Die Pleite mit der BayWa: Forchheims Thema des Jahres

23.12.2019, 06:00 Uhr
Die Pleite mit der BayWa: Forchheims Thema des Jahres

© Foto: Giulia Iannicelli

Der Fall der BayWa-Umsiedlung hat in diesem Jahr Geschichte geschrieben in Forchheim. Er ist in mehr als einer Hinsicht bemerkenswert, finde ich und deswegen ist er für mich das Thema des Jahres. Erstens: Der Oberbürgermeister hatte zunächst den ganzen Stadtrat hinter sich, dann eine große Mehrheit, dann fast niemanden mehr. So oft kommt das nicht vor, auch nicht in der Ära Kirschstein.

Zweitens: Eine große Mehrheit des Stadtrates beugte sich dem Druck der öffentlichen Diskussion und verhinderte so gerade noch einen Bürgerentscheid, der wie ein Damoklesschwert über der BayWa und ihrer Umsiedlung hing. Ein Vorgang, der in Forchheims jüngerer Geschichte ebenfalls Seltenheitswert besitzt. Drittens: Forchheims Zivilgesellschaft, die sich hier quer legte, lebt und kann stolz auf sich sein. Ausruhen auf den Lorbeeren darf sie sich aber nicht.

"Mehr Weitsicht" hatte OB Uwe Kirschstein (SPD) bei seiner Wahl 2016 versprochen. In Sachen BayWa blieb er in meinen Augen allerdings erstaunlich kurzsichtig. Zur Erinnerung: Im Dezember 2018 war einem Antragsteller in Sigritzau der Hausbau jenseits der Baugrenzen mit dem Hinweis verwehrt worden, hier handele es sich um einen ökologisch wertvollen Bereich. Eine "Zersiedelung" des Wiesenttals sei nicht erwünscht. Eine klare Ansage, für Außenstehende jedenfalls.

Glocken klingelten nicht

Kurz danach liefen trotzdem die Planungen an für ein neues Gewerbegebiet in eben diesem ökologisch wertvollen Bereich. Zunächst klingelten nicht einmal bei den Grünen irgendwelche Alarmglocken, sie stimmten sogar dafür. Dann rührte sich der organisierte Naturschutz und meinte: Ist das wirklich euer Ernst, bis zu 28 Meter hohe Silotürme, eine Tankstelle und Heizölhandel direkt vor dem malerischen Sigritzau am Eingang zum Wiesenttal anzusiedeln? Und das nur, weil Siemens Healthineers die bisherige BayWa-Fläche für seine Erweiterung braucht und schon Fristen für den Umzug gesetzt hat?

Zu allem Überfluss wurden durch Recherchen unserer Redaktion (und übrigens: nur dadurch) Zusammenhänge bekannt, die als Vetterleswirtschaft ausgelegt werden können, selbst wenn vielleicht alles mit rechten Dingen zuging: Verkäufer der Fläche war ein BayWa-Angestellter. Sein Sohn ist der zunächst abgewiesene Bauwerber in Sigritzau. Diesem ist just im Sommer der Bauantrag doch noch genehmigt worden. Begründung: Jetzt, wo in Rufweite die BayWa gebaut wird, ist es mit dem ökologisch wertvollen Bereich eh nicht mehr weit her.

Um es mal so neutral wie möglich zu sagen: Gibt es denn wenigstens im Bauamt niemanden mehr, dem solche merkwürdigen Zusammenhänge sauer aufstoßen? Oder ist das die jahrzehntelang geübte Praxis, die immun macht gegen derlei Auffälligkeiten?

Der Druck, der anschließend von zahlreichen Bürgerinnen und Bürgern, nicht nur von Naturschützern, gegenüber den Stadträten aufgebaut wurde, führte noch vor dem Annafest zum Umdenken der meisten Fraktionen. Auch solche, die wie die Freien Wähler und die CSU zuvor im Brustton der Überzeugung für das Gewerbegebiet gesprochen hatten, besannen sich jetzt eines anderen – und zwar ausdrücklich unter Verweis auf die Reaktionen aus der Bürgerschaft. Die Botschaft war offenbar klar: Rührt Sigritzau nicht an!

An dieser Stelle ist es an der Zeit, eine rhetorische Anleihe beim schwarzen Häuptling Udo Schönfelder und seinen Weisheiten zu nehmen: Ist das Pferd tot, steigt der Indianer ab. Eigentlich. Doch die Roten von der SPD ritten weiter auf der Stelle. Fraktionschef Reiner Büttner hatte an seiner Idee von einem "ökologischen Gewerbegebiet BayWa" in Sigritzau so großen Gefallen gefunden, dass er auch dann nicht davon abrücken wollte, als selbst der SPD-OB längst die Waffen gestreckt hatte. Mehr Weitblick? Fehlanzeige.

Und Uwe Kirschstein? Er hatte zwar früher erkannt, wohin die Reise ging. Dennoch blieb er trotzig. Die Fläche bei Kersbach, die heute für die BayWa ausersehen ist, hätte der Stadtrat schon vor Jahresfrist beplanen können, sagt er. Statt dessen habe ihm damals die Mehrheit diese Möglichkeit genommen und die Entwicklung des Gebietes zurückgestellt.

Dazu ist zu sagen: Mehr und klarere Kommunikation ist manchmal wirklich hilfreich. Von der Notwendigkeit, die BayWa dorthin auszusiedeln, war damals keine Rede. Wohl aber davon, das angrenzende Biotop ins Plangebiet mit aufzunehmen. Um es besser schützen zu können, wie der OB sagte. Angekommen ist das im Stadtrat aber nicht. Vor seiner Wahl hatte Kirschstein in Sachen Flächenverbrauch "mehr ökologisches Wachstum" in Aussicht gestellt. Darauf wartet Forchheim heute noch. Eine Frage der Kommunikation, wahrscheinlich.

Wie sieht die Bilanz der Geschichte aus? Siemens, der Goldesel, fordert, Forchheim springt – dieser Zusammenhang wurde von einer Zivilgesellschaft unterbrochen, die sich einen klaren Blick auf eine verträgliche Stadtentwicklung bewahrt hat. Dieser Erfolg ist allerdings nicht beliebig wiederholbar. Es gilt, wachsam zu bleiben. Die nächste Zumutung kommt bestimmt.

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