Arzt im Interview: "Corona-Maßnahmen verletzen Menschenwürde"

7.5.2020, 11:55 Uhr
Um die Kapazitäten des Gesundheitssystems nicht zu überlasten, hat Bayern eine Reihe von Beschränkungen beschlossen.

© Roland Weihrauch/dpa Um die Kapazitäten des Gesundheitssystems nicht zu überlasten, hat Bayern eine Reihe von Beschränkungen beschlossen.

Herr Preis, Sie sprechen davon, dass die aktuellen Corona-Maßnahmen unerträglich sind und die Menschenwürde verletzen. Wie kommen Sie zu dieser Einschätzung?

Bestimmte Bevölkerungsgruppen erleiden Beschränkungen, die aus meiner Sicht medizinisch nicht notwendig ist. Diese Menschen werden in ihrer Würde unmittelbar verletzt.

Welche Gruppen meinen Sie?

Beispielsweise Patienten im Krankenhaus, Bewohner im Altenheim oder in Behinderteneinrichtungen. Dass sie bisher keine Besuche von ihren Angehörigen erhalten durften, nicht mal von einem nahestehenden Menschen, aus der Furcht, dass sie den Virus hineintragen. Das war nicht zu rechtfertigen. Diesen Personen hätte eine Schutzausrüstung gegeben werden müssen, damit sie Angehörige besuchen können.

Arzt im Interview:

© Foto: Thomas Weichert

 Jetzt ist das möglich. Anfangs mangelte es jedoch an Schutzausrüstung.

Es ist ein Versagen des Staates, dass er sich auf eine Pandemie nicht vorbereitet hat, obwohl der Politik schon vor Jahren ein solches Szenario vorlag. Spätestens ab dem Zeitpunkt, als die ersten Lieferungen an Schutzausrüstungen eintrafen, hätte man diese auch an Patienten oder Besucher verteilen müssen. Es ist selbstverständlich, dass ein Angehöriger, der Symptome einer Grippe hat, nicht zu Besuch kommt. 

Wobei das beim Virus schwierig ist. Es gibt Infizierte, die keine Symptome zeigen.

Das gilt aber für alle Personen, die in diesen Einrichtungen tätig sind. Ein Angehöriger hätte sich von Anfang an zu einem festen Termin für einen Besuch anmelden können und man hätte ihm Schutzausrüstung geben können. Nach Wochen ist das jetzt möglich. Der Staat sagt, ich will die Alten, Schwachen schützen, fragt aber nicht die Alten, Schwachen, ob sie mit den Maßnahmen einverstanden sind, wochenlang ohne Kontakt zu Angehörigen zu sein. Der Staat übernimmt die Verantwortung für den Einzelnen und das alleine ist die Grundrechtsverletzung.

Hat der Staat denn nicht auch eine Fürsorgepflicht für die Gesamtgesellschaft?

Die hat er. Aber die Würde der einzelnen Person ist nie respektiert worden. Ich habe kein Problem damit, dass der Staat Großveranstaltungen verbietet oder bei Symptomen vorsichtshalber Menschen in Quarantäne schickt. 

Soziale Isolation von Menschen – zu was kann das führen?

Die Menschen fühlen sich einsam und werden unter Umständen depressiv. Ein alter Mensch, der täglich in Kontakt mit Angehörigen stand und darauf plötzlich verzichten muss, kann sogar in die Demenz übergehen, weil er die Situation nicht mehr versteht. Es würde mich nicht wundern, wenn Menschen mit dem Verlust der sozialen Beziehung einfach sterben. Mancher verliert endgültig seine Kräfte. Mir tun auch die Kinder in dieser Zeit leid.

 

Worunter leiden die Kinder?

Sie sind emotionale Wesen. Was tun wir diesen Kindern an, die wir nur noch als potenzielle Virusüberträger begreifen, als Gefahr für den alten Menschen? Was erlauben wir uns, sie aus dem Miteinander mit Freunden, dem Spielen herauszunehmen? Diese Kinder sind durch das Virus, was wir bisher wissen, nicht gefährdet. Sie können potenzielle Überträger sein. Wenn es Symptome zeigt, müssten die Eltern mit ihrem Kind für zwei Wochen zu Hause bleiben, aber ich muss nicht eine gesamte Gesellschaft lahm legen. Wir müssen davon ausgehen, dass Menschen ohne Symptome das Virus nicht übertragen, ansonsten sind wir in einer Furcht-Gesellschaft, in der jeder potenziell Überträger ist und damit jeder zu einer potenziellen Gefährdung wird. Wir haben keinen Anlass, davon auszugehen. Wir können uns der Furcht überlassen, was zu einem Auseinanderdriften führt. Wenn wir den Kindern nicht erlauben, ihre Persönlichkeit zu entwickeln und ihnen sagen, das Leben ist eine Gefahr geworden, laufen wir Gefahr, unser Leben drastisch zu verändern. Wir entwickelten uns zu einer Gesellschaft, die das Miteinander hinter dem Gegeneinander anstellt. Das halte ich für eine katastrophale Entwicklung. 

Wird die Gesellschaft nach Corona schnell wieder zur Normalität zurückkehren?

Ich kann nur hoffen, dass wir zu unseren Freiheiten zurückkehren.

Dennoch steht die Bevölkerung mit großer Mehrheit hinter den Vorgaben der Politik.

Ich bedauere, dass die Politik nicht einen freiheitlichen Weg eingeschlagenen hat. Ich fordere, den mit diesen starken Beschränkungen gewählten Weg ständig zu überprüfen und die Grundrechte so rasch wie möglich wieder herzustellen. Ich frage mich, ob die Beschränkungen nicht schwerwiegendere gesundheitliche und gesamtgesellschaftliche Folgen nach sich ziehen, als die Pandemie selbst. Wir sind eine freiheitliche, demokratische Gesellschaft, die auf dem Grundgesetz basiert. Ich wende mich ausdrücklich gegen Verschwörungstheorien und rechte Populisten. Ihnen ist nicht an der Wahrung unserer Demokratie gelegen.

Welche Folgen befürchten Sie?

Wenn die Gesundheit der Menschen wirklich eine Rolle spielt, wie die Politik in Viruszeiten betont, dann muss sich beim Klimawandel, der die Gesundheit von Millionen Menschen und damit ungleich mehr Leben als das Virus bedroht, etwas tun. Wir müssen jetzt einen Weg einschlagen, der ökologisch und sozial ausgerichtet ist, sonst werden wir noch schlimmere Erfahrungen als jetzt sammeln. Unsere Lebensgrundlagen müssen umgebaut werden, damit wir unsere nachfolgenden Generationen nicht belasten. Für die Fränkische Schweiz wichtig ist beispielsweise eine Stärkung der regionalen Versorgung durch eine ökologische Landwirtschaft oder eine wesentliche Verbesserung des ÖPNV. 

Mit einem Medikament gegen das Virus oder einem Impfstoff ließen sich die Beschränkungen vielleicht zurückfahren.

Ich setze als Arzt überhaupt nicht darauf, dass ein möglichst nebenwirkungsarmes Medikament gegen genau dieses Virus gefunden wird. Beim Impfstoff bin ich kritisch. Wenn sich jeder Mensch impfen lassen müsste, hielte ich das für eine verfassungswidrigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Einzelnen. Jeder Mensch, der einen Schutz durch eine Impfung haben will, soll diesen bekommen, um seine Furcht zu vermindern. Dieses Virus hat seine Macht gewonnen, weil wir Angst vor dem Tod haben, doch der begleitet uns ständig im Leben.

Wie kann man dieser Angst begegnen?

Jeder von uns sollte eine Frage auf den Tod finden, ihr nicht ausweichen und seine ganz persönliche Antwort finden. 

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