"Fall Mollath" bringt Ministerin Merk in Nöte

2.11.2012, 07:34 Uhr
Die Schuld an seinem Schicksal gibt Mollath, der aus dem Nicht-Knast heraus sogar eine eigene Internetseite betreibt, einer Verschwörung bestehend aus seiner Frau, einer Großbank, der Justiz und Politik.

© Frank Rumpenhorst/Archiv (dpa) Die Schuld an seinem Schicksal gibt Mollath, der aus dem Nicht-Knast heraus sogar eine eigene Internetseite betreibt, einer Verschwörung bestehend aus seiner Frau, einer Großbank, der Justiz und Politik.

Einst gehörte Gustl Mollath zur Nürnberger Schickimicki-Szene: Er restaurierte Sportwagen und fuhr selbst Rennen. Doch dann wurde gegen ihn ein Verfahren wegen Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Sachbeschädigung eingeleitet.

Das Gericht verurteilte ihn aber nicht zu einer in solchen Fällen zu erwartenden Bewährungsstrafe, sondern befand ihn aufgrund mehrerer Sachverständigengutachten für psychisch krank und überdies gefährlich. So sitzt der heute 55-Jährige seit nunmehr sechs Jahren wohlverwahrt in einer geschlossenen Abteilung des Bezirkskrankenhauses Bayreuth. Eine Entlassung steht in den Sternen.

Die Schuld an seinem Schicksal gibt Mollath, der aus dem Nicht-Knast heraus sogar eine eigene Internetseite betreibt, einer Verschwörung bestehend aus seiner Frau, einer Großbank, der Justiz und Politik. Die Frau, damals beschäftigt bei der HypoVereinsbank, habe ihn mit erfundenen Beschuldigungen vor Gericht gebracht, weil er mitbekommen habe, wie sie Kunden beim Steuerbetrug geholfen habe. Freilich formulierte der Mann seine Gegenanzeigen und Beschwerden so wirr, dass die Staatsanwälte sie nicht ernst nahmen. Durch alle Instanzen ging der Fall, ohne dass Mollath Erfolg hatte.

Die Bank aber nahm Mollath durchaus ernst. Sie stellte eigene Untersuchungen an. Jetzt wurde bekannt, dass auch die Steuerfahndung wenigstens einen Fall, den der für geisteskrank Erklärte vorgetragen hatte, für stichhaltig hält. „Report Mainz“ hatte sich im Dezember letzten Jahres des Falles angenommen, was dazu führte, dass sich im März 2012 der Rechtsausschuss des bayerischen Landtags mit dem Thema befasste.

Justizministerin Merk wies dabei alle Verschwörungsmutmaßungen und Kritik an der Justiz zurück und bezeichnete Mollaths Angaben als Wahnvorstellungen. Doch nachdem bekannt wurde, dass Mollaths Angaben zwar nicht die Staatsanwaltschaft, wohl aber die Steuerfahndung in Gang setzten, ist die Opposition empört und werfen der Ministerin „Unwahrheit“ vor.

Offenbar wollte man gar nicht wissen, ob Mollaths Angaben wahr sind, entrüstet sich die SPD-Abgeordnete Inge Aures, die jetzt zusammen mit Kollegen der Freien Wähler (FW) und der Grünen Front gegen die Justizministerin macht. Der FW-Rechtspolitiker Florian Streibl nannte den Fall gar einen „Justizskandal ungeheuren Ausmaßes“. Die konkreten Hinweise in den Erklärungen Mollaths habe Merk „geflissentlich unter den Tisch fallen“ lassen, warf Landtagsvizepräsidentin Christine Stahl (Grüne) der Ministerin vor.

Die Rolle von Ex-Richter Heindl

„Die durchsichtigen Vorwürfe sind absurd“, wehrte sich dagegen die Justizministerin. Dass die Opposition erneut einen früheren Richter, der für die Republikaner in den Nürnberger Stadtrat gewählt worden sei, als Kronzeugen präsentiere, sei „nicht nachvollziehbar“. Das aber ist auch nur die halbe Wahrheit. Richter im Ruhestand Rudolf Heindl, früher SPD-Kommunalpolitiker, ist nach eigenen Angaben bei den Republikanern ausgetreten. Dass alles mit rechten Dingen zuging, bezweifelt aber auch Mollaths Freund, der Bad Pyrmonter Zahnarzt Edward Braun, der einschlägige Drohungen von Ehefrau Petra gehört haben will: „Wenn Gustl mich und meine Bank anzeigt, dann mache ich ihn fertig. Ich lasse ihn auf seinen Geisteszustand untersuchen.“

Karl-Heinz Westenrieder, 2006 Schöffe im Prozess gegen Mollath, bewertete den damaligen Richterspruch als „Fehlurteil“ und Mollaths Anwalt Hans-Berndt Ziegler wundert sich, dass sein Mandant immer noch „in der Irrenanstalt“ sitzt, „wo andere, die vielleicht einen versuchten Totschlag gemacht haben oder Ähnliches, längst wieder auf freiem Fuß sind“. Wegen „fortbestehender Gefährlichkeit“ Mollaths hätten Landgericht Bayreuth und Oberlandesgericht Bamberg die Fortdauer der Unterbringung in Bayreuth angeordnet, teilte indessen Ministerin Merk mit.

Der Landtag dürfte sich nicht zum letzten Mal mit dem Fall befasst haben. „Sollten wir von der Ministerin keine erhellenden Antworten erhalten, werden wir weitere Initiativen ergreifen“, drohte der FW-Abgeordnete Streibl.

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