Einstiger Mittelpunkt in Forchheim-Buckenhofen: Das Gasthaus "Zur Staustufe"

24.1.2021, 05:56 Uhr
Einstiger Mittelpunkt in Forchheim-Buckenhofen: Das Gasthaus

© Repro: Udo Güldner

Genau 60 Jahre ist es her, dass der Bau des Rhein-Main-Donau-Kanals auch in Buckenhofen die Wirtschaft ankurbelte. Ganz wortwörtlich. Denn hier am nördlichen Ende des Dorfes entstand, am Hang oberhalb des Elektrizitäts-Werkes, die Gastwirtschaft "Zur Staustufe". Mit Reimund Trautner (68), der heute in Köttmannsdorf lebt, begeben wir uns auf Spurensuche nach einem Lokal, das heute fast vergessen ist.


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In dem kleinen Dorf an der Regnitz scheint die Zeit stillgestanden zu sein. Statt einer asphaltierten Straße gibt es nur einen leidlich geschotterten Feldweg. Kanalisation oder Laternen sind unbekannt. "Wir lebten damals wie im Mittelalter". In der Ferne allerdings kündigt sich bereits eine neue Zeit an. Aus dem Norden nähern sich die Bagger, die aus dem sich hin und her windenden Fluss eine schnurgerade Wasserstraße machen.

Das Gesicht Buckenhofes nachhaltig verändert

Der RMD-Kanal wird das Gesicht Buckenhofens nachhaltig verändern. Weil nicht mehr ständig irgendwelche Hochwasser das nicht an der Hauptstraße gelegene Gelände überspülen, können dort unten in Sichtweite des Kanals nun Neubaugebiete entstehen. Freilich haben Adam und Maria Trautner nicht von Anfang an vor, ein Gasthaus zu eröffnen. Erst einmal sind sie mit dem Bau eines Eigenheimes beschäftigt. Das ist Anfang der 60er Jahre ein Kraftakt, den man mit Hilfe von Freunden und mit Schaufel und Spaten stemmt.

Als der Rohbau steht, reift in Adam Trautner (1923-1998) der Entschluss, sich durch eine Flaschenbier-Handlung einige Mark im Monat hinzuzuverdienen. "Er arbeitete als Meister in der Folienfabrik. Trotzdem hatte die Familie wenig Geld". Auf diese Idee sind vorher andere auch schon gekommen. Selbst ein weißrussischer Zwangsarbeiter namens David, der nach dem Zweiten Weltkrieg als Displaced Person hier hängengeblieben ist, bietet Bier und Zigaretten feil. In einem Schuppen in der Flur Weidich zwischen zwei Baggerseen, die im Volksmund großer und kleiner "Wannsee" heißen.

Eisgekühltes Bier zum Mitnehmehmen - Abheben von der Konkurrenz

Also gibt es bei den Trautners bald eisgekühltes Neder-Bier zum Mitnehmen. Damit macht man den Gaststätten Neubauer, Lauger oder Dresel Konkurrenz, die auch "über die Straße" verkaufen. Man profitiert auch von einer hölzernen Regnitzbrücke, die seit 1946 die Gemeinde mit der Flur Weidich und damit auch dem Norden Forchheims verbindet. "Aus den Baracken-Lagern in der Bügstraße kamen die Leute herüber in den Wald, um Holz zu sammeln".


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Für durstige Laufkundschaft ist also gesorgt. Einer der Gäste ist Konrad Böhm, der ein Einrichtungshaus an der steinernen Regnitzbrücke hat. Seine Idee: Warum nicht einige Stühle und Tische aufstellen und die Sommersaison nutzen. Das Mobiliar liefert die Brauerei.

"Remmi Demmi bis zwei Uhr früh"

Nach und nach wird aus dem als Wohnhaus geplanten Anwesen ein Gasthaus. Im Erdgeschoss wird von Maria Trautner, geborene Merx (1928-1980), in der kleinen Küche gekocht und in einer Gaststube bedient. In Stoßzeiten hat man bis zu vier Angestellte aus der Nachbarschaft, die sich über ein Zubrot freuen. Im Obergeschoss schläft die Wirtsfamilie, wenn sie "bei all dem Remmi Demmi bis zwei Uhr früh" überhaupt dazu kommt.


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Es gibt weiterhin nur Flaschenbier, nun aber auch Hochprozentiges aus allerlei Obst, Liköre wie die "Schwarze Katze" und den legendären "Lufthansa-Cocktail", Es gibt Speisen, die man einfach zubereiten kann: Gulaschsuppe, Saure Lunge, Wurstbrote und andere Kleinigkeiten. "Es war eine harte Zeit. Die Eltern mussten sich alles vom Munde absparen".

Als der große Aufschwung kam

Der ganz große Aufschwung aber kommt mit dem Kanalbau. Auf den Baufahrzeugen sitzen nämlich Arbeiter, die nach ihrer schweren Schicht etwas zu essen und einen Schlafplatz brauchen. Bei den Trautners ist beides zu bekommen. Auch die Ober-Ingenieure Schellnhuber und Stintzing finden Unterschlupf. Nicht jeder kommt nämlich in den hölzernen Baracken unter, die auf der Schleuseninsel errichtet wurden.

Aus dieser Zeit steht nur noch eine steinerne Baracke, die heutzutage zum städtischen Zeltplatz gehört. "Ein Grund für den Erfolg war auch die Top-Aussicht". Von der Terrasse aus kann man ins Regnitztal blicken und dabei einen der selbstgebackenen Kuchen probieren. Wenn mehr Gäste da sind, gibt es Torten der Bäckerei Lieb. Das Geschäft läuft ab 1965 so gut, dass Adam Trautner seine Stelle in der Folienfabrik kündigt und sich im Stil der Zeit eine Musicbox, eine Eistruhe, einen Flipper und einen Zigaretten-Automaten anschafft. "In der Gaststube saßen alle gesellschaftlichen Schichten".

Das Ende der so erfolgreichen Gastwirtschaft in der heutigen Pautzfelder Straße 5 kommt nach nicht einmal einem Jahrzehnt. Reimunds Eltern haben sich völlig verausgabt. Ein Nachfolger ist nicht in Sicht. Sohn Willibald (geb. 1964) ist noch zu jung, und Reimund hat es nach Berlin gezogen. So schließt die Gastwirtschaft "Zur Staustufe" nach gerade einmal acht Jahren, mitten auf dem Höhepunkt. Adam Trautner arbeitet danach bei der Landmaschinenfabrik Frick in Forchheim bis zur Rente. Heute sieht man dem Wohnhaus nicht mehr an, dass hier einst ein Mittelpunkt Buckenhofens war. Nur einige Fotos und die Erinnerungen sind geblieben.

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