Annafest: Maßkrug-Attacke vor Gericht verhandelt

16.4.2020, 18:00 Uhr
Der Täter stand nicht das erste Mal vor dem Richter.

© NN-Archiv Der Täter stand nicht das erste Mal vor dem Richter.

Eine Attacke mit einem Maßkrug beschäftigt derzeit das Landgericht Bamberg. Staatsanwalt Johannes Bartsch geht von einem versuchten Totschlag aus und hat den 39-jährigen Silvio L. (Name geändert) aus Forchheim angeklagt. Die Hauptrolle aber spielt: der Alkohol.

Es hätte so ein schöner Abend werden können. Hochsommerliche Temperaturen, gute Freunde und das eine oder andere erfrischende Bier. Doch bei zwei oder drei Maß bleibt es nicht. Auf dem Neder-Keller treffen sich Silvio L. und sein späteres Opfer zum ersten Mal. Sie haben eine gemeinsame Bekannte.

Irgendwann befinden sich die beiden Männer im verbalen Clinch. Die Diskussion über Politik und Kindererziehung wird hitziger. Als der eine davon spricht, den Freund seiner Tochter verprügeln zu wollen, bekommt er zur Antwort: "Was bist denn Du für ein Depp?" Der Alkohol hat die Zungen gelöst. Es fällt auch der verhängnisvolle Satz: "Gehen wir in den Wald und reden wie Männer." Gesagt, getan. Wenige Meter entfernt auf einer kleinen Plattform beginnt ein groteskes Schauspiel. Zuerst wird nur mit Fäusten gekämpft, aber auf Grund der Alkoholisierung nur wenig Schaden angerichtet. Einige blaue Flecken sind die Folge. Sollte es Beschimpfungen oder Beleidigungen gegeben haben, sie gehen im musikalischen Grundrauschen unter.

Dann holt Silvio L. plötzlich "mit vollem Karacho" aus und landet mit seinem Steinkrug einen verheerenden Treffer. Das Gefäß wiegt immerhin rund 1,2 Kilogramm, zerspringt an der Schädeldecke aber in alle Einzelteile. Einige Sekunden kann sich sein Gegenüber noch auf den wackligen Beinen halten, dann sackt er zusammen und bleibt blutüberströmt und bewusstlos liegen. Wie ein Kriminalbeamter aus Bamberg vor Gericht erklärte, seien solche Maßkrug-Attacken inzwischen eine Seltenheit. Dafür hätten Tritte gegen den Kopf am Boden liegender Personen deutlich zugenommen.

Zu beider Glück ist eine Sanitätseinheit gerade in Sichtweite damit beschäftigt, einer jungen Frau bei einem Schwächeanfall beizustehen. Die Notfallfachleute können die stark blutenden Wunden am Kopf des Opfers versorgen, die ohne schnelle Hilfe auch tödliche Folgen hätten haben können. Dabei handelt es sich nicht um Platzwunden, wie eine Ärztin des Klinikums Forchheim-Fränkische Schweiz meinte, sondern zum Erstaunen auch des Vorsitzenden Richters Manfred Schmidt um Schnittwunden.

Neueste Forschungsergebnisse zum Thema Krug gegen Kopf hatte nämlich Prof. Dr. Stephan Seidl zur Hand. Der Rechtsmediziner von der Universität Erlangen-Nürnberg erklärte auf Grund einer Versuchsreihe seiner Münchner Kollegen, dass ein Scherbenrest, der am Henkel des Tatwerkzeuges übriggeblieben sei, nach dem Zerbrechen des Maßkruges die Kopfhaut verletzt hätte. Dass es nicht zum Schädelbruch kam, daran sei nur der Zufall schuld, einige Zentimeter weiter wäre der Bruch wohl eingetreten.

Das Opfer hat eine von der Gehirnerschütterung herrührende Amnesie. Aber Zeugen gibt es, die berichten können. Festgäste aus Forchheim, Gräfenberg und Eckental, Security-Mitarbeiter, Bereitschaftspolizisten aus Würzburg.

Nach dem Vorfall können beide Protagonisten sich nicht an die Gewalttat erinnern. Der Täter hat immerhin so viele Biere getrunken, dass er 2,5 Promille erreicht hat. Solche Filmrisse sind für Silvio L. nichts Unbekanntes. Zu seinen "besten Zeiten" waren es auch schon einmal drei Kästen Bier am Wochenende und bis zu fünf Feierabendbier an den Werktagen.

Wie Zeugen berichteten, ist Silvio L. auch bereits zuvor schon unangenehm aufgefallen. "Ab und zu hat er sich richtig zusammengesoffen." Dann habe er auch kurzerhand die eigene Haustür eingetreten. Vor drei Jahren sei er zu später Stunde auf einer Geburtstagsfeier explodiert. Das andere Mal hätten ihn Freunde während des Herrentages 2018 an einem Baum anbinden müssen, damit er nicht weiter ausrasten habe können. Wenn er Schnaps trinke, werde er aggressiv, so Silvio L. Er flüchte in den Alkohol. Etwa als seine Großmutter, die er bis zuletzt gepflegt habe, vor 13 Jahren in seinen Armen verstorben sei. Oder als ein guter Freund vor Kurzem plötzlich starb. Auch Beziehungsprobleme und die ständigen Arbeitsplatzwechsel des Mannes ohne Ausbildung sorgten für Unruhe.

Ein Blick in das Vorstrafenregister zeigt, dass Silvio L. als Jugendlicher schon einmal wegen vorsätzlicher Körperverletzung ins Visier der Justiz geraten war. Zudem hatte ihn vor sieben Jahren eine Polizeistreife mitten in der Nacht zwischen Kersbach und Gosberg mit knapp 1,8 Promille Alkohol im Blut erwischt. Ansonsten finden sich eine Vielzahl Diebstähle und ein Diebstahl mit Waffen, sonst aber keine weiteren Gewalttaten.

Silvio L. steht nach der Schlägerei mit dem Maßkrug auch sprichwörtlich vor einem Scherbenhaufen. Seit dem Tattag sitzt er in Untersuchungshaft in der JVA Bamberg. Seinen für den nächsten Tag geplanten Türkei-Urlaub konnte er nicht antreten. Seine Arbeitsstelle im Handwerk hat er verloren. Seine Lebensgefährtin hat ihn im Januar nach beinahe zweijähriger Zweisamkeit verlassen.

"Und alles nur wegen des Scheiß-Alkohols," so Rupert Hofmann. Der Rechtsanwalt aus Forchheim vertritt das Opfer der Attacke und hat sich mit dem Verteidiger Jahn-Rüdiger Albert aus Nürnberg auf einen Vergleich zur Wiedergutmachung über 5000 Euro geeinigt. Mit dem Urteil wird am Freitag Vormittag gerechnet.