Fall Gustl Mollath: Richter weist Vorwürfe zurück

26.11.2012, 16:26 Uhr
Fall Gustl Mollath: Richter weist Vorwürfe zurück

© SWR

Rosenkriege sind Alltag in Deutschland - doch äußerst selten nehmen die Kämpfe zerstrittener Eheleute ein solches Ende wie im Fall Gustl Mollath. Seit sechs Jahren ist der 56 Jahre alte Nürnberger gegen seinen Willen in einem psychiatrischen Krankenhaus eingesperrt. Die Justiz sieht ihn als Gefahr für die Allgemeinheit. Mollath selbst hält sich für ein Justizopfer und kämpft seit für seine Freilassung. Justizministerin Beate Merk (CSU) ist unter Druck geraten, und ebenso die Nürnberger Justiz. Im Landtag scheidet der Fall die Geister.

Einigermaßen klar ist lediglich die Chronologie. Mollath, ein studierter Ingenieur, zerstreitet sich vor mehr als zehn Jahren mit seiner Frau, damals noch Mitarbeiterin der HypoVereinsbank in Nürnberg. 2002 erstattet sie Anzeige gegen ihn wegen Körperverletzung. Mollath hingegen schreibt auf seiner Website, seine Frau sei in Schwarzgeldgeschäfte in der Schweiz verwickelt gewesen. Im Sommer 2003 erhebt die Nürnberger Staatsanwaltschaft Anklage wegen Körperverletzung gegen Mollath. Gleichzeitig läuft die Scheidung. Über ihren Anwalt unterstellte seine Frau Mollath 2003 eine «ernsthafte psychiatrische Erkrankung».

"Paranoides Gedankensystem"

Im Dezember 2003 folgt Mollaths Anzeige wegen Schwarzgeldgeschäften gegen seine Frau, mehrere andere Mitarbeiter der HypoVereinsbank und 24 Kunden. Die Nürnberger Staatsanwaltschaft leitet keine Ermittlungen ein.

Aus diesem Grund gerät die Justiz jetzt in die Kritik: Der Umgang der Staatsanwaltschaft mit Mollaths Anzeige sei «empörend», sagt der Hamburger Anwalt Gerhard Strate. Die Freien Wähler hatten bei dem Juristen eine rechtliche Stellungnahme zu dem Fall in Auftrag gegeben. «Pflicht- und rechtswidrig» sei das Verhalten der Ermittler gewesen, sagt Strate.

Denn Mollath nannte in seiner Anzeige einen Schweizer Banker, den es tatsächlich gibt, und behauptete, seine Frau und andere hätten Millionensummen in die Schweiz transferiert. «Auch eine Anzeige von jemand, der als schwierig gilt, muss ordentlich geprüft werden», sagte dazu der Freie-Wähler-Abgeordnete Florian Streibl. Inzwischen ist ein interner Revisionsbericht der HypoVereinsbank öffentlich geworden, der zumindest einige Vorwürfe Mollaths bestätigt.

2006 ordnet das Landgericht die Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung an. Mollath hatte vorher jede Zusammenarbeit mit dem Gutachter abgelehnt, der seinen Geisteszustand untersuchen sollte. Der Gutachter bescheinigt ihm ein «paranoides Gedankensystem», zu dem auch die Schwarzgeldverschiebungen gehören. Heute steht die Justiz vor dem Problem: Wenn Mollaths Vorwürfe damals in Teilen zutrafen, kann man sie nicht als Beleg für Verfolgungswahn werten.

Unterbringung bestätigt

Die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg verteidigt die damalige Entscheidung, keine Ermittlungen aufzunehmen: Geldgeschäfte in der Schweiz sind nicht automatisch strafbar. Mollath legte damals außerdem ein 106-seitiges Schreiben vor, in dem es viel um Mollaths Weltsicht und wenig um Schwarzgeschäfte geht. Mollath dankte unter anderem dem Papst, erwähnte Briefe an UN-Generalsekretär Kofi Annan, viele hundert Bundestagsabgeordnete und Altbundespräsident Theodor Heuss. Die Justiz wertete Mollaths Konvolut offensichtlich eher als Beleg, dass er tatsächlich psychische Probleme hatte.

Inzwischen ist die Unterbringung Mollaths mehrfach von Obergerichten bestätigt worden. Justizministerin Merk argumentiert, dass es zwischen Mollaths Geldwäsche-Vorwürfen und seiner Unterbringung keinen Zusammenhang gibt. Möglicherweise waren Mollaths Vorwürfe richtig - und er könnte trotzdem gefährlich sein.

Franz Schindler, der Vorsitzende des Rechtsausschusses im Landtag, wägt seine Argumente vorsichtig: «Die Unterbringung kann in einem Rechtsstaat nur ein Gericht beenden, nicht die Justizministerin und auch nicht der Landtag.» Fehleinschätzungen der Justiz gebe es immer wieder. Doch dass es in Bayern ein System gibt, Menschen wegzusperren, die Schwarzgeldgeschäfte aufdeckten, «das weigere ich mich zu glauben», sagt Schindler.

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