Flieger 1911 - 1945, Harald Fischer Verlag Erlangen, 266 Seiten, 39 Euro, erhältlich im Buchhandel und beim Verlag.

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