Depression darf kein Tabu bleiben

12.10.2009, 00:00 Uhr
Depression darf kein Tabu bleiben

© Ralf Rödel

Keine Schwäche zeigen

Dass psychische Erkrankungen dennoch ein Tabuthema sind, habe laut Bernd Michalsky, der für die «Betreuten Wohnformen« des «Sozialdienstes katholischer Frauen« zuständig ist, mehrere Gründe. «Die Medien spielen da eine große Rolle, « meint der Sozialpädagoge. In Filmen beispielsweise würden psychisch Kranke oft als unberechenbare und gefährliche Irre dargestellt. Außerdem sei es in unserer heutigen Leistungsgesellschaft für viele schwer eine Schwäche zuzugestehen. «Für die meisten Betroffenen ist es ein riesiger Schritt, sich die Krankheit überhaupt einzugestehen. Oft rufen auch die Angehörigen bei den Beratungsstellen an, weil sich die Betroffenen zu sehr schämen.«

Fünf Prozent der Deutschen leiden laut der Infotafel an einer Depression. Die Gründe für diese und andere Krankheiten liegen oft im Dunkeln. «Natürlich gibt es eine gewisse genetische Disposition, « sagt Klaus Rudy vom Angehörigenverein, « aber es kommen auch viele Außenfaktoren wie Stress oder negative Erlebnisse hinzu.« Eine Depression verlaufe bei jedem Betroffenen anders und die Grenzen zwischen krank und gesund seien fließend. Manchmal sei sie nur über einige Wochen vorhanden, bei anderen ein lebenslanges Leiden und die Psychopharmaka würden sehr unterschiedliche Wirkungen erzielen. Die Ursachen könne man jedoch sehr schlecht erforschen, überhaupt seien psychische Krankheiten nicht greifbar. Noch ein Grund für die Zurückhaltung und Ablehnung des Themas in der Gesellschaft. «Bei einem Beinbruch sieht man sofort, dass der Kranke beeinträchtigt ist. Aber bei einer depressiven Mutter, die morgens nicht aufsteht und ihre nicht Kinder versorgt, fragt man sich: kann sie wirklich nicht oder will sie nicht?«

Einzelkämpfer verlieren

Rudy, der im Vorstand des Angehörigenvereins mit arbeitet, hat selbst einen Sohn, der seit der Pubertät unter einer Psychose leidet und mittlerweile in der Werkstatt «Schritt für Schritt« der Lebenshilfe arbeitet. « Zunächst empfand ich die Psychose meines Sohnes als Katastrophe. Und natürlich ist es eine Belastung, aber man arrangiert sich, kann trotzdem normal leben.« Vor allem wurde Klaus Rudy schnell klar, dass Angehörige wie er als Einzelkämpfer verlieren. Der Verein «Angehörige Psychisch Kranker« hilft durch den Erfahrungsaustausch mit anderen Betroffenen oder finanzielle Hilfe.

Das Ziel aller Beratungsstellen wie der «Insel«, der Betreuungsstelle des Landratsamtes oder der AWO sei letztendlich die Selbstständigkeit der psychisch Kranken. Das Haus Odilia oder die «Betreuten Wohnformen« des Sozialdienstes katholischer Frauen unterstützen Betroffene, indem sie sie in Einzelwohnungen oder Wohngemeinschaften betreuen, aber auch eine Chance zum selbstständigen Leben geben. In der Werkstatt «Schritt für Schritt« der Lebenshilfe lernen derzeit 36 Beschäftigte wieder mit ihrem Alltag umzugehen. « In unserer Werkstatt arbeiten überwiegend Suchtpatienten und Depressive, « erzählt Abteilungsleiterin Manuela Liebscher. « Für die meisten ist der Schritt morgens aufzustehen und in die Werkstatt zu kommen schon das Schwierigste. Aber hier lernen sie ihr Leben wieder zu strukturieren, verborgene Fertigkeiten wieder zu entdecken und sich in manchen Fällen sogar wieder in die allgemeine Arbeitswelt einzugliedern.«

Ein Stück mehr Verständnis und weniger Berührungsangst beim Thema psychische Erkrankungen hat die Informationsveranstaltung sicher erreicht. Nur schade, dass der Flohmarkt am Paradeplatz die Passanten eher in die falsche Richtung lockte. Aber Pädagogin Angelika Fenn zeigte sich zuversichtlich. «Nächstes Jahr ist die Veranstaltung wieder geplant, hoffentlich dann wieder am Paradeplatz. Es ist noch eine Menge Aufklärungsarbeit zu leisten.«OLIVIA KUDEREWSKI

Das Kino Forchheim zeigt am Freitag, 16.10. den Film «Das weiße Rauschen«, in dem die Empfindungen und Gedanken eines 21-jährigen Schizophrenen dargestellt werden.