Erst Saharastaub, dann Schneechaos: Wetterphänomen über Deutschland

9.2.2021, 06:00 Uhr
Jede Menge Neuschnee. Und das hat auch einen Grund: Eine Luftmassengrenze über Deutschland.

© WetterOnline/WetterOnline Meteorologische Dienstleistungen GmbH/obs Jede Menge Neuschnee. Und das hat auch einen Grund: Eine Luftmassengrenze über Deutschland.

Zugausfälle, gesperrte Straßen und Verkehrsunfälle: Von Sonntag auf Montag kam in einigen Teilen Deutschlands jede Menge Neuschnee herunter und führte zu reichlich Chaos. Auf der A6 bei Nürnberg versperrte ein gedrehtes Auto die Fahrbahn und sorgte für etwa 100 eingeschneite Lkw, die vom Technischen Hilfswerk befreit werden mussten.


Sechs Fakten, die Sie über Schnee noch nicht wussten


Noch angespannter ist die Lage im Osten und der Mitte Deutschlands. Durch weiter andauernde Schneefälle und Glätte auf den Straßen kam es in Westfalen und Bereichen Niedersachsens sogar zu einem Fahrverbot für Lkw auf Autobahnen.

Und ganz im Süden? Vergleichsweise milde Temperaturen und keine Spur von einem "Schneechaos". "Damit diese gegensätzliche Wetterlage eintreten kann, müssen verschiedene Faktoren erfüllt sein", sagt Guido Wolz, Leiter des Referats Regionale Wetterberatung vom Deutschen Wetterdienst in München. Ein Faktor ist der gestörte Polarwirbel, der für eine Kaltluftfront in Deutschland sorgte.

Normalerweise bewegt sich dieser Luftwirbel kreisförmig in der Stratosphäre direkt über der Region des Nordpols. Kräftige Winde, die über 250 Stundenkilometer schnell sind, umschließen ihn und sorgen dafür, dass die polare Luft nicht entweichen kann.

"Berliner Phänomen": Polarluft in Deutschland

Für gewöhnlich kühlt sich die Stratosphäre im Winter ab. Der Berliner Meteorologe Richard Scherhag von der Freien Universität hat in den 1950er Jahren jedoch entdeckt, dass sich die Luft dort auch schlagartig erwärmen kann - um 30 bis 50 Grad Celsius. Durch dieses sogenannte "Berliner Phänomen" kann es vorkommen, dass warme Luft in den Polarwirbel eindringt und ihn teilt - es entsteht ein "Polarwirbel-Split". Und der franst aus und brachte so kalte Luft bis nach Deutschland.


Immer aktuell: Unser Wetterbericht für die Region


Währenddessen beförderte eine Südwest-Strömung warme Luftmassen und sorgte für Föhnwinde an den Alpen. Der Saharastaub, der in den vergangenen Tagen in Form des diesig-gelben Himmels zu sehen war, ist eine Folge des Tiefdruck-Systems. Winde wirbelten den Sand auf und transportieren Staub aus der Wüste über das Mittelmeer direkt nach Deutschland.

Ein eher seltenes Phänomen

Diese Südwest-Strömung prallte wiederum gegen die kalte Polarluft aus dem Norden. Guido Wolz erklärt es so: "Zwei gleich starke Partner bewegen sich weder vor noch zurück. Deswegen konnte sich die Luftmassengrenze länger als gewöhnlich halten." Was folgt: Die warme Luft steigt auf, kühlt durch die kalte Luft ab und es entstehen Wolken. Die produzieren Niederschlag und der wird, aufgrund der niedrigen Temperaturen, zu Schnee. Und weil die "Luftmassengrenze" sich nicht weiterbewegen konnte, sogar zu jeder Menge Schnee.


Sör kämpft in Nürnberg gegen Schneemassen


Das war jedoch nicht die einzige Auswirkung dieser Fronten. Durch die Luftdruckunterschiede kam es zu einer Windzunahme und die führte in einigen Teilen zu reichlich Schneeverwehungen. Außerdem entstand durch die übereinander gelagerten Luftschichten Glatteisregen, indem Regen von der warmen Luft durch die kalte Schicht fiel und gefror.

"Einzeln betrachtet sind diese Vorgänge nicht selten. Doch die Entstehung einer so deutlichen Luftmassengrenze kommt nicht sehr oft vor. Ähnlich passierte es im Winter 1978/1979", sagt Wolz. Der ging als Jahrhundertwinter ein und stürzte mit extremen Schneemassen den Norden Deutschlands ins Chaos. Die Temperaturen sanken an einem Nachmittag um bis zu 30 Grad.

So kalt wie vor 40 Jahren ist es aktuell nicht. Allerdings wird bis spätestens Ende der Woche der Süden höchstwahrscheinlich nicht weiter von den kalten Temperaturen verschont bleiben. Laut Wettervorhersage bringt Tief "Gisela" dann Frost für alle.

Verwandte Themen


1 Kommentar