Europa baut im Landkreis Forchheim Brücken

25.8.2018, 16:00 Uhr
Europa baut im Landkreis Forchheim Brücken

© Ralf Rödel

Es ist ein unscheinbares Loch im Boden. So tief, dass es ohne fremde Hilfe keiner mehr rausschafft, der Durchmesser gerade einmal 45 Zentimeter breit. Die Rede ist von einem Lochgefängnis. Es befand sich im untersten Keller der einstigen Streitburg, von der inzwischen nicht mehr viel übrig ist. Vor hunderten von Jahren, als die Burg noch imposant über dem Wiesenttal thronte und sich im Besitz des Markgrafen Friedrich von Brandenburg-Kulmbach befand, wurden hier Diebe, vielleicht auch Raubritter, gefangen gehalten.

Die Lochgefängnisse sind eine echte "Rarität der deutschen Burgengeschichte", erklärte Anton Eckert, Kulturreferent des Landkreises, im vergangenen Jahr. Zu schade, dass sie niemand zu Gesicht bekommt. Niemand sich eine Vorstellung davon machen kann, wie sich ein Gefangener hier gefühlt haben musste. Und überhaupt kaum einer weiß, wie das Leben auf der einstigen Streitburg so war.

Geld für kulturelle Entwicklung

Das soll sich ändern. Die Streitburg und mit ihr die Lochgefängnisse sollen "erlebbar" gemacht werden. Ein Lehrpfad, ähnlich dem der gegenüberliegenden Burgruine Neideck, soll die Vergangenheit der Streitburg darstellen. Fast 174 000 Euro kosten Forschung, Instandsetzung und touristische Erschließung der Burgruine und der Lochgefängnisse. Und hier kommt die Europäische Union ins Spiel. Denn all dies geht nur, weil die EU seit Jahren Geld für die Entwicklung des Landkreises Forchheim ausgibt.

Leader heißt das Förderprogramm, dessen aktuelle Förderperiode sich von 2014 bis 2020 erstreckt. Es ist ein Entwicklungskonzept, mit dem innovative Maßnahmen im ländlichen Raum gefördert werden sollen. 1991 wurde das Programm zum ersten Mal aufgelegt, seit dem Jahr 2000 ist der Landkreis Forchheim dabei. Von Beginn an ist Anton Eckert, Kulturbeauftragter des Landkreises, offizieller Leader-Manager. "Eigentlich habe ich mich nur darum gekümmert, weil ich die Kultur im Landkreis entwickeln wollte", erinnert er sich. Inzwischen stünden längst nicht mehr nur Kulturprojekte im Fokus, sondern auch die Dorf- und Stadtentwicklung, die Entwicklung der Kulturlandschaft oder der Gesundheitsregion.

60 Projekte sind in den vergangenen 17 Jahren im Leader-Programm umgesetzt worden. "Sie hätten sonst nicht verwirklicht werden können, weil es dafür keine Finanzierung gab", betont Eckert. Um sie zu realisieren, waren insgesamt zwölf Millionen Euro nötig. Mehr als die Hälfte davon kam von der EU.

In der aktuellen Förderperiode wurden 1,5 Millionen Euro bewilligt. "Damit können wir Projekte in einem Umfang von vier Millionen Euro umsetzen", sagt er. Pro Maßnahme machen die Leader-Mittel 60 Prozent aus. Arbeiten zwei Leader-Aktionsgruppen, die die Projekte vor Ort koordinieren, zusammen, erhöht sich die Förderung auf 70 Prozent. Der jeweilige Projektträger — in den meisten Fällen sind das Kommunen oder Vereine — muss zehn Prozent der Gesamtkosten tragen. Die restlichen Finanzmittel müssen dann meist über Stiftungen gesammelt werden. Bis jetzt hat das immer geklappt, "in Oberfranken gibt es 311 Stiftungen, die angefragt werden können", so der Leader-Manager. Die Sanierung der Burgruine Neideck, der Bau des Wallfahrtsmuseums Gößweinstein und die Wiederbelebung des Höhenschwimmbads in der Gemeinde, die Nachbildung der Mauer einer Kelten-Siedlung auf dem Walberla und die Sanierung der Schleuse 94 in Eggolsheim. Das sind nur einige der Projekte, die in den vergangenen Jahren mit Hilfe der Leader-Förderungen realisiert worden sind.

Kein bloßer "Zuschuss"

Die Vorschläge dazu kamen fast alle aus den Kommunen selbst, von Vereinen und mitunter auch von Privatpersonen. Doch um einen bloßen "Zuschuss" gehe es bei dem EU-Programm nicht. "Leader ist ein Entwicklungskonzept", sagt Anton Eckert. Mit anspruchsvollen Aktionsplänen und einem klaren Ziel: "Leader will die Stärken verstärken und die Schwächen beheben." Damit das möglich ist, muss beides zuvor definiert und hinterher, nach Abschluss der jeweiligen Förderperiode, evaluiert werden. Das ist seine Arbeit und die der örtlichen Leader-Aktionsgruppe, die allein in dieser Periode 30 Projekte auf dem Plan haben.

Dabei geht es stets ums "große Ganze", um die Entwicklung der Gemeinde, der Kultur oder der Kulturlandschaft. So auch bei der Entwicklung des Wanderleitsystems Fränkische Schweiz, das zum einen eine einheitliche Beschilderung der Wanderwege in der Region bringen soll und zum anderen die Digitalisierung der Wege. Der Koordinierungsaufwand ist groß: Alle Ortsvereine des Fränkische-Schweiz-Vereins müssen mitziehen. Auch finanziell ist das Projekt eine große Nummer: 1,3 Millionen Euro fließen in die Umsetzung. Am Ende aber wird es dem Tourismus in der Region vorangebracht haben — und die Fränkische Schweiz auf dem Weg zu einer "Qualitätswanderregion".

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