A 73: "Wahlkampf auf der Autobahn"

15.2.2020, 19:00 Uhr
A 73:

Von einer "Herausforderung", die "richtige Balance zu finden" zwischen "mobil sein" und "ruhig wohnen", sprach der Innenminister Ende Oktober vergangenen Jahres. "Jetzt war es erst einmal wichtig, eine vernünftige, vertretbare und auch wirklich hilfreiche Lösung für Forchheim zu finden", so Joachim Herrmann (CSU) beim Ortstermin an der A 73. Natürlich waren (wie berichtet) der christsoziale OB-Kandidat Udo Schönfelder, Landtagsabgeordneter Michael Hofmann und der oberfränkische Umweltminister Thorsten Glauber (Freie) gleich mit von der Partie.

Insgesamt wurden in den Jahren zwischen 2015 bis 2018 rund 43 Millionen Euro in und an der Autobahn verbaut, alleine 15 Millionen Euro sind in den Lärmschutz geflossen. Doch die Anwohner beklagten sich trotz Flüsterasphalts und neuer Schutzwände über eine erhebliche Zunahme des Lärms.

Hier sollte eine temporäre, testweise Lösung auf dem Teilstück der A 73 durch Forchheim, und das nur nachts, Abhilfe schaffen helfen – eine zeitlich befristete Versuchsregelung, teilt das bayerische Innenministerium nun auf eine kritische Anfrage des Forchheimer FDP-Landtagsabgeordneten Sebastian Körber mit. Er ist auch Vorsitzender des Ausschusses für Wohnen, Bau und Verkehr im Maximilianeum.

Auf der A 73 zwischen Forchheim-Nord und Forchheim-Süd gilt seit Anfang Dezember vergangenen Jahres ein Tempolimit von 120 Stundenkilometern von 22 bis 6 Uhr, "befristet auf ein Jahr plus Entscheidungszeitraum".

Beruhigungspille für die Anwohner

Durch die bereits vorgenommenen Lärmschutz-Maßnahmen war an insgesamt 648 Anwesen die Belastung unter die Schwelle der Immissionsgrenzwerte der sogenannten 16. BImSchV (Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes) gesenkt worden. Auf der Ostseite der Autobahn konnte eine maximale Reduzierung am nächstgelegenen Haus von 17 Dezibel, auf der Westseite von sieben Dezibel erreicht werden.

Das Ministerium schreibt nun, Geschwindigkeitsbeschränkungen dürften streckenbezogen nur dann angeordnet werden, wenn eine besondere Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko erheblich übersteigt: Ermittlungsziel des Forchheimer Versuchs seien die "Auswirkungen durch den Wegfall ansonsten besonders schnell fahrender Einzelfahrzeuge auf die Wohnbevölkerung, hier nachts". Ein Tempolimit auf der Autobahn ist Sache des Bundes, nicht des Landes.

Für den FDP-Abgeordneten Körber handelt es sich um ein "absurdes reines Wahlkampf-Manöver", eine "Beruhigungspille für die Anwohner im Kommunalwahlkampf, zu dem sich der zuvor noch skeptische Innenminister durch die lokalen Parteifreunde habe drängen lassen.

Denn es werden gar keine Lärmmessungen durchgeführt. Stattdessen werden Muster-Berechnungen angestellt und eine Prognose gemacht. Demnach ergebe sich, so das Ministerium, eine weitere Reduzierung des Lärms in der Nacht von rechnerisch 0,3 Dezibel. Aber: Eine solche Verminderung ist für das menschliche Gehör gar nicht feststellbar, dies kommt erst ab 3,0 Dezibel in Betracht, also dem zehnfachen Wert.

Ansonsten soll die Polizei im Erprobungszeitraum die Tempobeschränkung überwachen und "ein repräsentatives Bild der tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeiten zur Nachtzeit erheben".

Kritiker Sebastian Körber versteht die Klagen über Lärmbelästigung der Anwohner gut. Auch er ist für ein Tempolimit. Die Aktion des Ministeriums freilich sei "symptomatisch für rasche Symbolpolitik" ohne wirklichen Hintergrund.

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