"Altstadtfetzt": Musik-Marathon in Forchheim

29.6.2015, 19:41 Uhr

© Udo Güldner

Obwohl weit und breit kein Baum zu sehen ist, haben sich Felix Kaden (Erlangen), Michael Jakob (Nürnberg) und Meike Harms (München) unter dem Poe-Tree niedergelassen. In dessen Schatten phantasieren, fabulieren und polemisieren sie in einer „Poetry Revue.“ Darin treffen ein unwissender Sokrates, eine ungenießbare Möbius-Brezel und der Suppenkaspar aus dem Struwwelpeter aufeinander. Letzterer als „Fast Food-Hannes“. Lohn der orgiastischen Tintenspritzer auf jungfräulichem Papier sind „geerntete Erkenntnüsse“ und eine bei Lyrik kaum gekannte „Eskalation im Publikum“. Die sich in die Stuhlreihen ergießenden Wortkaskaden befeuchten poetisch ausgedörrte Hirnregionen, in denen die subversiven, ehrlichen und gefährlichen Gedanken zu sprießen beginnen.

Sommertag mit Glücksgefühlen

Ihre Premiere auf der Bühne haben „Hullerngroove“, die mit ihrer „fränkischen Weltmusik“ den Groove in die Hullern, die Hohlwege am Rande des Dorfes, tragen. Andreas Schmitt (Gitarre), Sigrid Lukas (Akkordeon) und Norbert Gubo (Kontrabass) mischen in ihrer Volxmusik fränkische Lieder, jazzige Arrangements und ukrainischen Klezmer-Sound zu melancholischen, spritzigen oder fantastisch beschwingten Stücken, die den Sommertag erhellen. Es sind Glücksgefühle, die einen an diesem Nachmittag mehrfach durchströmen.

© Udo Güldner

Es geht etwas tiefer und wird dunkel beim Schwarzlichttheater. Im Gewölbe präsentiert die JTF-Gruppe „Bscht“ in fast völliger Dunkelheit radelnde Skelette, nicht feuerfeste Piraten und eine unsichtbare Combo. Nur angestrahlt von einer Schwarzlichtlampe, die das Geschehen in ein gespenstisch fluoreszierendes Licht taucht. Wieder zurück aus der Unterwelt empfangen einen die straßenmusikerfahrenen Jugendlichen des „Project BMB“. In sengender Sonne singen sie wunderbar leichte Cover-Versionen der Red Hot Chili Peppers und zerren „Undercover Martyn“ ans Tageslicht, der sich im Two Door Cinema Club versteckt hat. Antonia Pospiech und Ramona Riedel singen mit kräftiger Behutsamkeit den Indie-Folk-Rock, dem Lena-Marie Thiem (Violine), Johannes Gerwin (Gitarre) und Marius Tuffner (Cachon) den charakteristischen Sound verpassen. Wer die jungen Musiker nicht gehört hat, hat etwas verpasst.

Bevor der JTF-Nachwuchs „TheaterNeun“ sich sieben leerer Stühle annimmt, jandelt Jürgen „Jott“ Gutschmann laut durch Lautgedichte, die laut Dichter lauter dichte Dinge sagen. Im improvisierten Tohuwabohu bebildern Paula Deinlein, Caroline Wald, Helena Rödel, Luna Völker, Penelope Grünert, Laura Grimm und Clarissa Deinlein den musikalisch gar nicht so sauren „Lemon Tree,“ der in Fool’s Garden steht. Was daraus wird, wird im Dezember in voller Länge sichtbar werden. Schließlich taucht die Sonne die Bühne in ein mildes Abendrot. Von da ist es nicht weit bis zum „Weinrot“. Die Formation besteht aus der Sängerin Susanne Henglein, ihrem Mann Bernd am Bass und Schwager Max am Schlagzeug. Hinzu kommen der Keyboarder Johannes Ehrl, der ziehharmonisch das heiße Zeugs zusammenzieht, das Donna Summer sich wünscht. Und die Stimme Kati Hänigs, die mit ihrer Partnerin am Mikrophon französischen Chansons, Pink-Floyd-Balladen und Bobby Blands Blues Leben einhaucht. Das Publikum jedenfalls ist schon da nur noch schwer zu halten.

"LauschRausch" begeistert

Das Finale bestreitet die erst vor zwei Wochen gegründete Band „LauschRausch“. Deren junge Musiker, die sich am Herder-Gymnasium Forchheim gefunden haben, lassen Ann-Kathrin „Anni“ Andorka und Amelie Mehl, sowie Christoph Rubner (Gitarre) besoulte Ausflüge in die 70er Jahre unternehmen. Der Bläsersatz aus Michael Weinert (Trompete), Markus Förstel (Posaune) und Annika Schobert (Saxophon) setzt dynamische Funk-Signale aus dem Hintergrund, und die Rhythmusgruppe mit David Wagner (Schlagzeug), Susanne Lotter (Bass) und Julian Maurer (Piano) fetzt so richtig durch die gerappte Gegend. Eine Band, von der noch viel zu hören sein wird.

Wer wenn nicht das Junge Theater könnte ein solches Kulturspektakel auf die Beine stellen? Da ärgert es einige Ehrenamtliche wie Claus Mainhardt nur, dass das JTF einige hundert Euro an die Werbegemeinschaft zahlen muss und dann die Mülleimer während des Altstadtfestes überall in der Innenstadt geleert werden, nur nicht vor der Kaiserpfalz. „So etwas regt mich auf.“

Der nächste Poetry Slam findet am 16. September ab 20 Uhr im „Chillies“ in der Wiesentstraße statt. Die Band „LauschRausch“ ist am 17. Juli beim Bürgerfest Neunkirchen zu hören, das Project BMB am 11. Juli im Heidsgärtla Egloffstein.

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