Nur fürs Selbstwertgefühl

Dritter Prozesstag gegen Ex-Polizisten: Angeklagte sind voll schuldfähig

3.8.2021, 15:03 Uhr
Bald wird das Urteil in dem Prozess gefällt. 

© colourbox.com Bald wird das Urteil in dem Prozess gefällt. 

Geladen war zunächst der Mitarbeiter eines Elektrofachmarktes, der sich den Dieben bei der Flucht in den Weg stellte. Vorsitzender Manfred Schmidt wollte klären, ob die beiden Angeklagten auf den jungen Mann zugefahren waren, um sich freie Bahn zu verschaffen. „Sie sind leicht angerollt, aber es war mehr so ein ‚verschwinde, ich will dir nichts tun, aber ich muss abhauen‘“, berichtete der Zeuge.

Besonders ausführlich wurde die Straftat behandelt, die in Bamberg für großes Aufsehen sorgte. Mit einem geklauten Pkw fuhren die beiden Angeklagten Anfang des Jahres in das Schaufenster eines Juweliers und klauten Uhren und Schmuck im Wert von rund 102.000 Euro. Die alarmierten Beamten hatten das Fluchtfahrzeug noch vom Tatort wegfahren sehen, gingen jedoch wegen des Blaulichts am Wagen davon aus, dass es Kollegen seien, die bereits die Täter verfolgten. Dem Juweliergeschäft wurde inzwischen beinahe das gesamte Diebesgut zurückgegeben. Auf einigen Kosten, die die Versicherung nicht übernehmen würde, bleibe das Geschäft sitzen, berichtete die Leiterin des Ladens.

Weitere Verfahren laufen

Da es sich bei den Angeklagten um ehemalige Polizeibeamte handelt, ermittelt auch die Dienststelle, die sich mit Delikten befasst, bei denen Polizisten im Verdacht stehen. Die beiden Berliner Beamten schilderten vor dem Bamberger Landgericht, dass sie in ihrer Laufbahn noch keinen Fall mit so einer Reihe von Straftaten vor sich hatten. Es würden gegen Jonas T. noch weitere Verfahren in Berlin laufen.

Während der siebenstündigen Verhandlung kamen den Angeklagten immer wieder die Tränen, besonders als die Familien der beiden Männer aussagen mussten. Die Mutter von Jonas T. schilderte ausführlich die Krankheitsgeschichte ihres Sohnes und beteuerte, dass er seine Lektion gelernt hätte: „Wie er in der Haft jetzt schon gelitten hat, damit ist er so bestraft, er würde nie wieder etwas tun.“

Schwer depressiv

Er sei ein sensibler Mensch, der durch seine schwere Depression aus dem Leben gerissen wurde und sich mit den Taten selbst spüren wollte. Sie berichtete von unzumutbaren Zuständen in der JVA, die für psychisch kranke Menschen kein Verständnis hätte. Sie betonte außerdem, dass bereits ein großer Teil des finanziell entstandenen Schadens ersetzt worden sei. Nur wenig brachte die Aussage der ehemaligen Lebensgefährtin von Martin K. Sie erschien mit Zeugenbeistand und machte kaum Angaben, um sich nicht selbst zu belasten.

Zum Ende des dritten Prozesstages erläuterte Thomas Wenske sehr ausführlich sein psychologisches Gutachten für die Angeklagten. Er bestätigte, dass sich Jonas T. in einer schweren depressiven Episode befinde und Martin K. durch eine Persönlichkeitsstörung ein extrem vermindertes Selbstwertgefühl besitze. Allerdings seien diese Krankheitsbilder nicht schuldmindernd. Zum Tatzeitpunkt hätten sich die beiden auch nicht in einem affektiven Ausnahmezustand befunden.

Selbstbildnis beschädigt

Das Tatmotiv für beide sieht er darin, dass sie sich nicht mehr fähig gefühlt hätten, Leistung zu bringen. „Beide konnten nicht mehr als Polizisten arbeiten, beide sind psychisch erkrankt und haben dadurch sogar einen Pflegegrad erlangt. Das hat ihr Selbstbild enorm geschädigt. Das ist ein durchaus ungewöhnliches Motiv, aber zu den Persönlichkeiten passend“, erklärte der psychiatrische Gutachter. Am Donnerstag wird Staatsanwältin Zechnall sowie die Verteidiger Drehsen, Kaiser und Barthelmes ihr Plädoyer sprechen, damit das Gericht im Anschluss ein Urteil fällen kann.