Die Tücken des Glühwein-Genuss

5.12.2011, 17:05 Uhr
Die Tücken des Glühwein-Genuss

© Irene Lenk

Längst ist der Glühwein nicht mehr allein unter den adventlichen Heißgetränken, er hat Konkurrenz bekommen, zum Beispiel von der „Heißen Oma“ (Milch mit Eierlikör) oder von „Spicy Orange“ (Orangensaft, Ingwer und Chili) und den vielen Punsch-Varianten (Schnaps und Wein gemischt). Insgesamt 13 Sorten hat zum Beispiel Michael Drliczek von der Punsch-Schänke im Angebot am Forchheimer Weihnachtsmarkt. Allein im vergangenen Jahr sind vier neue Sorten dazugekommen. „Auch bei den alkoholfreien Getränken wird inzwischen Vielfalt verlangt.“ Zwei Jahre haben der heiße Caipi, der Bio-Glühwein oder der Pflaumen-Glühwein Zeit, sich zu etablieren. „Der Absatz muss sich jedes Jahr etwas steigern.“ Finden die Gäste keinen Gefallen, dann ist es mit dem Glühen vorbei. Die Sorte Holunder beispielsweise hat Drliczek abbestellt.

Gezapft wie Bier

Vorglühen ist beim Glühwein nur noch selten der Fall. Der Wein lagert in bis zu 100 Liter großen Kanistern im Boden von Drliczek Bude. Statt mit der Kelle geschöpft wird gezapft. Und erst wenn sich der Hebel des Zapfhahns bewegt, dann wandert die kalte Flüssigkeit über einen Durchlauferhitzer wie bei der Kaffeemaschine in den Hahn und läuft dampfend in die Tasse. Zwischen 70 und 90 Grad schwankt die Temperatur, je nachdem wie frostig der Winter daher kommt.

Wie viel Liter Drliczek jeden Tag ausschenkt, will er ungern verraten. Was drin steckt im Glühwein, ist dagegen kein Geheimnis, für viele aber der entscheidende Faktor. Schon die Römer haben ihren Wein gerne als Mixgetränk konsumiert. Honig, Pfeffer, Safran, auch Zimt und Nelken sollten die Fehlnoten im Wein ausgleichen, gibt die Gesellschaft der Geschichte des Deutschen Weines zu bedenken. Im 21. Jahrhundert macht dagegen der Begriff vom „Winzer-Glühwein“ die Runde. Qualitätswein als Grundlage des heißen Vergnügens soll auch wahre Weinfreunde zum Glühen bringen.

In Forchheim bietet Volker Noffke am Stand der „Allee No.4“ so einen Winzer-Glühwein an, den seine Lebensgefährtin Ute Hubrich herstellt. Hubrich nimmt den kräftigen Dornfelder und den leichten Portugieser einer Iphofener Winzerei dafür, gibt Orangensaft dazu, etwas Zucker und eine Glühwein-Gewürzmischung. Ob Anis, Nelken, Zimt und Co. noch Geschmacksknospen im Mund frei lassen, die sich mit der Qualität des Weins beschäftigen können, da scheiden sich die Geister. „Ich schmeck den Wein auf jeden Fall raus“, sagt Volker Noffke.

Nachgewiesen ist auf jeden Fall, dass der Glühwein ein kleiner Betrüger ist — egal ob fertige Industrie-Mischung oder die Winzer-Variante. Er gaukelt dem frierenden Besucher Wärme vor, lässt die Wangen glühen, in Wahrheit aber hat er die Kälte im Gepäck. Peter Morys von der Stadtapotheke in Ebermannstadt kann das erklären: „Durch den Alkohol erweitern sich zunächst die Blutgefäße, die Durchblutung wird gefördert, dadurch kommt aber der Wärmehaushalt durcheinander, der Körper friert.“ Das Tückische daran: Er merkt es nicht mehr, denn nach der zweiten, dritten Tasse ist einem so schön weihnachtlich und so gar nicht nüchtern zumute.

Am nächsten Tag brummt dann der Schädel. Zwischen sieben und 14 Prozent Alkoholgehalt haben die Getränke, die Michael Drliczek ausschenkt. Der Jägertee gehört zu den gehaltvolleren Varianten. Vor allem die Herren wollen öfter noch einen „Schuss extra“, sagt er. Peter Morys Tipp: „Je weniger süß, umso so geringer ist die Kopfwehgefahr.“

Ein Lebkuchen dazu

Im Glühwein steckt aber nicht nur Alkohol, sondern auch jede Menge Kreativität. Holger Amtmann vom Gasthof Sonne am Weingartsteig verarbeitet den Mix zu verschiedenen Desserts. Für Weihnachtsmarktbesucher empfiehlt er einen Lebkuchen als kulinarische Grundlage. „Da passt einfach am besten etwas Süßes dazu.“

In so einer geballten Gewürzansammlung wie im Glühwein könnte ja auch eine Portion Gesundheit stecken. Schließlich hilft Nelkenöl gegen Zahnweh, Zimt bei Verdauungsbeschwerden und Sternanis gegen Bakterien. „Aber die Konzentration der Gewürze im Wein ist viel zu gering“, raubt Peter Morys jegliche Hoffnung.

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