"Er hatte die gesamte Stadt im Blick": Pfarrer Christian Muschler verlässt Forchheim

6.5.2020, 07:33 Uhr

© Foto: Christian Muschler

In Zukunft wird er in Simbach am Inn an der Gnadenkirche wirken. Ausgerechnet im Jubiläumsjahr "50 Jahre Christuskirche" wird er fehlen. Wir erklären, was ihn nach Forchheim zog, was ihn hier bewegt hat und warum er nach Niederbayern wechselt.

Mitte Mai sollte es einen Fest-Gottesdienst geben. Doch nun wird der feierliche Abschied in aller Stille über die Bühne gehen. Keine jubelnde Kirchenmusik, keine dankbaren Worte, keine originellen Geschenke. Pfarrer Muschler dürfte dieses bescheidene Ende einer erfolgreichen Ära vielleicht sogar recht sein. Es war nie seine Sache, sich in die erste Reihe zu drängen.

Stiller Arbeiter im Weinberg des Herrn

Er ist das, was man einen stillen Arbeiter im Weinberg des Herrn nennen könnte. Dafür spricht auch, dass er in eine kleinere Kirchengemeinde wechselt. Wobei neben dem Wunsch, nach so langer Zeit einmal etwas anderes tun zu wollen, auch ganz private Gründe den Ausschlag gegeben haben. In Simbach wartet Muschlers Lebensgefährtin.

Einerseits wird es eine pastorale Herausforderung, denn die Gegend an der Grenze zu Österreich ist noch katholischer als die Bambergischen Lande. Auch gibt es dort weniger Lutherische als im Norden Forchheims. Zum anderen wird es ein freudiges Wiedersehen mit alten Bekannten, denn Muschler hatte einst die Dreieinigkeits-Gemeinde in Tann betreut. Ob die Pfarrstelle in Niederbayern seine letzte sein wird, kann er noch nicht sagen. Auch wenn ihm der recht freundliche und offene Menschenschlag doch sehr entgegen komme.

Warum er nach Forchheim kam

Der gebürtige Unterfranke aus Gochsheim hat als Vikar im tiefsten Oberbayern, Garmisch-Partenkirchen nämlich, seine theologische Karriere begonnen.

Wenn man ihn fragt, warum er 2005 ausgerechnet nach Forchheim gekommen ist, dann ist von der Herausforderung die Rede, in einem sozialen Brennpunkt zu wirken. Das integrative Moment ist eines, das Muschler am Herzen liegt. Egal ob jemand finanziell arm ist, körperlich eingeschränkt oder gesellschaftlich ausgegrenzt. Die Projekte, die er in seiner Amtszeit angestoßen hat, kreisen genau darum. Ein weiterentwickelter Kindergarten, eine ganz neue Kinderkrippe, ein bald modernisiertes Gemeindezentrum, das seit drei Jahren nach Dietrich Bonhoeffer benannt ist. Man habe auf die Situation der Bewohner des Stadtteils eine Antwort gefunden. Auch weil Muschler sich als Religionslehrer an der Adalbert-Stifter-Schule mit seinem muslimischen Kollegen Nabil Raki und dessen katholischem Pendant Kerstin Debudey um multireligiösen Dialog bemüht hat. Zu einer Zeit, als das noch keineswegs üblich war. Weithin sichtbar wurde die Ökumene mit dem katholischen Nachbarpfarrer Martin Emge durch gemeinsame Osterfeuer oder Pfarr- und Frühlingsfeste.

Zu einem kulturellen Zentrum entwickelt

Daneben hat er mit dem Bürgerzentrum-Mehrgenerationenhaus Akzente gesetzt. Der damalige Oberbürgermeister Franz Stumpf, aber auch der gesamte Stadtrat hatten das millionenschwere Projekt unterstützt. Besonders wichtig ist Muschler das Netzwerk für Respekt und Toleranz, das seit einigen Jahren an der Verlegung der Stolpersteine mitwirkt. Damit solle nicht nur der Opfer der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik gedacht werden. Seit den rechtsterroristischen Anschlägen von Hanau und Halle habe dieses Erinnern auch eine hochaktuelle Dimension.

Im Laufe der Jahre hat sich der kuriose Kirchenbau, der in seiner Zeltform an die umherziehenden Flüchtlinge und Heimatvertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg erinnern soll, zu einem kulturellen Zentrum entwickelt.

Es begann 2007 mit einer umjubelten Marc Chagall-Ausstellung. Dann folgten eine Ernst Barlach- und eine Käthe Kollwitz-Schau. Stets sah man ehrenamtliche Helfer, die den Besuchern Bild für Bild sachkundig erklärten. Dann stand der Einbau einer neuen Orgel an. Das hat viel Kraft gekostet. Seit zehn Jahren trifft die im evangelischen Bereich wichtige Kirchenmusik nun wieder den richtigen Ton.

Wer die Pfarrstelle ab Februar 2021 besetzt, ist noch nicht klar. Sicher aber ist, dass bis dahin Dekan Günther Werner, Pfarrer Ulrich Bahr und Diakonin Beate Wagner mit Kollegen von St. Johannis die Stellung halten sollen.

Zum Abschied von Pfarrer Christian Muschler in Forchheim melden sich Kollegen und Weggefährten zu Wort.

Kathrin Reif, Leiterin des Bürgerzentrums-Mehrgenerationenhauses in Forchheim-Nord: "Pfarrer Muschler hatte nicht nur seine Kirchengemeinde im Blick, sondern auch den Stadtteil und die gesamte Stadt. Er unterstützte in hervorragender Weise die Quartiersarbeit. Dank seiner Offenheit konnte das Bürgerzentrum-Mehrgenerationenhaus 2009 entstehen und hat sich zu einer interkulturellen Einrichtung entwickelt. Interreligiöse Angebote, die er mitverantwortete, trugen dazu bei, dass Menschen unterschiedlicher Religionen und Kulturen zusammenwachsen."

Nabil Raki, islamischer Religionslehrer in Forchheim: "Pfarrer Muschler ist ein bescheidener, sozial kompetenter Mensch. Ich finde ihn nett, kompetent und sehr hilfsbereit. Was mich beim Pfarrer Muschler sehr beeindruckt hat, ist dass er alle Menschen und Religionen bewusst respektiert. Wir wissen, dass die drei Weltreligionen Judentum, Christentum und Islam nur an einen Gott glauben und wir wissen auch, dass der Vater der Weltreligionen Abraham ist. Dieser Glaube, der uns verbindet, gibt uns das Gefühl der Zusammengehörigkeit und ermöglicht die erfolgreiche Zusammenarbeit. Die Gottesdienste sowie die multireligiösen Feiern, die wir gemeinsam organisiert und gefeiert haben, waren schöne Momente für uns alle und besonders für die christlichen und muslimischen Schüler. Liebe und Respekt der Religionen ist ein Lernprozess. Dies wollen wir einpflanzen. Ich wünsche Pfarrer Muschler viel Glück, viel Schaffenskraft am neuen Arbeitsplatz, und dass er fit und gesund bleibt."

Martin Emge, katholischer Pfarrer von St. Martin, Verklärung Christi in Forchheim und St. Ottilie Kersbach: "Unsere Kirchen haben nicht nur den christologischen Bezug gemeinsam, Christuskirche und Verklärung Christi sind auch für unsere Gläubigen Orte der Gotteserfahrung. Die Sehnsucht des Menschen nach Anerkennung und Geliebt sein, nach Heimat und Gemeinschaft, nach Gotteserfahrung und Lebensglück werden an diesen heiligen Orten spürbar. Die Stimme Gottes hat bei der "Verklärung Christi" auf dem Berg gerufen: "Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe; auf ihn sollt ihr hören." Diese Botschaft Gottes an seinen Sohn sage ich meinen Gläubigen gern weiter: "Ihr alle seid seine geliebten Söhne und Töchter!" Dieses Wort darf ich Pfarrer Muschler zum Abschied und für seinen Weg an seine neue Wirkungsstätte zurufen: Du bist wichtig! Gott braucht Dich und Deinen Hirtendienst! Gott braucht Dein theologisches Denken und Dein ökumenisches Wirken! Gott braucht deine Mitbrüderlichkeit und Dein authentisches Bezeugen, dass dieser Christus Gottes Sohn ist!" 

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