350 Jahre jüdische Geschichte in Forth

23.9.2010, 18:43 Uhr
350 Jahre jüdische Geschichte in Forth

© Scott Johnston

Die Gruppe um die Historikerin Martina Switalski musste bei ihren Recherchen feinfühlig vorgehen. Schließlich war „lange Zeit verkapseltes Wissen“ wieder zum Vorschein zu bringen, wie es die Mitstreiter formulieren. Bei den Recherchen galt es, auf familiäre Bindungen Rücksicht zu nehmen, nicht selten war der Vater oder Großvater bei der NSDAP engagiert, so dass es für die Nachkommen nicht einfach war, frei darüber zu sprechen. Martina Switalski befürchtete auch, es könnte in Forth während der Nazi-Diktatur noch schlimmer gewesen sein als anderswo.

Für die Interessengemeinschaft ist die Judenverfolgung im Dritten Reich auch nur das Eingangstor, um sich mit 350 Jahren christlich-jüdischen Zusammenlebens in dem Eckentaler Ortsteil zu beschäftigen. Zwischen 1499 und 1582 wurden zahlreiche Juden aus der freien Reichstadt Nürnberg vertrieben. In erster Linie aus finanziellen Gründen siedelten die Adelsgeschlechter Gotzmann und Bünau, denen das Büger Schloss gehörte, Juden in ihrem Herrschaftsgebiet an.

Kleinkram im Bauchladen

Wer sich niederließ, musste drei Gulden Aufzugsgeld zahlen. Hinzu kamen Schutzgelder, Opfergulden an Michaelis sowie Zoll- und Nachtgebühren, wenn Juden von auswärts in Forth übernachteten. Extra erfunden wurden das Holzhauergeld und Abgaben für die Jagdhunde der Reichsritter von Bünau. Auch der protestantische Pfarrer bekam eine Stolgebühr, da ihm die Zuteilungen bei Taufen und Beerdigungen entgingen.

Die Juden durften weder Ackerland besitzen noch ein Handwerk ausüben. Sie konzentrierten sich auf den Handel und das Verleihen von Geld, was wiederum den Christen verboten war. Als so genannte Schmuser vermittelten sie Geschäfte und Verträge aller Art. Viele Forther Juden zogen mit Zwergsack, Bauchladen und Handkarren die ganze Woche über von Dorf zu Dorf und boten Kleinkram von der Wagenschmiere bis zu Schnürsenkeln an.

Erholung für Kinder

Das Nürnberger Industriellen-Ehepaar Adolf und Julie Schwarz richtete im Büger Schloss 1913 nach der Renovierung ein „Israelitisches Erholungsheim“ ein. Zirka 65 kränkelnde Kinder konnten sich dort in vierwöchigen Kuren regenerieren. 1938 übernahm der NS-Lehrerbund das Schloss.

Cassel Veit kaufte 1724 ein Grundstück an der heutigen Hauptstraße und ließ dort eine Synagoge bauen. Nach der Reichpogromnacht machten die Nazis 1938 das Gebäude dem Erdboden gleich. Aus den Sandsteinen wurde das Forsthaus in Neunhof gebaut.

Die jüdische Schule war in einem Wohnhaus gegenüber der heutigen katholischen Kirche untergebracht. Zu ihr gehörte auch eine Mikwe für rituelle Tauchbäder. Wegen mangelnder Schülerzahlen wurde der Unterricht 1922 eingestellt.

Die Ausstellung in Ermreuth präsentiert die Ereignisse anschaulich mit Dokumenten und Fotos auf Wandtafeln, deren Finanzierung der Verein Tacheles übernommen hat. Sie ist bis 30. November sonntags von 15 bis 17 Uhr geöffnet. Führungen können unter den Telefonnummern (09126) 297529 oder (09134) 70541 vereinbart werden.

Der zweite Band der „Spaziergänge durch Eckental“ widmet sich ebenfalls der jüdischen Geschichte in Forth. Er kostet 3,50 Euro und kann im örtlichen Buchhandel oder im Eckentaler Rathaus erworben werden.SCOTT JOHNSTON