«Alle sind Menschen»

25.11.2008, 00:00 Uhr
«Alle sind Menschen»

© Kuderewski

Davon könnten sich einige Schüler eine Scheibe abschneiden: Ganz locker steht sie vor der Klasse, erklärt verständlich, was es mit der Trisomie 21 auf sich hat, lässt sich nicht aus der Ruhe bringen und unterhält die Zuhörer ab und zu mit einem Scherz.

«Ich setze mich gern dafür ein. Und nicht nur für das Down-Syndrom, sondern für alle Arten von Behinderung», sagt sie gleich zu Beginn. So viel Engagement und Reife ist man von nicht vielen 16-Jährigen gewohnt - und auch eine ordentliche Portion Mut gehört zu so einem Vortrag.

Ein Chromosom zu viel

Michaela ging neun Jahre lang auf die Volksschule in Adelsdorf und hatte es dort oft nicht leicht. Erfahrungen mit einem Neonazi, Hänseleien und Ausgrenzung gehörten dazu. Auch eine Mutter, die nicht wollte, dass ihre Tochter mit Michaela auf einem Zeitungsfoto erscheint. Es würde ein schlechtes Licht auf ihr Kind werfen, sagte sie.

«Es hat weh getan, wenn mich Mitschüler ausgelacht oder ignoriert haben», sagt sie. Und damit dieses Lachen aufhört, hat sie zunächst ihre Mitschüler in Adelsdorf und jetzt auch zwei Klassen in Kirchehrenbach über das Syndrom informiert. Über die «erblich bedingte Veranlagung», bei der in jeder Körperzelle ein Chromosom zu viel auftaucht.

Ein schwaches Bindegewebe und, wie Michaela es nennt, «Schlitzaugen» sind die Folge. Häufig auch Sprachschwierigkeiten, eine langsame Entwicklung und Herzfehler. Etwa 1200 Kinder werden jährlich mit Down-Syndrom geboren. Bei ihr hatte man es gleich nach der Geburt gemerkt, obwohl man es vielen Neugeborenen noch gar nicht ansieht. Aber ihr Vater ist Kinderarzt, für einen Fachmann war es leicht zu erkennen.

Sprachprobleme merkt man Michaela fast gar nicht an, das ist der Geduld und den frühen Leseübungen der Eltern zu verdanken. Und auch ansonsten ist sie, abgesehen von den äußerlichen Merkmalen, ein Mädchen wie alle anderen. «Ich gehe ins Kino, tanze, male, singe, habe Spaß am Schwimmen und Rennrodeln», zählt sie ihre Hobbys auf.

Einige Praktika hat sie schon hinter sich, im Blumenladen, in der Bäckerei und bei der Lebenshilfe. Im März 2009 wird sie einige Wochen im Altenheim mitarbeiten. «Ich suche nach einem Beruf wie alle anderen Jugendlichen auch. Ich möchte mich auf ein selbstständiges, ausgefülltes Leben vorbereiten und es genießen», sagt sie und betont dabei, wie wichtig die Unterstützung von Eltern, Freunden und auch Organisationen ist.

Seit ihrem Schulabschluss geht Michaela in ein Förderzentrum, bekommt dort fast wie in der Schule Mathe-, Deutsch- und Hauswirtschaftsunterricht. Drei Jahre dauert es noch, danach wird sie sich einen Beruf suchen – mit Hilfe der Nürnberger Arbeitsassistenz «Access».«Durch solche Organisationen finden immer mehr Menschen mit Down-Syndrom einen ganz normalen Arbeitsplatz», sagt Michaela. Sie selbst könnte sich einen künstlerischen, hauswirtschaftlichen oder sozialen Beruf vorstellen.

Im Laufe des Referats sagt sie immer wieder den Satz «Alle sind Menschen». Sie fordert auf zu mehr Toleranz und stellt den Schülern die Frage, ob sie es nicht langweilig fänden, wenn alle gleich wären. Die Klasse ist von ihrem Vortrag beeindruckt, teilweise betroffen, stellt interessiert Fragen.

Michaela bringt die Schüler aber auch an vielen Stellen ihres Vortrages zum Lachen. Und am Ende zum Nachdenken - mit den Worten des ehemaligen Bundespräsident Weizsäcker: «Es ist normal, verschieden zu sein.» Ein mutiger und bewundernswerter Vortrag. OLIVIA KUDEREWSKI