17-Jährigen mit Bierkrug fast totgeschlagen: Fünf Jahre Haft

24.7.2014, 09:42 Uhr

Fast auf den Tag genau ein Jahr ist es her, dass der Besuch des Forchheimer Annafestes für einen heute 18-Jährigen zu einem wahren Horror wurde: Am Abend des 20. Juli 2013 nämlich soll er laut Anklageschrift der Staatsanwaltshaft von einem betrunkenen jungen Mann beinahe totgeschlagen worden sein.

Das Ungewöhnliche: Die Tatwaffe war ein etwa ein Kilogramm schwerer Stein-Maßkrug. Der Angeklagte, ein 22-jähriger Lackierer, der erst drei Tage zuvor aus dem Gefängnis entlassen worden war, wo er wegen anderer Delikte gesessen hatte, habe mit dem Krug extrem hart zugeschlagen: So enorm sei die Wucht des Schlages gewesen, dass der Krug beim Aufprall auf dem Kopf des Opfers regelrecht zerplatzte.

Weitere Schläge folgten

Diesem finalen Knock Out sollen, so Oberstaatsanwalt Bernd Lieb, vier Schläge mit dem Maßkrug ins Gesicht des 17-jährigen Forchheimer Azubis vorangegangen sein – und all das nur, weil der Teenager den Angeklagten um eine Zigarette gebeten haben soll. Auch als der Junge bereits blutend am Boden lag, habe der Angeklagte nicht von ihm abgelassen. Zweimal soll er sein Opfer noch mit Fußtritten malträtiert haben, die gegen den Oberkörper gerichtet waren.

Erst als ein Bekannter des 17-jährigen Forchheimers beherzt eingriff und sich auf den Schläger warf, war für den jungen Mann das Martyrium beendet. Mit starken Blutungen um das linke Auge sowie mit einer sieben Zentimeter langen, klaffenden Platzwunde am Hinterkopf blieb er k.o. auf dem Boden liegend zurück, ehe sich Sanitäter um ihn kümmerten.

Strategie: schweigen

Wie es zu dem Vorfall kommen konnte, wollte der bereits mehrfach vorbestrafte Angeklagte zunächst nicht sagen. „Mein Mandant hat sich entschlossen, vorerst keine Angaben zur Sache zu machen“, ließ der 22-Jährige durch seinen Verteidiger Thomas Gärtner erklären. Licht ins Dunkel mussten deshalb mehrere Zeugen bringen.

Als erster vor Richter Manfred Schmidt sagte das Opfer selbst aus. Ob er nach einer Zigarette gefragt habe, daran konnte er sich zwar nicht mehr erinnern, sehr wohl aber an die drei Schläge mit dem Maßkrug ins Gesicht. Er selbst habe zwar im Vorfeld fünf bis sechs Halbe Bier getrunken, sei aber noch fit gewesen – und er habe den Angeklagten keinesfalls provoziert oder angepöbelt.

Zeuge klärte Hergang

Genauer gesehen hatte den Vorfall dagegen der 26-jährige Mann, der schließlich dem Opfer zu Hilfe gekommen war. Er erklärte, wie beide Männer zunächst kurz diskutierten und der Angeklagte sodann mit dem Bierkrug auf seinen Bekannten mehrfach einschlug. Ein weiterer, 20-jähriger Mann konnte das ebenfalls bezeugen. Ferner erklärte ein Rechtsmediziner der Uni Erlangen, dass die beim Opfer festgestellten Verletzungen durchaus seinen Schilderungen entsprächen – und sie jederzeit zu einem lebensgefährlichen Schädelbruch hätten führen können.

Etwas anders in Erinnerung hatten den Vorfall dagegen zwei 60 und 31 Jahre alte Frauen. Beide hatten die Geschehnisse aus einiger Distanz wahrgenommen. Die Zeuginnen sagten aus, dass es für sie den Anschein hatte, beide Männer hätten sich gegenseitig geschubst, bevor es zu der Krug-Attacke kam.

Kleine Unstimmigkeiten

Bis zu diesem Zeitpunkt hatten alle anderen Zeugen die Meinung vertreten, dass körperliche Gewalt nur vom Angeklagten ausgegangen sei. Gleichzeitig verwickelten sich die Damen jedoch auch in kleinere Unstimmigkeiten, etwa in der Bewertung der Entfernung, in der sie den Vorfall beobachtet haben.

In dieser Situation entschied sich der mit Fußketten gefesselte Angeklagte, der erneut in Haft sitzt, doch etwas zur Sache zu sagen: Er erklärte, das spätere Opfer habe ihn einfach so am Arm gepackt, was er partout nicht ausstehen könne. Warum es dann zu der drastischen Auseinandersetzung gekommen ist, konnte oder wollte der Angeklagte allerdings nicht sagen.

Am zweiten Verhandlungstag äußerte sich mit Rafael Riera Knorrenschild ein weiterer Sachverständiger im Prozess. Der Fachmann für Psychiatrie und Chefarzt der Bezirksklinik Hochstadt hatte sich mit dem Angeklagten näher beschäftigt. Dem Schöffengericht erklärte er, dass der Mann seiner Meinung nach nur eine geringe Emotionswahrnehmung habe und somit Gefühle anderer Menschen nur unzureichend erkennen könne.

Neigung zur Aggressivität

Diese Schwäche paare sich mit einer Neigung zu aggressivem Verhalten unter Alkoholeinfluss. Zwar wisse der Angeklagte um diesen Umstand Bescheid und zeige durchaus Reue mit Blick auf die Tat. Jedoch sei er nicht in der Lage, die Konsequenzen daraus zu ziehen und sein Verhalten zu ändern. Abhilfe schaffen könne daher eine Therapie im Maßregelvollzug, wobei ein Therapiezeitraum von mindestens einem Jahr angebracht sei.

Diesen Aspekt griff auch Oberstaatsanwalt Bernd Lieb in seinem Plädoyer auf: Er forderte im Kern, den Angeklagten wegen versuchten Totschlags zu fünfeinhalb Jahren Haft zu verurteilen und ihn ferner in einer Entziehungsanstalt unterzubringen.

Anders sah dies freilich der Verteidiger des 22-Jährigen: Von einem versuchten Totschlag könne keine Rede sein, da sein Mandant sonst den Krug nicht erst ins Gesicht seines Opfers geschlagen hätte, sondern gleich direkt auf den Kopf. Eine Freiheitsstrafe von drei Jahren für eine gefährliche Körperverletzung sowie die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt seien daher als Strafmaß angemessen.

Alkohol mindert Vorwurf

In seinem Urteil entschied sich das Gericht unter Vorsitz von Richter Manfred Schmidt für einen anderen Weg. Zwar ließ es den Vorwurf des versuchten Totschlags fallen – unter anderem, weil der Angeklagte beim Zuschlagen mit dem Maßkrug spontan und im alkoholisierten Zustand unüberlegt gehandelt habe.

Dennoch verurteilte Schmidt den 22-Jährigen zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe wegen gefährlicher Körperverletzung. Zudem ordnete er die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an. Ob der Angeklagte gegen das Urteil Rechtsmittel einlegen wird, ist noch offen. Falls nicht, muss er zusätzlich die Kosten des Verfahrens tragen.

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