Zwischen Ruhestätte und Stück Natur mitten in der Stadt

25.2.2021, 06:00 Uhr
Ein Friedhof bedarf auch viel Pflege und Sicherheit. Darum kümmert sich unter anderem auch der Friedhofsausschuss.

© Patrick Seeger/dpa Ein Friedhof bedarf auch viel Pflege und Sicherheit. Darum kümmert sich unter anderem auch der Friedhofsausschuss.

Was ist ein Friedhof? Biologisch ausgedrückt: ein Grundstück zur Umwandlung von menschlichem Plasma zu Humus durch natürliche Dekomposition. Ästhetisch definiert: ein parkähnliches Grundstück mit ansprechenden Grabmälern, Bäumen und kleinen Waldbewohnern und Kulturfolgern wie Eichhörnchen und Vögeln aller Art. Je älter so ein Friedhof, umso stärker rückt er in das Interesse von Liebhabern der schwarzen Romantik, Ökologen, Denkmalämtern sowie Menschen, die nach einer lauschigen letzten Ruhestätte Ausschau halten.

Sieben Köpfe für den Friedhof

Im Falle des Neustädter Friedhofs ist ein zurzeit siebenköpfiger Friedhofsausschuss unter Führung von Pfarrer Leyk tätig. Für den ist der Neustädter Friedhof in erster Linie kein Bodendenkmal, sondern "immer eine menschliche Geschichte." Hier besuchen Hinterbliebene ihre Ehepartner, ihre Eltern, Geschwister oder ihre Kinder. Nicht umsonst ist das prominenteste Grab dieses Friedhofs ein Kindergrab.

Jeden Tag aufs Neue stellt sich die erste Aufgabe: die Gehwege sicher und gepflegt halten. Kein Müll darf herumliegen, auch wenn der Friedhof gelegentlich zum Fahrradfriedhof umgewidmet wird. Auch müssen die Wege trittsicher sein, dass kein alter Besucher mit seinem Stock oder Rollwägelchen irgendwo hängen bleibt und zu Fall kommt. Einmal im Jahr steht eine Inspektion der Bäume wie der Grabmäler an. Bei mangelnder Standsicherheit klebt eine Benachrichtigung am Grabstein. Denn für die Behebung der Mängel ist der Grabeigentümer zuständig. Nächste vordringliche Aufgabe: die Toiletten in der Aussegnungshalle harren des Umbaues. "Mit dem Rollstuhl kommt man da kaum hinein", moniert der Pfarrer.

"Stück Natur in der Stadt"

Sodann stellt dieser Friedhof für Pfarrer Leyk "ein Stück Natur in der Stadt dar." Entsprechend sollte man die Flora heimisch gestalten. Momentan ärgert sich der Ausschuss mit Bäumen herum, die vor ein paar Jahrzehnten in Mode waren. Zypressen machen sich in Italien und auf Böcklins "Toteninsel" sehr malerisch, auf fränkischem Sandboden gedeihen sie eher weniger, darum bevorzugt der Ausschuss Bäume, die sich auf heimischer Scholle wohlfühlen. Natürlich gehört die Sicherheit vor Astbruch dazu. Und kaum hat man den Teufel genannt, kommt er auch schon angerannt: In der Mitte des Friedhofs sind zwei Äste von einem Nadelbaum heruntergekracht. Offenbar hatten sie der Schneelast nicht mehr standgehalten.

Doch nicht nur der Mensch steht unter Schutz. Vor einiger Zeit hatten sich insektoide Kampfflieger auf dem Friedhof eingenistet. Die angeblichen Hornissen entpuppten sich bei näherer Betrachtung als Erdwespen. Nach der Devise "friedlich ist das Wespennest, solang’ man es in Ruhe lässt", verzichtete der Ausschuss auf die chemische Bekämpfung und pflanzte dafür ein Schild in Nähe der Behausung, worauf die Besucher aufgefordert werden, Ruhe zu bewahren und nicht um sich zu schlagen. Das hat funktioniert, Mensch und Wespe fanden ein Auskommen miteinander.

Immer mehr Feuerbestattungen

Auch wenn der Friedhof vom Pathos des 19. Jahrhunderts mit seinen schwarzgranitenen Grabsteinen, philosophischen Sphingen und tränenseligen Trauerengeln geprägt ist, reagiert der Ausschuss auf die gesellschaftlichen Strömungen. Seit Jahren tendiert man zur Feuerbestattung mit Urnengrab. Ein kleines Urnenfeld mit einer Namensstele ist bereits etabliert. Nun kommt in der Nordwestecke ein weiteres Feld mit Doppelurnengräbern für Paare dazu.

Eine solche Fläche kann man nicht einfach so ausweisen. Da muss man warten, bis genug benachbarte Gräber frei und abgeräumt werden. Ein weiterer lauschiger Winkel befindet sich hinter den beiden Beinhäusern, wo auch zwei Bäume Schatten spenden. Hier möchte Pfarrer Leyk eine Bank und einen Ruhewinkel für Eltern, die ihr Kind vor oder bei der Geburt verloren hatten, etablieren.

"Nicht immer nur grau"

Wie viel Gegenwart verträgt ein historischer Friedhof? Pfarrer Leyk weist auf ein grün schillerndes Kreuz aus drei Glasschichten mit eingravierter Blume. "Grabmale müssen nicht immer grau sein", findet er. Weniger anfreunden kann er sich mit tibetischen Gebetsfahnen, die gelegentlich an Gräbern flattern. Nach buddhistischer Vorstellung bewirkt gerade der Verschliss durch Wind und Wetter, dass die aufgeschriebenen Gebete gen Himmel fahren. "Der Neustädter Friedhof ist ein christlicher Friedhof, der auch für Menschen, die aus der Kirche ausgetreten sind, offen steht", meint Pfarrer Leyk. Für Gläubige anderer Religionen sei der Hauptfriedhof zuständig.

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