Experte kommt nach Forchheim: Wann wird die digitale Nanny gefährlich für mein Kind?

3.2.2019, 09:00 Uhr
Experte kommt nach Forchheim: Wann wird die digitale Nanny gefährlich für mein Kind?

© Foto: Tobias Hase/dpa

Herr Jäger, was halten Sie von der Szene, die ich gerade beschrieben habe?

Oliver Jäger: Ah, ein solcher Umgang könnte man als "digitale Nanny" bezeichnen. Bei der Szene kommt es darauf an. Auch ein Kindergartenkind kann mal mit einem Tablet spielen. In der Regel geht man von 15 Minuten am Tag aus, aber nicht täglich. Wenn man das als Eltern begleitet, den Film oder das Spiel am Anfang mit ansieht, dann ist das unbedenklich. Anders sieht es aus, wenn das Smartphone zum digitalen Dauer-Spielgefährten wird.

Was passiert?

Oliver Jäger: Es gibt die so genannte BLIKK-Studie vom Institut für Medizinökonomie und Medizinische Versorgungsforschung in Köln und dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte. Die besagt, dass es einen Zusammenhang zwischen Mediennutzung und Kindesentwicklung gibt. Bei exzessivem Medienkonsum kann es zu Verhaltensauffälligkeiten kommen, Sprachauffälligkeiten, Hyperaktivität. Erzieherinnen haben mir schon erzählt, dass Krippenkinder versuchen, das Bild an der Wand mit den Fingern zu vergrößern, da verschwimmt der Unterschied zwischen digitaler und realer Umwelt.

Sollte die Kita dann besser eine digitalfreie Zone sein?

Experte kommt nach Forchheim: Wann wird die digitale Nanny gefährlich für mein Kind?

© Foto: Kinderschutzbund

Oliver Jäger: Nein, sollte sie nicht. Die digitalen Medien gehören inzwischen zu unserem Leben dazu, das macht keinen Sinn, den Alltag auszusperren. Besser ist es, die Chance zu nutzen, und zu zeigen, wie man Medien sinnvoll und bewusst einsetzt. Zum Beispiel bei einem Ausflug. Statt die Blumen unnötig zu pflücken, kann man sie auch fotografieren und mit einer App bestimmen. Auch Schulen, sollten die digitalen Möglichkeiten ausschöpfen.

Sie sind gegen ein Handynutzungsverbot an Schulen?

Oliver Jäger: Ja. Das Verbot ist nicht zukunftsweisend, man muss den richtigen Umgang mit Smartphone und Co. vermitteln.

Ab wann kann ich denn so einen "richtigen Umgang" von meinem Kind erwarten, anders gesagt, wann soll ich ihm das erste eigene Handy kaufen?

Oliver Jäger: Unter anderem die EU-Initiative klicksafe.de empfiehlt ein eigenes Smartphone ab zwölf Jahren. Dann ist das Kind in seiner kognitiven Entwicklung soweit, das Ganze zu überschauen und zu begreifen was passiert, wenn ich zum Beispiel eine Nachricht verschicke oder ein Foto poste.

Das hört sich recht spät an.

Oliver Jäger: Das hängt auch von der Entwicklung des Kindes ab. Auch ein Grundschulkind kann zum Teil sehr bewusst, später auch eigenverantwortlich mit digitalen Medien umgehen, aber Eltern sollten das weiter begleiten.

Und was, wenn alle Anderen in der dritten Klasse schon ein Handy haben?

Oliver Jäger: Gruppenzwang gab es schon früher. In meiner Jugend musste es die Air-Jordan-Kollektion von Nike sein. Inwieweit Eltern dem Gruppenzwang nachgeben wollen, muss jeder selbst entscheiden und dabei auch bedenken, ob das Kind auch schon reif genug ist, um ein Smartphone zu besitzen.

Okay, jetzt ist der Sohnemann zwölf und bewegt sich fleißig auf Instagram, Snapchat, im Internet . . . Wie viel Kontrolle ist nötig?

Oliver Jäger: Kontrolle ist die schlechtere Variante. Ich plädiere dafür, von Beginn an mit den Kindern gemeinsam die digitalen Medien zu erkunden, Interesse zu zeigen, was das Kind macht, mit ihm darüber sprechen. Dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Kinder auch in der Pubertät mit ihren Eltern über ihre digitalen Aktivitäten sprechen und auch mal nachfragen, wenn ihnen etwas komisch vorkommt.

Sie geben Fortbildungen, halten Vorträge an Elternabenden. Was sind die häufigsten Fragen, die Ihnen gestellt werden?

Oliver Jäger: Da muss man unterscheiden. Zum einen gibt es die Elterngeneration, die Smartphone, Tablet und die Social Media-Plattformen erst im Erwachsenenalter kennengelernt haben. Da herrscht viel Informationsbedarf. Das betrifft Erziehungsfragen, etwa: wie lange sollte mein Kind täglich mit dem Handy spielen? Aber auch technische Fragen, zum Beispiel, wie kann ich das Smartphone kindersicher machen? Jüngere Eltern haben eher Aufklärungsbedarf. Da spüre ich manchmal Sorglosigkeit im Umgang mit den Daten, zum Beispiel bei Kinderfotos auf dem Facebook-Profil.

All diese Infos dürfen Eltern und Großeltern auch bei Ihrem Vortrag im Rahmen der NN-Reihe "Erziehung 4.0" in der Forchheimer Stadtbücherei erwarten, oder?

Oliver Jäger: In meinem Vortrag geht es darum, was können digitale Medien und welche Gefahren lauern dort? Ich bin offen für Fragen aus dem Publikum und will Denkanstöße geben, über die eigene Haltung nachzudenken und ich will Beispiele geben.

Das klingt, als brauchten Eltern auch eine digitale Erziehung?

Oliver Jäger: Ein zentrales Motto lautet: Vorbild dringt tiefer als Worte. So wie ich als Erwachsener die Medien nutze, das färbt auf meine Kinder ab. Wenn ich als Erwachsener vorlebe, dass man sich auch in der digitalen Welt fair und freundlich zueinander verhält, dann kann ich meinen Kindern damit auch Werte mitgeben. Wenn ich schon den Kinderwagen nur mit einer Hand schiebe, weil ich mit der anderen die WhatsApp-Nachrichten auf dem Handy kontrolliere, dann färbt auch das ab.

Oliver Jäger wird am Mittwoch, 20. Februar, im Rahmen der NN-Reihe "Erziehung 4.0" in der Forchheimer Stadtbibliothek sprechen. Los geht es um 19 Uhr (Einlass: 18.30 Uhr). Der Eintritt kostet zehn Euro (mit Zac-Rabatt acht Euro). Karten gibt es bei den Nordbayerischen Nachrichten in der Hornschuchallee 7-9 und an der Abendkasse.

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