Dreckiger und gefährlicher Arbeitsplatz: Die Wertstoffhöfe im Kreis Forchheim

9.12.2019, 05:58 Uhr
Der Wertstoffhof in Weißenohe ist einer von 30 im Landkreis Forchheim. Auf den meisten fehlt es an Toiletten und Waschmöglichkeiten für die Mitarbeiter. Beim Brandschutz gibt es Nachholbedarf. Die prekären Verhältnisse will der Landkreis nun abschaffen.

© Hubert Bösl Der Wertstoffhof in Weißenohe ist einer von 30 im Landkreis Forchheim. Auf den meisten fehlt es an Toiletten und Waschmöglichkeiten für die Mitarbeiter. Beim Brandschutz gibt es Nachholbedarf. Die prekären Verhältnisse will der Landkreis nun abschaffen.

Was tun Sie, wenn Sie während Ihrer Arbeitszeit auf die Toilette müssen? Richtig, Sie gehen einfach auf Toilette. Doch für die Arbeiter, die sich auf den 30 Wertstoffhöfen um den Müll von uns Landkreisbürgern kümmern, ist das bis dato keine Selbstverständlichkeit. Auf den meisten Höfen fehlt es neben Toiletten an Waschmöglichkeiten und Umkleideräumen für die Mitarbeiter. Die Schutzkleidung, die ihren Körper bei Unfällen schützen soll, hat in manchen Fällen nicht ihr Arbeitgeber gestellt, die Mitarbeiter haben sie sich zum Teil selbst erworben.

Noch kritischer ist die Sicherheitslage beim Thema Brandschutz. Von 16 besuchten Wertstoffhöfen verfügte lediglich der Hof in Heroldsbach über die geforderten Feuerlöscher, einen aktuellen Verbandskasten, ein Notfall-Diensthandy und ferner über Waschmöglichkeiten und eine Toilette. Ihre Notdurft verrichten die Mitarbeiter – ob im Regen, bei Schnee oder Eis – im Gebüsch.

Das alles geht aus dem Bericht "Arbeitssicherheit auf den Wertstoffhöfen im Landkreis Forchheim" hervor und beschreibt doch nur einen Teil der teils prekären Arbeitsbedingungen, die dort vorherrschen.

Arbeitsschutz bislang als "untergeordnetes Thema"

Gut die Hälfte der Höfe fristet im Winter bei Öffnungszeiten bis in den Abend hinein ein dunkles Dasein: es fehlt schlicht an einem Stromanschluss, um Licht ins Dunkle zu bringen. Zwar gibt es kleine Holzhütten oder Aufenthaltscontainer für die Mitarbeiter, um nicht im Regen zu stehen – im Sommer können sie aber nicht von den Mitarbeitern genutzt werden, weil sie sich zu stark aufheizen.

Das Gutachten kommt zu einem deutlichen Urteil: "Das Thema Arbeitsschutz scheint unter dem bisherigen Betreiber eine eher untergeordnete Rolle gespielt zu haben. Dies ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass viele der Wertstoffhöfe im Landkreis seit Mitte der 1990er betrieben werden, ohne dass es zu nennenswerten Unfällen gekommen ist."

Politiker entrüstet sich

Vergeben sind die Wertstoffhöfe – eine Einrichtung des Landkreises – an einen privatwirtschaftlichen Betreiber, der zum Juli 2020 ausscheidet. Er begründet seine Kündigung mit höheren gesetzlichen Anforderungen und dem Problem, Personal zu gewinnen. Aus diesem Grund mussten in der vergangenen Zeit einige Wertstoffhöfe bereits zeitweise geschlossen bleiben, heißt es vom Landratsamt. Landrat Hermann Ulm (CSU), der das Thema in der jüngsten Umweltausschusssitzung des Kreistages auf die Tagesordnung setzte, spricht in der Tischvorlage für die Kreisräte auch davon, dass es "zwingend notwendig ist, einen attraktiven Arbeitsplatz zu bieten".

Der Betreiber ist für die Organisation der Mitarbeiter verantwortlich, der Landkreis für die Infrastruktur. Und für die nimmt der Kreis jetzt 100 000 Euro in die Hand, um in Strom, Wasser und neue Hütten zu investieren. Jährlich sorgt das für zusätzlich 20 000 Euro an laufenden Kosten.

Dass es allerhöchste Zeit wird, etwas zu tun, daran ließen die Kreisräte keinen Zweifel und wurden in ihrer Wortwahl deutlich. "Jeder Imbiss ist mit einer Heizung und Toilette ausgestattet", merkte Hans-Jürgen Dittmann (CSU) an. FDP-Rat Sebastian Körber entrüstete sich: "Das geht ja wohl nicht. Ich gehe davon aus, dass die Mitarbeiter, für die wir eine Verantwortung haben, bald auf Toilette gehen können." Körber forderte einen Bericht über die umgesetzten Maßnahmen an, "sonst schaue ich mich selbst auf den Wertstoffhöfen um".

Vandalen und Einbrecher machen Probleme

Probleme bereiten dem Landkreis, dem Betreiber und den Mitarbeitern verstärkt auch Vandalen und Einbrecher. Schutt werde illegal vor den Höfen abgelagert, Hütten aufgebrochen, Fenster eingeschlagen, Metallschrott- und Elektrogeräte geklaut. "Manche Zäune haben wir schon gar nicht mehr geflickt, weil sie zwei Tage später schon wieder aufgeschnitten waren", sagte Abfallberater Daniel Strauß. Dem Kreis fehle Personal, um die Schäden zu beheben.

Der Personalmangel stellt den Landkreis auch für den künftigen Betrieb der Wertstoffhöfe vor ein Problem. Das Landratsamt rechnet deshalb damit, keinen neuen Betreiber ab der neuen Vertragslaufzeit ab Juli 2020 zu finden, der sich für die 30 Höfe Mitarbeiter suchen muss.

Das alles werde zu noch unbekannten Mehrkosten führen, die am Ende über die jährlichen Abfallgebühren auf die Bürger umgeschlagen werden. Will sich der Kreis tatsächlich an die Vorschläge, die im Gutachten zur Arbeitsplatzsicherheit genannt wurden, halten, steigen die Kosten laut Gutachten "erheblich".

Herzinfarkt bleibt unbemerkt

Darin empfehlen die Prüfer ferner, pro Schicht mindestens zwei Mitarbeiter auf den Wertstoffhöfen arbeiten zu lassen. Bisher ist es einer. Das sei gefährlich, wenn es bei den Beschäftigten – die meist älter seien als 50 Jahre – zu akuten gesundheitlichen Problemen wie einem Bandscheibenvorfall oder Herzinfarkt komme. Die Wertstoffhöfe lägen teilweise isoliert und abgelegen. "Es kann also vorkommen, dass ein Notfall über einen längeren Zeitraum unbemerkt bleibt."

Um eine Kostenexplosion zu vermeiden, schlagen die Prüfer ein Gesamtkonzept vor. In diesem sei zu prüfen, "inwiefern das Wertstoffsystem als Ganzes wirtschaftlich ist." Denkbar sei ein abgestuftes Konzept mit ein oder zwei großen Wertstoffhöfen und einer deutlich geringeren Anzahl an kleineren mit eingeschränktem Angebot. Mit seiner Entscheidung, 100 000 Euro zu investieren, hält der Landkreis an seinen 30 Höfen fest. Bisher.

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