Corona: Lebenshilfe-Werkstätten im Kreis Forchheim kämpfen um Existenz

5.4.2020, 17:35 Uhr
Corona: Lebenshilfe-Werkstätten im Kreis Forchheim kämpfen um Existenz

© Foto: Udo Güldner

In vielen Bereichen droht die Corona-Krise Existenzen zu vernichten. Nun scheint es auch die Schwächsten der Schwachen zu treffen: Menschen mit Beeinträchtigungen. Die Lebenshilfe Forchheim gerät in eine finanzielle Schieflage, wenn die Kostenträger ihre Entgeltzusagen nicht analog zum Krisengeschehen verlängern sollten. Die Krankenkassen lassen die Lebenshilfe freilich gänzlich hängen. Lebenshilfe-Geschäftsführer Wolfgang Badura kämpft seit Wochen an vielen Fronten für die Mitarbeiter, die Menschen mit Beeinträchtigung und deren Angehörige.

Die Werkstätten, in denen sonst 300 Menschen mit Beeinträchtigung Aufträge etwa für den Kugellager-Konzern Schaeffler, die Siemens Healthineers oder die Farbenfabrik Kreul bearbeiten, sind beinahe verwaist. Nur noch einzelne Mitarbeiter halten den Notbetrieb aufrecht. Zusätzlich unterstützen sie durch ihre Mitarbeit die Betreuung der Menschen mit Beeinträchtigungen im Sonnenhaus Unterleinleiter. Das Betreuungspersonal sorgt dafür, "dass das Vertrauen unserer Auftraggeber in uns als verlässliche Partner erhalten bleibt".

Geschwächtes Immunsystem

Nachsehen kann man als Reporter allerdings nicht, denn die Hallen dürfen, wie alle Lebenshilfe-Gebäude, nicht betreten werden. "Das wird wie bei Pflegeheimen gehandhabt." Das liege am geschwächten Immunsystem, wodurch die Menschen mit Beeinträchtigung zur Risikogruppe gezählt würden. "Wir müssen auf deren Gesundheit ganz besonders achten," so Badura, der mit zwei Verwaltungskräften die Stellung am Kennedy-Ring hält. Sehr viele Mitarbeiter unterstützen die Lebenshilfe weiterhin vom Homeoffice aus.

Diejenigen, die den Auftragseinbruch als erstes zu spüren bekommen könnten, dürften die Mitarbeiter mit Beeinträchtigungen sein. Denn ihr nicht gerade üppiges Gehalt stammt aus den Erlösen, die in den Werkstätten erwirtschaftet werden. "Kurzarbeitergeld gibt es für diese arbeitnehmerähnlichen Beschäftigungen nicht. Für die nächsten drei Monate ist der Lohn für die Beschäftigten jedoch gesichert." Nun sitzen sie im Wohnheim oder zu Hause und müssen warten.

Verluste ohne Ende

Denn auch in der Großküche, die in Weilersbach sonst täglich 500 Essen zubereitet, kann man die zuverlässigen Mitarbeiter mit Beeinträchtigungen nicht einsetzen. "Wir beliefern nur noch das ASB-Wohnheim in Forchheim. Das sind höchstens 50 Mahlzeiten."

Die übrigen Abnehmer im Kindergarten-und Schulbereich sind komplett ausgefallen. Ähnlich sieht es in der Schreinerei aus, deren Saison gerade begonnen hätte. Aber niemand ordert derzeit die formschönen Gartenbänke. "Das sind Verluste ohne Ende, die uns Löcher in die Kassen reißen."

80 Atemschutzmasken

Ähnlich sieht es bei den Menschen mit Beeinträchtigungen aus, die außerhalb der Werkstätten im Einsatz sind. Man muss wohl richtigerweise sagen: waren. Denn sowohl die Außengruppe in der Süßwaren-Fabrik Piasten, als auch die drei Leute aus dem Integra-Projekt, die auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß fassen sollten, mussten nach Hause. Dabei sind sie im Einzelhandel bei Globus oder Edeka beschäftigt, wo man helfende Hände gut gebrauchen könnte. Aber auch hier sei die Sicherheit vorrangig.

Apropos Sicherheit: Bei seiner Suche nach 80 Atemschutzmasken wurde Badura bei einer örtlichen Apotheke fündig. "Meine Mitarbeiter brauchen das, gerade im ambulanten Dienst und in den Notgruppen, um weiterhin helfen zu können."

Wie in anderen Schulen auch sind die Hainbrunnenschule und die Heilpädagogische Tagesstätte mit rund 100 Kindern und Jugendlichen geschlossen. Außerdem können zurzeit weder die Krippe, noch die inklusive Kindergarten-Gruppe besucht werden, bis auf ganz wenige Notbetreuungsplätze.

"Fürsorgepflicht des Staates"

"Sollten die Einrichtungen auch nach dem 20. April noch nicht genutzt werden dürfen, muss der Staat seine Fürsorgepflicht auch gegenüber den sozialen Einrichtungen weiterhin wahrnehmen. Es muss eine Kostenerstattung erfolgen, sonst drohen Maßnahmen wie weitere Kurzarbeit oder Entlassungen", so der Lebenshilfe-Vorsitzende und Landrat Hermann Ulm.

Bislang ist das Personal im Homeoffice, baut Überstunden ab oder nimmt Urlaub. Rund zwei Dutzend Ergo-, Logo- und Physio-Therapeuten werden wohl jetzt in Kurzarbeit gehen müssen, da die Krankenkassen keine Zahlungen leisten und damit pro Woche 18 000 Euro Einnahmen fehlen.

Normalerweise kümmern sich die medizinischen Fachleute um die frühkindliche Förderung bei entwicklungsverzögerten oder lernschwachen Kindern. "Unser Personal behandelt auch in den Kindergärten vor Ort. Das geht nun natürlich auch nicht mehr. Auf der Strecke bleiben der therapeutische Erfolg, aber eben auch die Einnahmen für die Lebenshilfe. Wir sind kein normales Unternehmen, das Gewinn macht und Rücklagen bilden kann. Das dürfen wir gar nicht, weil wir eine gemeinnützige Einrichtung sind. Wir bekommen nur die entstandenen Kosten erstattet. Deshalb können wir diesen Zustand finanziell nicht sehr lange verkraften", sagt Badura.

In ständigem Kontakt mit den Eltern

Das pädagogische Personal unterstützt durch das Zurverfügungstellen von Lernmaterial weiterhin die Schüler und deren Eltern. Sie sind in ständigem Kontakt mit den Eltern, die angesichts der körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen ihres Nachwuchses alle Hände voll zu tun haben, die Betreuung und Förderung zu Hause sicher zu stellen. "Die Eltern sind froh, dass wir sie in dieser schwierigen Lage nicht alleine lassen. Das ist psychologisch enorm wichtig."

Es ist diese telefonische Beratung, die Badura hoffen lässt, dass die Lebenshilfe auch weiterhin vom Bezirk Oberfranken Zuwendungen bekommen wird. Wobei er sich darüber ärgert, dass zwar auf Bundes- und Landesebene viel versprochen werde, dass der Geldfluss aber nur zögerlich anlaufe. "Die Verwaltungsbeamten auf Bezirksebene reagieren nur sehr zögerlich und zum Teil bürokratisch. Eine pragmatische und der Situation entsprechenden Hilfe, wie von den Politikern versprochen, sieht anders aus. Ständig hängen wir in der Luft. Diese Unsicherheit ist ein Skandal."

Der Lebenshilfe-Laden Forchheim ist aktuell wegen der Coronakrise geschlossen. Der Laden nimmt Anrufe von 10 bis 12 Uhr unter der Telefonnummer 09191/729526 entgegen. Abholung am Laden und eine Lieferung im Raum Forchheim sind möglich. Mehr dazu auf der Facebook-Seite des Ladens.

 

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