Auch Forchheims Vorturner trauert um die Jahn-Halle

31.7.2020, 16:23 Uhr
Auch Forchheims Vorturner trauert um die Jahn-Halle

Heute ist Julius Burkel 87 Jahre alt und erinnert sich an sportliche Höhenflüge, die allerdings durch den frühen Tod seines Vaters beendet wurden.

Im Sommer 1942 schwebt der erst neunjährige Junge in Lebensgefahr. Diphterie-Bakterien hatten sich schon auf den Kehlkopf ausgebreitet. Zur Stärkung empfiehlt der Arzt körperliche Ertüchtigung. Die Mutter bringt den Jungen in die Jahn-Halle. Rund zwei Jahre bleibt er dort. "Ich wurde immer kräftiger". Dann kommt ihm doch noch der Zweite Weltkrieg in die Quere. Die Jahn-Halle wird 1945 einige Monate lang in ein Wehrmachts-Lazarett umgewandelt. Später sind dort Flüchtlinge und Vertriebene untergebracht.

Zwei Jahre Zwangspause

Erst 1947 kann Julius Burkel wieder das Trikot anziehen. Da lagern die Turngeräte noch immer in Kellerräumen unter der Bühne. Gleich neben den Umkleiden und dem Waschraum. Im Boden der Jahn-Halle sind Buchsen, in denen Reck oder Barren verankert werden. Die Seile hängen an der Seite von der Decke. "Wo Platz war, lagen die Matten", weiß er noch.

Es dauert nicht lange und Julius Burkel ist einer der besten Turner der Region. Von einer Riege zur nächsten schwingt er sich nach oben. Bis der TSV 1846 Nürnberg auf ihn aufmerksam wird. Daran hat auch Hans Schellenberger seinen Anteil. Der erfahrene Sportler aus Nürnberg trainiert den Nachwuchs. "Er kam aber vor allem, um seine Freundin Leni zu besuchen", sagt Burkel. Wenn das Wetter es zulässt, geht es für die Turner hinaus. Auf dem Rasen, den sonst die Faustballer nutzen und in die Sandgrube, in der ein Reck aufgebaut werden kann.

Das Kommando bei den Aufwärmübungen hat Oberturnwart Schmitt aus Forchheim. Als Vorturner zeigen Hans Schellenberger und Peter Kupfer, wie es geht, und gaben auch Hilfestellung. Ältere Sportler gibt es kaum. Die meisten waren an der Front getötet, verwundet oder gefangengenommen worden. Wer zurückgekommen war, steckte all seine Kraft in den wirtschaftlichen Neubeginn.

Ein offenes Haus

Man müsse sich die Jahn-Halle als offenes Haus vorstellen, so Burkel. Wer sich körperlich ertüchtigen habe wollen, der sei willkommen gewesen: "Die Retter der Bergwacht kamen regelmäßig, um beweglicher zu werden." Auch andere Forchheimer nutzen die Räume. Burkel: "Nur an die Geräte durften sie erst, als sie Jahnler waren". Wenn man für Mitglieder und Begeisterte ein Schau-Turnen abgehalten habe, dann sei die Jahn-Halle gerammelt voll gewesen. Auch die Sportfeste hätten regelmäßig hunderte Zuschauer angelockt: "Was hat es denn früher für Vergnügungen gegeben"?

Auch Forchheims Vorturner trauert um die Jahn-Halle

© Foto: Udo Güldner

Auch die Landestrainer laden das hoffnungsvolle Talent mehrfach in die Sportschule Grünwald. Dort darf er an seinem Lieblingsgerät, dem Reck, mit allerlei Sicherungen die gefährlichen Manöver wie Salti und Schrauben üben. "Die Querstange lag ja auf mehr als zwei Metern Höhe", berichtet Burkel.

Mit seinen Kameraden fährt er mit dem Zug in ganz Deutschland umher: Stuttgart, Duisburg, Augsburg, ja sogar Plauen in der DDR. In Hamburg ist er Zeuge, wie bei einem Turnfest eine marschierende Musikkapelle für Stimmung sorgt: "Da dachte ich, das könnten wir in Forchheim doch auch machen". Wenig später gehört Julius Burkel zu den Gründungsmitgliedern des Spielmannszuges Jahn Forchheim, der 2022 seinen 70. Geburtstag feiern will.

Schafkopf und Tanzen

Neben dem Sport kommt auch die Kameradschaft nicht zu kurz. So treffen sich Gottlob Schmidt, Werner Schmitt, Peter Kupfer, Peter Gottwald, Gregor Gebald und natürlich Julius Burkel nach der Turnstunde, übrigens immer dienstags und freitags, hernach im Jahn-Stübla.

Da bewirtet Margarete Grüner ihre Gäste, während diese sich beim Schafkopf erholen. Manchmal dürfen die jungen Leute aber auch Tanzschritte im großen Saal üben. "Da gab es den Gymnasiallehrer Josef Lösel, der dazu auf dem Klavier spielte, das auf der Bühne herumstand", so Burkel.

Zwischen Ringen und Barren hat Julius Burkel auch seine spätere Ehefrau gefunden. Ingeborg Kern heißt die vier Jahre jüngere Turnerin damals noch und jongliert mit Keulen und Bändern. Bei ihr sind es familiäre Bande, die sie zum Jahn gebracht haben. Ihr Vater Georg Kern war vor dem Krieg im Tor der Fußballer gestanden, ihr Onkel Hans Kern hatte ebenfalls geturnt.

Pinsel statt Barren

Als Julius Burkels Vater Hans mit gerade einmal 58 Jahren nach schwerer Krankheit stirbt, muss der Junior als jüngster Malermeister Bayerns die Firma übernehmen. Für das Turnen blieb keine Zeit mehr. "Das war schade", so der 87-Jährige.

Auch die Karriere des Turnsports beim Jahn neigt sich dem Ende; Ende der 1950er Jahre bleiben die Matten leer. Burkel mutmaßt: "Es liegt vielleicht daran, dass man doch sehr vielseitig sein musste." Dass die Jahn-Halle abgerissen werden wird, schmerzt die Burkels sehr: "Sie war doch unsere zweite Heimat."

 

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