Der Geschichte der Burker Linde nachgespürt

12.5.2019, 10:00 Uhr
Der Geschichte der Burker Linde nachgespürt

© Repro: Familienarchiv Deinlein-Kainer.

Wollte man der Linde ein wenig zuhören, hätte sie einiges zu erzählen. Was, das hat Wolfgang Deinlein, der Bruder des Linden-Eigentümers Michael Deinlein, in akribischer Arbeit zusammengetragen. Ein Flyer, das sogenannte "Linden-Blatt" soll noch in diesem Monat über die Historie der Linde erzählen und in der Wirtschaft "Taverne Olypia zur Linde" ausliegen.

Stolz posieren sie für den Fotografen, die Frauen in Tracht, während die Männer selbst beim Biertrinken den Hut nicht abnehmen. Unter der mächtigen Linde haben sie Platz genommen. Rund um den Stamm hat man eine Art Pavillon gebaut, der die Äste der Linde wie ein riesiges Rank-Gitter in die waagrechte leitet, damit der Baum auch im Sommer den Besuchern den nötigen Schatten spendete.

Die Linde und auch das dazugehörige Wirtshaus, das hat Wolfgang Deinlein recherchiert, sind seit mindestens 1847 in Familienbesitz. "Der Besitzer, Johann Scheller, war mein Ur-ur-uropa", weiß Deinlein zu berichten, der selbst in Karlsruhe wohnt.

Doch nicht nur in privaten Fotoalben, aus denen auch das veröffentliche Bild stammt, hat Deinlein gestöbert. Seine Spur in die Vergangenheit führte ihn auch ins Bayerische Staatsarchiv nach Bamberg. Dort ergab eine Suche im "Häuser- und Rustikal-Steuer-Kataster von Burck" aus dem Jahr 1809 unter der Hausnummer 32 und dem damaligen Besitzer Konrad Müller folgende Eintragung: "Ein Güthlein wozu gehört Haus, Scheune, Nebengebäude und Hofraith".

Dieses war "lehen-, zins- und handlohnbar der Stadtpfarrey Forchheim". Die Eigentümerin war also in früheren Zeiten die Stadtpfarrei St. Martin. Selbst auf einer Landkarte ist die Burker Linde eingeringelt: Im Ortsblatt von Burk, das auf das Jahr 1821 datiert, ist die Linde mit einem roten Kreis markiert.

Wie alt die Linde genau ist, kann man nicht exakt beziffern. Einer Schätzung im Jahr 2017 zufolge, stammt der Baum, bei dem es sich um eine Winter-Linde mit dem botanischen Namen, "Tilla Cordata" (herzblättrige Linde), aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges. "Möglicherweise handelt es sich um eine Friedenslinde aus dem 1648 oder nach der Türkenbelagerung vor Wien 1683".

"Dem Menschen am nächsten"

"Die Linde war einst der Baum, der dem Menschen am nächsten war", erzählt Wolfgang Deinlein im Gespräch mit den Nordbayerischen Nachrichten. In den "geleiteten Linden", so nannte man das, wenn man die Astkränze des Baumes nach außen zog, um quasi einzelne "Stockwerke" in die Baumkrone einzuziehen, wurde einst getafelt, gepredigt und geheiratet.

Und nicht selten wagte man auch ein Tänzchen in der Krone: Denn gerade im oberfränkischen Raum, das weiß Forchheims Stadtarchivar Rainer Kestler zu berichten, wurden die Bäume zu Tanz-Linden. Prominenteste Beispiele im Landkreis sind die Linde in Effeltrich und auch die Linde in Kersbach. In Limmersdorf, etwa 15 Kilometer von Hollfeld entfernt, lädt man Jahr für Jahr zur Lindenkirchweih.

Einziges Tanzlindenmuseum Deutschlands

Dort gibt es übrigens auch das einzige Tanzlindenmuseum Deutschlands. Auch in Effeltrich diente die Linde lange Zeit als gesellschaftlicher Treffpunkt. In den 1850er Jahren "kamen die Honoratioren der Umgegend während des Sommers wöchentlich einmal zusammen um unter dem Schatten der Linde die sogenannten Mondscheinnächte bei Musik, Gesang und gemüthlicher Unterhaltung zu feiern", schreibt Friedrich Stützer im Jahr 1900.

Der Geschichte der Burker Linde nachgespürt

© Foto: TZ Fränkische Schweiz/Florian Trykowski

Doch zurück nach Burk: Dass dort die Linde eine Wirtshauslinde der "Georg Schellerschen Gastwirtschaft" war, steht für Wolfgang Deinlein außer Frage. Bis 1968 wurde für Sommerfeste und Tanz in den Mai ein Tanzpodest am Fuß des Baumes gezimmert. Überliefert ist auch, dass im Jahr 1938, bei der Hochzeit des Gastwirts Josef Kainer mit Margareta Lindenberger die Musikkapelle in der Linde Aufstellung nahm.

"Die Linde ist ein kultureller Schatz", sagt Deinlein, der immer noch bestürzt ist, über den Radikalschnitt der Linde. Weil der mächtige Baum innen hohl war und sich in seinem Umfeld der Pilz "Hallimasch" angesiedelt hatte, wurde der Riese im Dezember 2017 gekappt. Der Mammut-Baum sei eine Gefahr für die Verkehrssicherheit, hatte damals ein Baumgutachter attestiert.

Baumpflegedienst rückte an

Schon am Tag nach dem Beschluss in der Stadtratssitzung rückte ein Baumpflegedienst an und machte den Methusalem-Baum nahezu kurz und klein. Der Ablauf der Aktion hatte im Stadtrat heftige Diskussionen ausgelöst, nicht zuletzt Wolfgang Deinlein und sein Bruder Michael wehrten sich gegen die Fällaufforderung, nicht zuletzt deswegen, weil ein anderer Gutachter den Baum als durchaus vital einstufte.

"Die Linde ist ein kultureller Schatz", sagt Deinlein, der froh ist, dass der Baumriese wieder austreibt. Doch bis der Baum wieder so mächtig ist, wie er einst war, "das werden Generationen nicht mehr erleben. Ich kann keinen alten Baum pflanzen". Nach wie vor, so Deinlein, würden viel zu viele Bäume ohne Umschweife gefällt. "Unser Stadtklima lebt von Bäumen und nicht von seelenlosen Steinwüsten in Neubausiedlungen."

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