Entsetzen in der Käsröthe: Alle Bäume sind schon weg

3.2.2020, 17:27 Uhr
Der Neubau soll auf der Fläche im Vordergrund entstehen. Rechts sind die Gewog-Adressen Käsröthe 9 und 11 zu sehen. Die Zufahrt zur Tiefgarage ist von den Garagen aus geplant, die links davon stehen.

© Foto: Ulrich Graser Der Neubau soll auf der Fläche im Vordergrund entstehen. Rechts sind die Gewog-Adressen Käsröthe 9 und 11 zu sehen. Die Zufahrt zur Tiefgarage ist von den Garagen aus geplant, die links davon stehen.

Öder könnte eine Fläche nicht sein. Zwischen den Häusern Käsröthe 9, 11, 5, 7, 1 (a) und 3 (a) wächst kein Strauch mehr, kein Baum. Einige Stümpfe deuten an, dass dies vor kurzem noch anders war. Der große freie Platz wurde im Süden und Westen von Hecken, Sträuchern und Waldbäumen gesäumt, vor allem Birken. Seit Freitag herrscht hier: tabula rasa. Viele Nachbarn sind empört: "Es ist wirklich eine Schande, solch große Bäume zu fällen, die weder krank waren noch den Baubetrieb in irgendeiner Weise behindert oder gar gestört hätten", schreibt Sven Dill, der nebenan wohnt, im Namen von Anwohnern der Käsröthe 5, 7, 9 und 11.

Die Fällung dauerte zwei Tage. Sie wurde von der Wohnungsbaugenossenschaft Gewog veranlasst. Sie ist die Besitzerin des Grundstücks und der Häuser Käsröthe 9 und 11. In deren Hinterhof plant sie den Neubau eines viergeschossigen Hauses mit 15 Wohnungen, davon elf Sozialwohnungen, inklusive Tiefgarage, sagt Vorstandsmitglied Loreen Klaus: "Es handelte sich überwiegend um Wildwuchsbäume, darunter viele Birken. Die Bäume standen unserem Bauvorhaben leider im Weg und mussten daher weggemacht werden", sagt Klaus. Wie im Bebauungsplan gefordert, werde die Gewog für Ersatzpflanzungen sorgen, irgendwo im Stadtgebiet auf einem anderen Gewog-Grundstück. Auch nach dem Neubau werde es dort "viel Grün" geben, verspricht Loreen Klaus.

Die Anwohner schreiben, sie seien "keinesfalls gegen den Bau von bezahlbaren Mietwohnungen". Aber es müsse "nicht jeder letzte grüne Fleck bebaut werden und schon gar nicht sollten dafür Bäume gefällt werden, wenn es nicht notwendig ist."

"Wissen erst seit heute davon"

Hier wird wohl die Feuerwehrzufahrt entstehen. Ein Teil der Bäume hätte auf dieser Trasse wahrscheinlich gefällt werden dürfen. Jetzt ist einfach alles weg.

Hier wird wohl die Feuerwehrzufahrt entstehen. Ein Teil der Bäume hätte auf dieser Trasse wahrscheinlich gefällt werden dürfen. Jetzt ist einfach alles weg. © Ulrich Graser

War die Fällung notwendig? Und war sie überhaupt rechtens? Oberbürgermeister Uwe Kirschstein (SPD) und der zuständige Amtsleiter Stefan Schelter (Bauordnung) wurden von der Rodung kalt erwischt: "Wir wissen erst seit heute davon, wie Sie auch", so Schelter gestern.

Die Gewog habe vor kurzem einen Bauantrag eingereicht, der wahrscheinlich am 17. Februar dem Bauausschuss des Stadtrates vorgelegt worden wäre: "Wir sind noch in der Prüfung." Denn die Gewog wollte "teilweise außerhalb der Baugrenzen" bauen, die im Bebauungsplan vorgesehen sind. Ob der Bauausschuss nun wie geplant damit befasst wird, ist offen, so die Pressestelle der Stadt. Denn nun gebe es "neue Tatsachen".

Vermutlich hätte auf der Südseite ein Teil der Bäume gefällt werden dürfen, um eine Feuerwehrzufahrt einzurichten, der Rest hätte wahrscheinlich stehen bleiben müssen, trotz der Tiefgaragenzufahrt von Norden her, wo Garagen stehen. Der Bebauungsplan definiert die Bäume und Gehölze als "zu erhalten", es sei denn, sie stünden Erschließungsmaßnahmen (Zufahrten) oder dem Stellplatzbau im Weg. Zu entscheiden hat aber, so die Pressestelle, in jedem Fall der Bauausschuss. Das kann er jetzt nicht mehr.

Sven Dill: "Wenn es im Sommer 40 Grad hat und Sie gehen in den Schatten der Bäume, merken Sie sofort, dass es dort zehn Grad weniger hat."

Die Anwohner erfreuten sich an Spechten, Amseln, Kleibern, Eichhörnchen, Kaninchen und Co. Auch Sicht- und Lärmschutz bot das Grün in dem dicht bebauten Viertel. Viele Stämme und Büsche standen direkt auf den Grundstücksgrenzen und hätten das Bauvorhaben nicht gestört, meint Dill. Er arbeitet selbst in einem Bauamt und kennt sich daher in der Bauordnung aus.

"Erst fällen, dann Antrag stellen – Annette Prechtel, OB-Kandidatin der FGL, spricht von einem "absoluten No-Go". Und: "Was hätte die Gewog daran gehindert, den Bau-Ausschuss abzuwarten? Hätte er die Fällerlaubnis gegeben, wäre noch genügend Zeit gewesen bis zum Schnitt- und Fällverbot nach Bundesnaturschutzgesetz ab 1. März." Unerlaubtes Fällen müsse geahndet werden, auch in diesem Fall. Eine Nachverdichtung sei "immer gut abzuwägen und gut zu planen", so Prechtel. Die Freiflächen- und Grünflächenplanung und -gestaltung gehöre dazu.

Sollten sich Bäume im Gebiet nicht halten lassen, "müssen meines Erachtens zwingend neue und auch große Bäume im Gebiet gepflanzt werden. Ein Ausgleich in einem anderen Gebiet hilft den Bewohner und Bewohnerinnen herzlich wenig."

Ähnlich beurteilt der OB-Kandidat der CSU die Sache, Udo Schönfelder: "Ich bin entsetzt, befremdet und traurig. Manche meinen, sie können Fakten schaffen ohne zu reden – wir leben doch nicht im Wilden Westen." Noch gestern Abend wollte er das Thema bei der CSU-Fraktionssitzung ansprechen.

Lesen Sie dazu auch unseren Kommentar.

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