Abi in Corona-Zeiten: "Die Schulzeit stirbt vor sich hin"

17.6.2020, 06:00 Uhr
Abi in Corona-Zeiten:

© Foto: Jana Schneeberg

Ein Teil der Prüfungen liegt nun hinter ihnen – und das bringt Erleichterung. "Es war machbar", sagt Thomas Kornalik und spricht dabei auch für seine zwei Mitschüler. Natürlich hätten sie keinen Vergleich. Dass Abiturprüfungen für jeden Schüler, jede Schülerin eine Herausforderung sind, versteht sich von selbst. Dennoch: "Ich denke nicht, dass wir einen großen Nachteil gegenüber vorangegangenen Jahrgängen haben", meint Katharina Büttner.

Immerhin seien die Grundlagen schon vor dem coronabedingten Lernen zu Hause gelegt worden. "Wir sind schon relativ weit im Stoff gewesen." Also ging es zu Hause vor allem ums Wiederholen und Festigen. Aber, schränkt Marvin Ogolla ein, nicht jeder könne sich Sachen selbst gut beibringen. Und so gebe es ganz sicher auch diejenigen unter den 122 Abiturienten am EGF, die dadurch mit mehr Schwierigkeiten zu kämpfen haben. "Die Diskrepanz zwischen den Prüfungsleistungen könnte also am Ende höher sein", glaubt er.

Wissen wird man es erst an diesem Freitag. Nachdem die zweite mündliche Prüfung absolviert ist, sollen die Abiturnoten feststehen. Diejenigen, die mit ihren Leistungen in einem Fach nicht zufrieden sind, können dann noch in eine mündliche Nachprüfung. Wegen der coronabedingten Ausnahmesituation ist eine zusätzliche Nachprüfung auch möglich, um seine Note aus dem zweiten Schulhalbjahr der Abschlussklasse aufzubessern. Sind auch diese absolviert, wird normalerweise der gesamte Abiturjahrgang mit der Zeugnisübergabe und dem Abiball feierlich aus der Schule entlassen. Normalerweise. Doch in diesem Jahr ist alles anders – und das ist ein Thema, das die drei 18-Jährigen neben ihren Prüfungsvorbereitungen am meisten umtreibt.

"Fühlt sich komisch an"

"Es fühlt sich alles komisch an", sagt Marvin. Viele Lehrer zum Beispiel haben die Abiturienten am 13. März, dem letzten Schultag vor Corona, zum letzten Mal gesehen. "Seither haben wir nur noch unsere Abilehrer gesehen." Er bedauert, dass das vielleicht so bleiben wird. Damit ist er nicht der einzige. "Wenn man sich umhört, trauern viele darum, dass es für uns keinen zeremoniellen Abschied geben wird", meint Marvin.

Das soziale Miteinander habe auch während der Prüfungszeit gefehlt. "Normalerweise feiert man im Freundeskreis, dass man eine Prüfung hinter sich hat", erzählt er. Diese kleinen Zusammenkünfte fallen dieses Jahr aber ebenso flach wie die ganz große Abschiedsfeier. Katharina versucht es mit Galgenhumor: "Immerhin hatten wir keine Möglichkeit, uns vom Lernen abzulenken, weil wir uns ja gar nicht mit Freunden treffen konnten."

Dennoch: Dass es keinen Abiball geben soll, schmerzt. "Die Schulzeit stirbt vor sich hin", meint Thomas und hofft mit seinen Mitschülern, dass vielleicht doch noch etwas zu Stande kommt. "Eine Verleihungszeremonie in irgend einer Art, mit der Möglichkeit, dass einige Lehrer und Schüler zu Wort kommen." Marvin hätte da schon eine Idee: "Zur Zeit sind doch die Autokinos wieder in, vielleicht könnte jeder Abiturient mit Auto auf einen Platz kommen, auf den 122 Autos passen." Der Vorteil: In den Wagen könnten auch Verwandte Platz nehmen und alle Abstände würden eingehalten.

Der Abiball in der bekannten Form wurde offiziell abgesagt. Ganz abgehakt hat aber auch Schulleiter Karlheinz Schoofs das Thema noch nicht: "Klar ist, dass es keine Großveranstaltung geben wird, denn da würden bei unseren über 100 Abiturienten mit Angehörigen und Lehrern bis zu 500 Leute zusammen kommen." Erlaubt seien solche Veranstaltungen noch nicht wieder. "Und nach den Ereignissen in Göttingen möchte ich da auch kein Risiko eingehen", sagt der Direktor. Aber "vom Herzen her" möchte er seinen Abiturientinnen und Abiturienten einen würdigen Abschluss bieten. Er bleibe daher in Kontakt mit ihnen.

Der Abschied ist nicht auf Zeugnisausgabe und Abiball beschränkt. Aber auch über den anderen Ritualen schweben die Corona-Verordnungen: Der Abischerz, den die Abschlussklassen normalerweise organisieren, fällt ihnen ebenso zum Opfer wie gemeinsame Abifahrten: "Das werden wohl eher individuelle Ausflüge", erzählt Thomas. Er berichtet von einem Hausboot in Brandenburg, das er im August mit vier Freunden gemietet hat. Zu guter Letzt ist da noch die Abizeitung – und, immerhin, die soll es geben.

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