Wie ein Forchheimer den Box-Europameistertitel holen will

9.6.2020, 16:18 Uhr
Die Vorfreude ist ihm ins Gesicht geschrieben: Marten Arsumanjan will beim EM-Kampf in Berlin zeigen, was in ihm steckt.

© Thomas Hahn, NN Die Vorfreude ist ihm ins Gesicht geschrieben: Marten Arsumanjan will beim EM-Kampf in Berlin zeigen, was in ihm steckt.

Abstand halten, nur keinen Körperkontakt – so lautet das Mantra für Sportler in den Tagen von Corona. Marten Arsumanjan hält sich nicht daran: Am kommenden Freitag, 12. Juni, steigt er um 20 Uhr gegen Björn Schicke in Berlin in den Boxring, um "vielleicht die größte Chance meines Lebens" zu nutzen.

Das Gym des AC Bavaria Forchheim ist seit Mitte März gesperrt. Doch der 26-Jährige aus Zirndorf, der lange Jahre für den Boxring Stein aktiv war, darf mit einer Sondergenehmigung des Gesundheitsamts hinein in die heiligen Hallen. Er ist Profi, verdient also sein Geld mit dem Sport und hat daher (ähnlich wie die Fußballer der Bundesliga) andere Vorschriften.

Corona-Hygieneregeln gelten auch für Boxer, aber...

Die Hygieneregeln gelten auch für Boxer, aber natürlich kann man weder im Sparring und vor allem nicht im Kampf auf sogar intensiven Körperkontakt verzichten. Da vermischen sich Schweiß und gegebenenfalls Blut der Kontrahenten.

Das ist auch Trainer Tuncay Kasim klar, der in Ebermannstadt wohnt. Darum müssten alle Beteiligten auf Corona getestet werden, betont er. Vor dem großen Kampf am 12. Juni, in dem es gegen den Lokalmatador Björn Schicke um den Europameistertitel im Mittelgewicht geht, werde das Sicherheitskonzept des Boxverbands EBU nochmals intensiviert: Die Teams reisen am 7. Juni an, am 8. folgt der Coronatest, danach eine viertägige Quarantäne und am Wiegetag nochmals ein Test auf Covid-19, ehe tags darauf die Rivalen die Fäuste kreuzen.

Gekämpft wird nicht in einer der großen Halle, sondern in den Havel-Filmstudios – Ende Mai hatte der Berliner Senat für Inneres und Sport die Genehmigung für das Boxevent ohne Zuschauer erteilt.

Dass sich der Titelverteidiger vom Boxstall Agon selbstbewusst gibt ("Ich kenne den Gegner schon und werde den Titel erfolgreich verteidigen"), passt Trainerfuchs Kasim ins Konzept. Natürlich suche sich die Gegenseite für eine freiwillige Titelverteidigung einen Gegner aus, den man gerade nach der Corona-Zwangspause für schlagbar hält. Aber das sei die große Chance für Arsumanjan, dass Schlicke ihn unterbewusst unterschätzt.

Abraham-Cousin hat boxerische "Coolness" im Blut

Kasim glaubt an diese Chance: "Marten hat diese gewisse Finesse, die man beim Profiboxen braucht. Er hat die Erfahrung von über 100 Amateurkämpfen, in denen es in nur drei Runden darum geht, mit hoher Frequenz zu punkten. Bei den Profis geht es über zwölf Runden – da braucht man eine Strategie, Nehmerqualitäten und auch am Ende noch Schlagkraft."

All dies besitze sein Schützling, der schon familiär bedingt die boxerische "Coolness" im Blut habe. Sein Cousin ist der ehemalige IBF- und WBO-Weltmeister Arthur Abraham, und auch Martens Bruder Sascha hat eine ähnlich erfolgreiche Profikarriere eingeschlagen, ist eine Gewichtsklasse höher noch ungeschlagen. Die drei stammen aus Armenien, wo Boxen ohnehin einen höheren Stellenwert hat als in Deutschland.


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Hier gelte die Regel für eine Karriere "Nur nicht verlieren!", ärgert sich Kasim etwas. In den USA hingegen wollen die Zuschauer gute Kämpfe sehen – und da bekämen auch Boxer, die sich gegen Topleute teuer verkaufen, immer wieder eine Chance auf neue Herausforderungen.

Doch um an die großen Fleischtöpfe zu kommen, muss Marten Arsumanjan erst einmal noch etwas in den Ranglisten nach oben klettern und sich einen Namen machen. Wie hoch das Preisgeld in Berlin ist, wissen der Boxer und sein Trainer noch gar nicht. Das sei auch nicht so wichtig. "Wir wollen gewinnen und hinterher Geld verdienen", sagt Kasim. Ein solcher Titelkampf sei wie ein Sechser im Lotto.

"In der Boxszene sind nicht alle Veranstalter zuverlässig"

Dafür gibt Marten Arsumanjan seit einigen Wochen alles. Lose Kontakte nach Berlin habe man schon vorher gehabt, doch am 7. Mai habe Promoter Hagen Döring offiziell den Kampf beantragt – und seit Anfang dieser Woche seien auch die Medien informiert worden. "Eigentlich können die jetzt keinen Rückzieher mehr machen", so Kazim.

Darauf hofft auch Arsumanjan, der schon einige schlechte Erfahrungen gemacht hat: "In der Boxszene sind nicht alle Veranstalter zuverlässig." Da würden fest vereinbarte Termine nicht eingehalten, teils aus fadenscheinigen Gründen.


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Das Scheitern seines bisher vermeintlich größten Fights hat aber kein unseriöser Promoter auf dem Gewissen, sondern eine Naturgewalt: 2017 sollte er um den WBO-Junior-Titel in den US-Südstaaten boxen – ehe Hurrican Irma diesen Kampf platzen ließ.

Nun aber die nächste Chance. Als Corona hierzulande den Sport stoppte, steckte er in den Vorbereitungen für die deutsche Meisterschaft am 27. März, die dann natürlich auch abgesagt wurde. Daher stand er ganz gut im Saft, als der Kampf gegen Schicke avisiert wurde. Zunächst war gar kein Training in der Halle oder gar mit Gegner möglich, doch seit einiger Zeit darf er mit ausgewählten Sparringspartnern wieder in den Ring steigen. Die Vorbereitungszeit war kürzer als gewohnt, aber intensiv. So gab es ein Trainingswochenende in München, gegen einen Profi, der Schicke imitieren konnte.

Arsumanjan: "Ich fühle mich bereit für den Kampf"

Zurück in Forchheim sind sein Bruder Sascha und Bavaria-Neuzugang Kris Bushi (ein Bamberger, der zuvor für den BC Weißenburg kämpfte) seine Mitstreiter. Dazu viel Lauftraining und an den Wochenenden Radtouren mit Tuncay Kasim durch dessen Heimat, die Fränkische Schweiz – für die Beine.

"Ich fühle mich bereit für den Kampf", sagt Marten Arsumanjan. Für das geforderte Gewicht von 72,5 Kilogramm muss er noch einige Pfunde abschwitzen, aber das ist er gewohnt. Und für den Schritt nach ganz oben muss man schon Opfer bringen. Cousin Arthur Abraham schickt jedenfalls schon immer wieder motivierende Sprachnachrichten: "Wichtig ist, dass Ihr jetzt zusammenhaltet." Der Mann muss es wissen.

Info: Mehr Bilder unter www.nordbayern.de/forchheim – Der Kampftag in Berlin wird live übertragen auf www.bild.de.

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