Die Pferdekuschler

20.8.2010, 10:27 Uhr
Die Pferdekuschler

© Ralf Rödel

 "Jan ist der Beste!" Matthias Mirsberger kuschelt sich an den Hals des Norweger-Wallachs und lächelt. Es ist ein ungleiches Paar: Das 1,46 Meter große sandbraune Pferd und der mit 1,51 Metern eher kleine stämmige Mann mit dem runden Gesicht und den leicht schrägen Augen. Matthias Mirsberger hat das Down-Syndrom. Der 24-Jährige kann sich nur schwer verständigen - die Reitlehrerin muss "übersetzen". Aber seine sprachlichen und motorischen Einschränkungen spielen keine Rolle, wenn er auf dem Pferd sitzt. Seit 13 Jahren reitet der junge Mann auf dem Bürlahof in Egloffsteinerhüll. Jeden Samstag. Unter der Woche arbeitet er in der Werkstatt der Lebenshilfe in Forchheim. Am Samstagvormittag kommt Matthias dann in seiner dunkelblauen Reithose und dem knall-orangenen T-Shirt vom Bürlahof zum Heilpädagogischen Reiten.

Beziehung zum Pferd wichtig

Vor der Reitstunde bürstet er das Fell seines Lieblingspferdes Jan: Hals, Rücken und Bauch. Er fasst an die Fessel des Pferdes, sagt "Gib Huf" und bereitwillig hebt der Norweger selbigen. Matthias kratzt ihn aus. "Brav", lobt der junge Mann und tätschelt den Hals des Pferdes. "Die Beziehung zum Pferd ist das Wichtigste", erklärt Sonja Porisch, Reitpädagogin und Besitzerin des Bürlahofes. Beim Heilpädagogischen Reiten steht nicht die reiterliche Ausbildung, sondern die individuelle Förderung im Vordergrund. Deshalb sind das Pflegen und Führen des Pferdes, die Mithilfe im Stall und Reitunterricht in der Gruppe Bestandteil der Therapie. Matthias Mirsberger hilft beim Satteln seines Lieblingspferdes. Dann führt er "seinen Jan" in die helle Reithalle, setzt seinen Helm auf und steigt mit Hilfe der Reitlehrerin und eines Podestes aufs Pferd. "Den Kopf gerade, Matthias!", ruft Sonja Porisch durch die Reithalle. Für jeden ihrer rund 50 Klienten, die zwischen zwei und 47 Jahren alt sind, entwickelt sie einen Trainingsplan. Mit Matthias arbeitet sie vor allem an der Beweglichkeit, Körperspannung und Atmung sowie an der Sprache. Und es gibt sichtbare Erfolge: "Seit Matthias reitet, ist er richtig beweglich geworden", berichtet sein Vater, Heinz Mirsberger. "Durch das Reiten hat sich seine Körperhaltung verbessert und auch das Reden ist ein bisschen besser geworden."

Die Körperspannung fehlt

Matthias Mirsberger ist gut gelaunt. Beim Reiten grinst er über das ganze Gesicht. Mit ausgebreiteten Armen sitzt er auf seinem Lieblingspferd, das von einer Stallmitarbeiterin im Schritt geführt wird. Langsam lässt er die Arme kreisen. Legt beide Hände auf den Helm. "Mach mal beim C eine Volte." Matthias weiß, was gemeint ist und führt die Anweisung der Reitpädagogin aus. Konzentriert reitet der junge Mann einen weiten Kreis beim Buchstaben C an der Querseite der Reithalle. Eine Volte ist gar nicht so einfach: Schenkel, Gewicht und Zügel müssen koordiniert werden. "Super Matthias!" Sonja Porisch ist stolz, was der 24-Jährige inzwischen alles kann und was er sich zutraut. "Am Anfang hat er das Pferd nur ganz vorsichtig gestreichelt und die Hand schnell zurückgezogen." Nun sitzt Matthias selbstbewusst im Sattel, bewegt sich im Rhythmus des Pferdes, beherrscht das leichte Traben und geht mit dem Pferd über Stangen. Das ist nicht selbstverständlich für Menschen mit Down-Syndrom, die oft an einer Muskelschwäche leiden. Für den Galopp reicht es deshalb auch bei Matthias nicht. "Ihm fehlt die Körperspannung", erklärt die Reitlehrerin.

Familiäre Atmosphäre

Eine Therapieeinheit auf dem Bürlahof kostet 20 Euro. "Eigentlich müsste ich mindestens 40 Euro verlangen", erklärt Sonja Porisch. Das kann sie aber nicht, denn weil die Krankenkassen nur noch selten die Therapiekosten übernehmen, müssen die meisten Eltern die Reittherapie selbst finanzieren. Je nach Schwere der Behinderung dauert eine Therapiesitzung 20 bis 45 Minuten. Doch die meisten Besucher bleiben länger. "Es ist schön mit den Pferden und dass so viele Leute da sind. Außerdem kann ich so lange dableiben wie ich will", sagt Matthias Mirsberger. Auch nach 13 Jahren kommt der junge Mann aus Eggloffsteinerhüll immer noch mit Freude auf den Bürlahof. Neben der Familie Porisch und 15 Pferden leben dort auch der Zwergziegenbock "Leo", 15 Hasen, einige Dutzend Tauben, sieben Fasane sowie Puten, Enten, Gänse und der Schäferhund "Shira". "Die Pferde gehören zur Familie", erklärt die 44-jährige Besitzerin des Hofes mit einem Lachen. Ihr gefällt die Arbeit mit den Tieren und ihren Klienten: "Es ist ein schönes Gefühl, wenn ich merke: Heute haben wir wieder einen Schritt nach vorne gemacht."