Falscher Drehwurm

13.10.2014, 18:17 Uhr
Falscher Drehwurm

© F.: Pfrogner

„An dem Versuch, einen Salto über die Reckstange mit anschließender gehockter Doppelschraube zu zeigen, ist eine Entwicklung des Turnsports erkennbar. Vor knapp 40 Jahren hat der deutsche Eberhard Gienger mit seinem gebückten Salto und Längsdrehung neue Maßstäbe am Reck gesetzt. In der Zwischenzeit sind die Disziplinen noch athletischer geworden, die Frauen gehen heutzutage auch in den Kraftraum, die Männer haben dagegen an Eleganz zugelegt. Schon in frühester Jugend werden entscheidende Grundlagen in der Dehnfähigkeit gelegt. Es gilt, Bewegungsabläufe im Kopf zu haben.

So eine ganz neue Übung muss über mindestens ein Jahr hundertfach eingeturnt werden. Dass es dann im Wettkampf daneben geht wie bei Bretschneider, der eine Schraube weniger gezeigt hat als geplant, ist ungewöhnlich. Eher macht ein Sportler eine Drehung mehr, wenn er noch Luft hat. Normalerweise haben es die Athleten bei der Landung im Gefühl, ob ihre Figur geklappt hat. Dass es in diesem Fall anders war, lag bestimmt nicht daran, dass die Orientierung beim Salto vorwärts schwerer ist als rückwärts, oder am mentalen Druck, sondern eher an zu viel positiver Euphorie. Bretschneider, der das Geschehene mit einem Sportpsychologen analysieren wird, gibt die Übung sicherlich nicht auf und probiert es weiter. Rückschläge sind doch Ansporn und Herausforderung.

Die Voraussetzungen für deutsche Erfolge sind nicht so groß wie bei anderen Nationen. In den USA, die diesmal die meisten WM-Medaillen geholt haben, finanzieren private Sponsoren die Spitzenförderung. Bei uns können die Vereine kein tägliches Training anbieten und haben manche Geräte gar nicht. Nur in wenigen Städten sind Schule und professionelles Training miteinander vereinbar. Dazu ist immer viel elterliches Engagement gefragt, wenn schon in frühen Jahren Wettkämpfe im Ausland anstehen.“

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