Arbeiten für Schriftzug begonnen: Über dem Kreisel schwebt die Kunst

10.9.2020, 07:55 Uhr
Arbeiten für Schriftzug begonnen: Über dem Kreisel schwebt die Kunst

© Foto: Edgar Pfrogner

Auf Augenhöhe mit der Wasserwaage, gleich hinter der Silhouette von Sigritzau, scheint das Walberla emporzusteigen. Eine Schubkarre glänzt silbrig in der Herbstsonne. "Die Höhe passt", ruft Stefan Zocher, der konzentriert durch das Nivelliergerät blickt. Seit Montagnachmittag wächst, umrundet vom Verkehr, mit Buchstaben für Buchstaben und Wortstück für Wortstück das Kreisel-Kunstwerk.

"Die ganze Natur ist dem Menschen, wenn er poetisch gestimmt ist, nur ein Spiegel, worin er nichts als sich selbst wiederfindet", wird dort zu lesen sein. Ein zentraler Satz des Romantikers Ludwig Tieck, der mit seinem Kommilitonen Heinrich Wackenroder 1793 auf der berühmten Pfingstreise durch die Fränkische Schweiz unterwegs war.

Der Weilersbacher Künstler Harald Winter hatte aus 101 Bewerbern im Rahmen einer europaweiten Ausschreibung den Zuschlag bekommen – nachdem er sowohl eine Fachjury als auch die Kreisräte des Bau- und Verkehrsausschusses überzeugt hatte. Die Gesamtkosten für die Kreiselkunst werden mit 80 000 Euro beziffert (wir berichteten).

Arbeiten für Schriftzug begonnen: Über dem Kreisel schwebt die Kunst

© Foto: Edgar Pfrogner

Doch noch tragen Max Grimm und Clemens Gundermann die großen silbrigen Buchstaben vom Transporter über die Straße hinauf aufs Kreisel-Plateau. Dort stehen bereits die nummerierten Streben, an denen die Worte schweben sollen. "Pickelhart" sei der Untergrund, erzählt Stefan Zocher, in dessen Bau- und Kunstschlosserei in der Forchheimer Hainstraße die Buchstaben zur Kunst wurden. Mit einem riesigen Bohrer haben die Männer tiefe Löcher ins Erdreich gebohrt, insgesamt 60 Zentimeter tief für die Fundamente, hinzu kommen 30 Zentimeter Schalung, damit die Lyrik auch fest und frostsicher sitzt.

Rote Kreuze sind aufgesprüht, überall dort, wo die Streben verankert werden. Mittendrin liegt ein langes Stück Flachstahl, das wie ein riesiger Zeiger einer Uhr eine Art Zirkel darstellt, der immer den exakt genauen Abstand von der Mitte des Kreisels bis zum silbrigen Schriftzug beschreibt. Eine Schnur zu spannen, erzählt Stefan Zocher, wäre nicht exakt genug, denn die Schnur könne sich durch einen Luftzug bewegen, das Eisen hingegen bleibt schwer am Boden liegen. "Das ist Millimeterarbeit", sagt Zocher, denn schließlich müssen die einzelnen Wortstücke nicht nur wie bei einem Puzzle aneinandergesteckt werden um Tiecks Satz zu ergeben, sondern sich auch noch nach oben schwingen.

Insgesamt 49,2 Meter lang ist der Schriftzug, der sich wie eine Spirale um den Kreisel winden wird. "Von Stütze zu Stütze", erklärt Zocher, steigen die Buchstaben um 15 Zentimeter an. Die Schrift erscheint je nach Lichteinfall heller oder dunkler. Sechs Anfangsbuchstaben besonders zentraler Worte wie "Natur" und ,"Mensch" werden zusätzlich mit 24-karätigem Blattgold überzogen.

Die Stahlstützen sind auf dem Kreisel-Rund um zwei Meter nach hinten versetzt, erklärt Künstler Harald Winter. Sitzen die Buchstaben dann am richtigen Fleck, wird darunter jeweils 50 Zentimeter Sand aufgeschüttet. Anschließend wird der Kreisel bepflanzt. Ein entsprechendes Grünkonzept hat Johannes Mohr vom Landratsamt ausgearbeitet. Trockenheitsresistentes Silbergras soll dort angesiedelt werden, Sandnelken und Sandglöckchen. Nachtkerzen, Königskerzen und Wildrosenarten sollen dort wachsen und den Bezug zum Kunstwerk aufnehmen.

"Die ganze Natur ist", also den Zitatanfang, sehen die Autofahrer, die von Forchheim kommend auf den Kreisel zufahren. Auf dem Rückweg von Sigritzau nach Forchheim ist "nur ein Spiegel", zu lesen. "Je nach Hintergrund hat das Zitat auch eine neue Bedeutung", erklärt Harald Winter. Will heißen: Nicht nur die Worte, sondern auch der Blickwinkel und die umgebende Natur sollen sich für den Betrachter zur Gesamtkreiselkunst vereinen: "Die ganze Natur" ist also mit dem Postkartenblick gen Walberla zu betrachten, "nur ein Spiegel" mit der Sicht auf das Industriegebiet Sandäcker. "Die Natur zu schützen sehe ich als Aufforderung", sagt Winter, der im Hinblick auf Ludwig Tieck gar "einen romantischen Kreislaufgedanken im Kreisel" sieht.

Ab Donnerstagabend wird Ludwig Tiecks Zitat über dem Kreisel schweben, anschließend aufgefüllt und bepflanzt, bis Mitte Oktober soll das Gesamt-Kunstwerk dann fertig sein.

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