Bäckerei Müller: Das erste Schaufenster war eine Sensation

3.1.2021, 17:14 Uhr
Bäckerei Müller: Das erste Schaufenster war eine Sensation

© Repro: Udo Güldner

Johann Georg und seine Ehefrau Margarete sind aufgeregt, als sie sich auf den Weg machen. In einem festlich geschmückten Landauer geht die Reise nach Forchheim. Dort erwartet das junge Paar ein neues Leben. Für 40.000 Mark hat Johann Georg Müller anno 1893 ein Anwesen samt Einrichtung erstanden, in dem bereits seit 1712 Brot gebacken wird. Wobei das Inventar mit einem Holzofen, einer Knetmaschine, einer Backtafel und einem Backtrog sowie einer Presse zum Teilen des Teigs eher übersichtlich ist.

Das Geld dafür hat ihm sein wohlhabender Vater Josef (1846-1926) geliehen. Der ist mit über 100 Tagwerk Äckern und Feldern einer der größten Bauern in Sterpersdorf bei Höchstadt und auch Bürgermeister des kleinen Ortes mitten im Aischgrund. Margarete Müller entstammt der in Forchheim angesehenen Bauernfamilie Scharold. Mit der gemeinsamen Ankunft der Eheleute beginnt in der Nürnberger Straße 6 eine lange Geschichte. An einem Marktsonntag des Jahres 1894 öffnet die Bäckerei Müller erstmals. Zu Beginn gibt es nur Brot, im Laufe der Jahre dann auch Brötchen. Es gilt, sich als Nicht-Forchheimer gegen drei Dutzend andere Bäckereien am Ort durchzusetzen. Das geht nur mit Qualität.

Wanderjahre in Bamberg

Sein Handwerk hat Johann Georg zuerst bei seinem Patenonkel Georg (1849-1926) aus Steppach gelernt. Der beheizt in der Bamberger Straße 27 seit 1871 seine Backstube. Später werden hier die Seuberts und zuletzt die Bonhags den Teig in den Ofen schießen. Nach den Lehrjahren folgen für Johann Georg die Wanderjahre in Bamberg.

Mit der eigenen Bäckerei läuft es außerordentlich gut. Das mag am Fleiß und Ehrgeiz des jungen Handwerkers gelegen haben. Aber wohl auch an der sich ständig vergrößernden Stadt, die durch immer neue Industrieansiedlungen neue Kundschaft in das Ladengeschäft spült. Täglich tragen drei Frauen die Brotlaibe zur Kundschaft in die Randbezirke. So wird es irgendwann zu mühselig, auch noch die kleine Landwirtschaft mit vier Kühen selbst zu bewirtschaften. Johann Georg verpachtet sie. Zumal er bei den damals rund 8000 Einwohnern Forchheims so sehr geachtet ist, dass er 1908 ins Gemeinde-Kollegium gelangt. Dieses Gremium aus honorigen Bürgern wählt bis 1919 auch Bürgermeister und Magistrat, die die Stadt verwalten. Es ist also eine Art Vorläufer des späteren Stadtrates.

Bäckerei Müller: Das erste Schaufenster war eine Sensation

© privat

Ein erster Rückschlag kommt mit dem Ersten Weltkrieg. Plötzlich kann man nicht mehr so einfach in die Bäckerei gehen und Brot kaufen. Die Kundschaft braucht Bezugsscheine. Außerdem werden die Rohstoffe knapp. Johann Georg muss den Brotteig in Ermangelung von Mehl mit gekochten Kartoffeln strecken. Für einen ehrlichen Handwerker ist das schmerzhaft.

Mit der Hyperinflation von 1923 wird dann jegliches Bargeld wertlos. Wer etwas gespart hat, der ist plötzlich bettelarm. Glück hat nur, wer etwas handfestes wie Immobilien besitzt. Es dauert bis 1924, bis Johann Georg wieder soweit auf die Beine gekommen ist, dass er den Laden umbauen kann. Musste man bislang durch den Wohnungsflur ins Geschäft, so gibt es nun einen direkten Eingang von der Straße aus. Endlich kann man die Waren in einem Schaufenster begutachten. Damals eine kleine Sensation in der Stadt. Auch eine Verkaufstheke gibt es nun, in der Milchwecken, Mohnzöpfchen und Salzstangen auf die Kundschaft warten.

Die Modernisierung macht auch vor dem Innersten der Bäckerei nicht halt. War das Brot bisher in einem Holzbackofen in der Küche zur Welt gekommen, so geschieht dies nun in einer neuen Backstube in einem Dampf-Backofen. Endlich sind dadurch auch größere Produktionsmengen möglich.

Schwere Verluste

Bäckerei Müller: Das erste Schaufenster war eine Sensation

© Repro: Udo Güldner

Die Bäckerei gleicht in jener Zeit einer großen Familie. Auch die beiden Gehilfen gehören dazu. Während die Männer die körperlich anstrengenden Tätigkeiten verrichten, machen sich die Frauen im Verkauf und im Haushalt unentbehrlich. Um drei Uhr morgens geht es los. Da werden die Lehrlinge und Gesellen geweckt. Sie schlafen im Hause in den Bäckerstuben. Dann müssen Zwei-Zentner-Säcke geschleppt, muss der Teig von Hand hergestellt werden. Für Johann Georg endet die schwere Arbeit auch im Rentenalter nicht. Denn sein Sohn Franz (1905-1956), von dem im zweiten Teil berichtet wird, muss im Zweiten Weltkrieg bei der Wehrmacht dienen.

Dann stirbt auch noch Johann Georgs Frau Margarete (1872-1940). Es wird nicht der letzte schwere Verlust gewesen sein. Er überlebt seinen 1956 unerwartet früh verstorbenen Sohn um wenige Tage. Nun muss der Enkel Andreas ran, von dem der dritte Teil handeln wird.

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