Advent feiern in der Wohnanlage für Obdachlose

17.12.2014, 06:51 Uhr
Advent feiern in der Wohnanlage für Obdachlose

© Foto: Athina Tsimplostefanaki

Franz Stumpf wirkt mit seinem Anzug und der Krawatte wie ein Fremdkörper. Aber wenigstens ist der Oberbürgermeister überhaupt gekommen. Er spricht ein paar Worte über die Weihnachtszeit, lobt das Engagement in der Einrichtung, danach ist er wieder verschwunden. Draußen wartet die schwarze Limousine, es stehen noch einige Termine auf seinem heutigen Programm.

Drinnen geht die Adventsfeier ganz normal weiter. Ganz normal heißt in diesem Fall: Rund ein Dutzend der Bewohner der Obdachlosenunterkunft sitzen an ein paar Tischen verteilt, sie trinken Kaffee und alkoholfreien Punsch, im Hintergrund leuchten Lichter an einem Weihnachtsbaum. Vor der Tür stehen eine handvoll Bewohner, sie rauchen und unterhalten sich, eine Frau wendet Bratwürste auf einem Grill.

„Heute sitzen sie zusammen“

Das ist die Adventsfeier in der Wohnanlage Eggolsheimer Weg. Eine gemeinsame Einstimmung auf die Weihnachtszeit mag vielleicht anders aussehen. Trotzdem: „Normalerweise sind die Leute auf der Anlage verstreut, heute sitzen sie zusammen“, sagt Sozialpädagogin Antje Kahnt. Zumindest sitzen die Leute zusammen, die gerade hier leben. Eigentlich wohnen 50 Menschen in der Anlage. Aber viele sind momentan in stationärer Therapie oder im Krankenhaus.

Ein 50-jähriger Mann gehört zu der Gruppe der Raucher vor der Tür. Das Leben hat ihn gezeichnet, er könnte auch schon 60 sein. Sein Name spielt keine Rolle, nennen wir ihn Rolf. Er hat schon zwei Entzüge hinter sich, über kurz oder lang landete er aber immer wieder an der Flasche. Die längste Zeit, in der er einen dauerhaften Job hatte, beträgt ein Jahr. Fahren darf er nicht mehr, egal ob Fahrrad oder Auto.

Aber Rolf gibt nicht auf. Vor zwei Jahren hatte er wieder einmal die Möglichkeit, in einem Lager anzufangen. „Aber da war ich gerade am Trinken, das ging nicht“, sagt Rolf. Nun wartet er noch einmal auf eine Chance. Rolf will weg — von der Flasche, vom Wohnheim. Wieder auf eigenen Beinen stehen, das ist sein Ziel. Aber nun ist erst einmal Adventsfeier. Rolf findet das gut, schließlich kommen die Leute hier zusammen. „Ich bin kein Einzelgänger“, stellt er klar.

Es sind Fälle wie Rolf, die Antje Kahnt ihren Beruf gerne machen lassen. Pro Jahr schaffen es drei oder vier Bewohner raus aus der Wohnanlage zurück in ein normales Leben mit eigener Wohnung und einer festen Arbeitsstelle. „Das macht mich glücklich.“

Ein Weihnachtsbaum aus Plastik

Dass sich wenigstens ein paar Bewohner zur Adventsfeier eingefunden haben, ebenfalls. 2013 ist die Feier ausgefallen, „da haben einige unserer Bewohner uns gelöchert, ob sie nun wieder stattfindet, weil sie die Feier sehr vermisst haben“, sagt Kahnt.

Zu diesen Bewohnern gehört Johanna Hofmann. Die 68-Jährige lebt seit vier Jahren in der Anlage. Bereitwillig zeigt sie ihre Wohnung, die Bratwürste auf dem Grill müssen ja sowieso noch etwas brutzeln. Ein Blick genügt und man weiß: Weihnachtszeit ist ihre Zeit. Die persönlichen 19 Quadratmeter sind adventlich geschmückt. Besonders stolz ist Hofmann auf ihren kleinen Weihnachtsbaum aus Plastik. Ein paar Batterien bringen ihn zum Leuchten. „Er hat nur ein paar Euro gekostet“, sagt Hofmann und grinst. Ihr gefällt es ausgesprochen gut in der Wohnanlage. Hofmann wohnt im Erdgeschoss, hier muss sie wenigstens keine Treppen steigen, sagt sie.

Dann sind die Bratwürste fertig. Die Gäste scharen sich um den Grill, jetzt sieht es wirklich nach Beisammensein aus. Vom Balkon eines Wohnhauses der Anlage blickt ein Bewohner kurz nach unten. Das Treiben scheint ihn nicht wirklich zu interessieren. Er nimmt es zur Kenntnis, dann sperrt er die Tür zu seiner Wohnung auf und ist außer Sicht.

Unten hat sich auch Johanna Hofmann eine Bratwurstsemmel geholt. Während sie einen Bissen nimmt, blickt sie hinüber zu den Lichtern auf dem Weihnachtsbaum. Dann strahlt sie heller als es die Kerzen je könnten und sagt: „Es ist schön hier und die Feier ist toll. Mehr brauche ich nicht.“

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