Box-Coup! Ein "Forchheimer" ist Europameister

13.6.2020, 10:58 Uhr
Box-Coup! Ein

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Axel Schulz ist - obwohl er im Gegensatz etwa zu Henry Maske – nie einen wirklich großen Titel gewonnen hat, vielleicht der populärste noch lebende deutsche Boxer. Möglicherweise, weil er immer viele Treffer kassierte, aber sich jedem Kampf stellte. Am Freitagabend steckte er erneut Prügel ein – wenn auch nur verbal. Vom Trainer des neuen Europameisters.

Denn da war Schulz als Experte bei der Übertragung des ersten großen Profiboxevents inmitten der Corona-Krise bei bild.de geladen. Und da hatte er Marten Arsumanjan keinerlei Chance gegen den amtierenden Europameister der EBU, den Berliner Lokalmatador Björn Schicke, eingeräumt: "Das wird ein klares Ding, an den kann er nicht rankommen."

Vielleicht war diese Prognose, von Schulz mit bekannter Berliner Schnauze vorgetragen, der letzte Kick für Arsumanjan. Denn hinterher durfte Tuncay Kasim, der Trainer des Zirndorfers, der Mitglied des AC Bavaria Forchheim ist, zufrieden konstatieren: "Da hat der Axel Schulz aber meilenweit daneben gelegen."

Hingegen war seine Taktik voll aufgegangen. Kasim: "Wir haben uns gedacht, dass sie Marten unterschätzen. Wir haben Schicke sich die ersten Runden austoben lassen, es war ja klar, dass der Lokalmatador kommen muss." Aber Arsumanjan hielt dagegen, bewegte sich gut und musste nur wenig einstecken, landete auch in dieser Phase schon einige klare Treffer.

Aber das hätte wahrschienlich nicht gereicht, um dem Titelverteidiger den schmucken Gürtel zu entreißen. Doch dem Trainer war aufgefallen, dass der Berliner sich nach drei Runden bereits "ausgeschlagen" hatte. Dennoch wollten die beiden Franken weiter ihre auf Geduld angelegte Strategie fortsetzen. Aber dann bekam Arsumanjan in der vierten Runde einen Cut verpasst. Nach Untersuchung durch den Ringarzt war klar, dass es weitergehen konnte, aber nun änderte der Trainerfuchs aus Ebermannstadt die Taktik doch. "Wir mussten befürchten, dass die Wunde doch zum Abbruch führen könnte, nun sollte Marten nun doch schon früher richtig Gas geben", so Kasim.

Es folgten die Runden fünf und sechs, in denen der aus Armenien stammende Arsumanjan die Fäuste fliegen ließ. Eine gute Führhand, Wirkungstreffer an Körper und Kopf – der sieben Zentimeter kleinere und extrem bewegliche Herausforderer hatte das Kommando im Ring endgültig übernommen.

Was nicht mehr folgte, war Runde sieben. Während Arsumanjan und sein Team in der roten Ringecke das weitere Vorgehen beratschlagten, flog nach einigen Sekunden aus der blauen Ringecke das Handtuch. Schicke gab, gezeichnet von intensiven Schlagabtäuschen, den Kampf auf. Sieg durch Technischen K.o. für den Außenseiter.

Wäre da im Normalfall in den Havel-Filmstudios die Hölle losgewesen, klatschten diesmal nur ein paar der handverlesenen Zuschauer, den Schicke-Anhängern hatte es die Laune verhagelt, der Mann aus dem namhaften Agon-Boxstall, der eigentlich für eine große Karriere aufgebaut werden sollte, hatte seinen Titel und vor allem seinen ersten Profikampf überhaupt nach 16 Siegen und einem Unentschieden verloren.

Sieger Marten Arsumanjan wirkte beim Interview im Ring direkt nach dem Fight selbst etwas fassungslos. Wie es sich anfühle, Europameister zu sein? "Da brauche ich sicherlich noch ein paar Stunden, um das überhaupt zu verstehen", gestand der frischgebackene Champion. Befragt, wo der "Energieschub" ab Runde vier hergekommen sei, fand er schon klare Worte: "Aus meiner Ringecke!" Mehr war dem 26-Jährigen zu diesem Zeitpunkt nicht zu entlocken.

Viel cooler war der Coach, vom Moderator als Trainer "Eisenhart" Kasim bezeichnet, weil er seinen Schützling in der Vorbereitung mit dem Fahrrad durch die Berge der Fränkischen Schweiz gejagt hatte: "Wenn die gedacht hatten, das wir wegen Corona schlecht vorbereitet antreten würden, haben sie sich gewaltig getäuscht."

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Topfit sei Marten Arsumanjan in den Kampf gegangen, habe alles richtig gemacht und sich nicht nur mit einem sehr ordentlichen Preisgeld belohnt, sondern vor allem mit einem Titel, der ihm tatsächlich den nächsten Schritt in Richtung großes Geld ermöglicht. Vielleicht kann er ja sogar in die Fußstapfen seines berühmten Cousins Arthur Abraham treten, der ja Weltmeister in zwei Verbänden war und in Berlin mit am Ring saß.

Tuncay Kasim zeigte sich megastolz: "Man kann gar nicht ermssen, was für ein Riesending das für meine junge Truppe, für den Verein, für Forchheim und die ganze Region bedeutet."

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