Abschied nehmen von der Heimat

24.4.2020, 17:25 Uhr
Abschied nehmen von der Heimat

© Foto: Edgar Pfrogner

Abschied nehmen von der Heimat
Abschied nehmen von der Heimat

© Foto: Edgar Pfrogner

Rund ein Jahrhundert Sportgeschichte der Stadt im Süden des Zentrums könnten schon im kommenden Sommer Vergangenheit sein: Denn wenn alles glatt läuft, könnte die Sportvereinigung Jahn dann schon in ihre neue Anlage an der nördlichen Peripherie beziehen – und an der Jahnstraße das "Philosophenviertel" entstehen, eine Wohnanlage mit rund 300 Einheiten.

Seit rund zehn Jahren führen die Jahn-Verantwortlichen den Kampf um die Umsiedlung ihres Traditionsvereins. Verständlich, dass Vorstandsmitglied Hans Schneider und Schatzmeister Gerhard Tinkl sehr erleichtert sind, dass die Zusage für den vorzeitigen Baubeginn seitens des BLSV jetzt vorliegt, "Eigentlich kann der Architekt jetzt unverzüglich mit den Ausschreibungen beginnen", so Tinkl. Und diese seien so weit vorbereitet, dass sie direkt europaweit rausgehen können. In zwei Monaten könnten dann die ersten Angebote vorliegen, im August die Arbeiten beginnen.

Doch gerade angesichts der vielfältigen unangenehmen Erfahrungen mit diesem Fünf-Millionen-Projekt verfallen die erfahrenen Funktionäre nicht in Euphorie. Schließlich gäbe es doch einige Unwägbarkeiten beim aktuellen Fahrplan..

"Wir hoffen das Beste"

Erstens könne natürlich das Corona-Virus einen Einfluss auf die Ausschreibung haben, von dem man jetzt noch nicht wisse. Prinzipiell, so Finanzexperte Tinkl, heiße es ja, Ausschreibungen sollte man im Herbst machen, weil im Frühjahr die Auftragsbücher der Firmen voll seien: "Wir müssen halt jetzt loslegen und hoffen das Beste."

Zweitens bestehe die Gefahr, dass die Kostenschätzung des Architekten und die konkreten Preise nach der Ausschreibung nicht übereinstimmen. Tinkl: "Das muss eine Punktlandung werden." Denn steigen die Kosten, erhöht sich die Zuschusssumme des BLSV nicht, fielen diese jedoch, würde die finanzielle Unterstützung des Verbands gekürzt. Für Hans Schneider ist klar: "Werden die Kosten höher, müssen wir kleiner bauen und vermutlich zuerst am neuen Sportheim sparen."

Drittens – und eigentlich eine unwahrscheinliche Variante – hofft man bei der Sportvereinigung, dass die Denkmalschutzbehörde bei den Bauarbeiten im Norden rund um das bisherige VfB-Gelände und den Skaterpark keine archäologischen Funde macht, die den Bau weiter verzögern. Ganz ausgeschlossen scheint das nicht, da dort in der Nähe angeblich zur Zeit des 30-jährigen Kriegs ein Heer gelagert haben soll. "Bei unserem Glück finden‘s da a Scherben", merkt Schneider mit etwas Selbstironie an. Denn die Historie dieses Umzugs ist so voll mit Pleiten, Pech und Pannen, dass man beim Jahn kaum etwas ausschließt. Aber Schneider und Tinkl betonen auch, "dass viele Verzögerungen nicht auf unserem Mist gewachsen sind" (siehe Info-Kasten).

Aber jetzt richtet sich der Blick der Verantwortlichen nach vorne. Ideal fände es Tinkl, wenn man bis zum Jahresende den Spielbetrieb – der Bayerische Fußballverband will bekanntlich ab September die Runde fortsetzen – noch an der Jahnstraße laufen lassen könnte. Dann müsste man nur etwa ein halbes Jahr überbrücken und könnte die Runde 2021/22 schon in der Kaiser-Heinrich-Straße starten.

Im Idealfall bereits im neuen Sportheim. Denn das bisherige Klubheim des VfB wird ebenso der Abrissbirne zum Opfer fallen wie die historische Jahnhalle. Dank der Holzträgerbauweise sollte der Bau schnell über die Bühne gehen. Die drei Fußballplätze im Norden müssten allesamt komplett neu aufgebaut werden. "Wenn wir schon im Herbst ansäen können, hätten wir im Frühjahr schon eine gute Grasnarbe", ist sich Gerhard Tinkl sicher.

Ursprünglich war einmal geplant, dass die Jahn-Fußballer mit ihren elf Jugendteams und zwei Seniorenmannschaften so lange am angestammten Areal bleiben können, bis das neue fertiggestellt ist. Doch angesichts der ständigen Verzögerungen wurde der lange sehr geduldige und kooperative Investor Dignus doch etwas ungeduldig. Offiziell darf die SpVgg nun bis Ende Juni bleiben, wegen der Covid-19-Pandemie geht der Verein aber fast davon aus, dass auch die Bauherren des "Philosophenviertels" etwas in Verzug geraten sind.

Suche nach Ersatzquartier

Falls man doch eher gehen muss, müsse man sich eben ein Ersatzquartier suchen. Das könne die Sportinsel sein, wobei deren Plätze laut Gerhard Tinkl "für A- oder B-Klasse ausreichend sind", aber vielleicht den Anforderungen des Verbands für eine Landesligaanlage nicht genügen könnten. Oder man muss eben bei Nachbarvereinen kurzfristig unterkommen.

So ganz entspannt wird es also nicht bei der Sportvereinigung Jahn Forchheim – und von einer historisch interessanten "Scherben" möchte man verschont bleiben.

Keine Kommentare