Fliegerangriffe auf den Bahnhof Forchheim: Was sich 1945 ereignete

2.5.2021, 05:57 Uhr
Fliegerangriffe auf den Bahnhof Forchheim: Was sich 1945 ereignete

© Foto: Stadtarchiv Forchheim

Der Bahnhof Forchheim hat 1844 seinen Betrieb aufgenommen, mit Eröffnung der Bahnlinie Nürnberg-Bamberg. Hermann Meißner aus Wimmelbach hat alle öffentlich zugänglichen Daten über den Forchheimer Bahnhof akribisch gesammelt, vor allem handelt es sich um amtliche Quellen, wie aus dem protokollmäßigen Stil ersichtlich wird.


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Hier ein Auszug seiner Materialsammlung, der sich mit den Ereignissen am Ende des Zweiten Weltkrieges rund um den Bahnhof befasst.

1940/1945: Das luftschutzmäßige Verhalten erschwert oft die glatte Abwicklung des Zugverkehrs. Die Fliegeralarme, die hauptsächlich anlässlich der Bombardierung, der "Stadt der Reichsparteitage Nürnberg" 1944, im Januar und im Frühjahr 1945 in Forchheim zu jeder Tag- und Nachtzeit, oftmals in drei- bis viermaligem Wechsel ausgelöst wurden, stellen unermessliche Anforderungen an das gesamte Bahnpersonal.

Katastrophale Verhältnisse

Hinzu kommt noch, dass der Personenverkehr auf das geringste Maß für den Privatverkehr eingeschränkt wurde, demzufolge die noch verbliebenen Personenzüge überlastet waren. Wie die Weintrauben hingen die Reisenden an den Personenwagen, auf den Trittbrettern, zwischen den einzelnen Wagen und desgleichen katastrophal waren die Zugverhältnisse nach Fliegerangriffen auf Nürnberg, als viele Tausende von Nürnbergern der Hölle von Nürnberg entfliehen mussten.

Fliegerangriffe auf den Bahnhof Forchheim: Was sich 1945 ereignete

Am Bahnhof Forchheim gab es einen Bunker zwischen Gleis 5 und Gleis 6 (Rangiergleis), der bei Arbeiten zur neuen ICE-Strecke am 2. September 2016 freigelegt wurde. Wann er gebaut wurde, ist nicht bekannt. Er war aber wohl für die Aufsichtsbeamten des Bahnhofs Forchheim gebaut worden. Der Bunker bot Platz für drei Personen. Um ihn zu erreichen, musste man ein paar Treppen hinabsteigen.

Beginn der Tieffliegerangriffe

März 1945: Beginn der Tieffliegerangriffe auf Loks und Personenzüge im Gebiet Forchheim.

5. April 1945: Feindliche Flieger werden in Richtung Fränkische Schweiz gemeldet. Sie sichteten den Personenzug Ebermannstadt-Forchheim, der ungefähr um 12 Uhr in Forchheim ankommen sollte. Der Lokomotivführer erkannte den Angriff auf den Zug und brachte diesen zum Stehen. Bevor einer der feindlichen Flieger zum Tiefflug ansetzte, gaben sie durch Winken unzweideutig kund, dass alle vom Zug herausgehen sollen.


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Demzufolge verließ auch das gesamte Bahnpersonal und sämtliche Reisenden den stehenden Zug und gingen in einen nahegelegenen Steinbruch (zwischen Bahnhof Wiesenthau und Kirchehrenbach). Nur der Postbetriebswart Georg Hebentanz blieb bei seiner Ladung. Der Zug wurde zwei Mal angegriffen.

Herumfliegende Splitter

Beim zweiten Angriff wollte Hebentanz noch einen Wertbrief aus dem Paketpostwagen holen. Durch herumfliegende Splitter wurde er so schwer verletzt, dass er am 26. Mai 1945 im Forchheimer Krankenhaus verstarb. Am 15. Juni 1943 hatte er noch seine Silberhochzeit gefeiert. Beim folgenden Tieffliegerangriff wurde die Lokomotive durch die Bordkanonen völlig zerschossen. Neben großen Beschädigungen der Personenwagen wurde der Bahnpostwagen sehr stark beschädigt.

Fliegerangriffe auf den Bahnhof Forchheim: Was sich 1945 ereignete

© Foto: Hermann Meißner

Die wenigen Pakete erhielten Treffer, die Briefpost war durchschossen und Hebentanz selbst (das einarmige Kriegsopfer aus dem Ersten Weltkrieg) wurde der rechte Oberschenkel durchschossen und die rechte Ferse weggeschossen und weiter durch herumfliegende Teile verletzt. Der Zug wurde nach Beendigung des Fliegeralarms mit einer Hilfsmaschine nach Forchheim abgeschleppt. Es war ein grauenhafter Anblick.

Durch Bauchschuss verwundet

6. April 1945: Von 8 Uhr bis 8.30 Uhr schwerster Tieffliegerangriff auf den Bahnhof Forchheim, wobei durch Bordwaffenbeschuss der Zug nach Höchstadt/Aisch schwer getroffen wurde. Friederike Landgraf (18 Jahre), Forchheim, wurde an der rechten Hand schwer verletzt, als sie der durch Bauchschuss tödlich verwundeten 70-jährigen Anna Katharina Konrad, Forchheim, Hilfe leisten wollte. Der Lokomotivführer des Behringersmühler Zuges wurde ebenfalls tödlich getroffen: Ludwig Diller aus Bamberg.

Der Wachtposten der im alten Ladehof stehenden mit Horchgeräten der Wehrmacht beladenen Wagen wurde bei diesem Angriff durch eine Bombe vollständig in Stücke gerissen (Obergefreiter Franz Horbisrath, 23 Jahre). Am selben Tag kamen vier weitere Soldaten ums Leben, von denen einer identifiziert werden konnte.

Abwurf von Kettenbomben

Außerdem wurde durch Abwurf von Kettenbomben der 18 Meter hohe Trägermast der elektrischen Überleitung mitsamt dem Betonsockel ausgerissen und umgeworfen. Das in der Nähe stehende Geflügelhaus des Rottenmeisters Anton Gerstner war vollständig mit allem Geflügel verschüttet. Eine zweite Bombe fiel in der Nähe des Befehlsstellwerkes in die Wiese, ohne größeren Schaden anzurichten.

Der Historiker Manfred Franze aus Ebermannstadt schrieb dazu in der NN-Serie zum Kriegsende vor einem Jahr: "Tiefflieger griffen am 5. und 6. April die Bahnlinien nach Ebermannstadt und Höchstadt an. Ein Postbediensteter starb bei Wiesenthau und sieben Personen im Zug nach Höchstadt, der im Bahnhof Forchheim stand. Forchheim und die Fränkische Schweiz waren bei den insgesamt 16 Luftangriffen auf Nürnberg Anflug- und Sammelgebiet der feindlichen Luftgeschwader, die teilweise mit über 1200 Bombern und bis zu 600 Begleitjägern Angst und Schrecken verbreiteten.

75 Mal Fliegeralarm zwischen 1. Januar und 14. April 1945

Allein zwischen dem 1. Januar und dem 14. April 1945 wurde in Forchheim 75 Mal Fliegeralarm gegeben. Die Bewohner eilten dann in der Regel in ihre Hauskeller oder in den Kellerwald. Am Weißen Sonntag, 8. April 1945, mussten sich die Mädchen – so die Aussage einer Zeitzeugin – auf dem Weg zur Pfarrkirche St. Martin ,in ihrer Kommunionkleidung auf den Boden‘ werfen, weil Tiefflieger im Anflug waren."

14. April 1945: Gegen 14 Uhr näherten sich die ersten Panzer von Buttenheim auf Buckenhofen und Burk zu. Tiefflieger warfen große Mengen von Stabbrandbomben auf den Bahnhof Forchheim, wodurch die Bahnsteigüberdachung in Brand geriet. Auf Gleis 2 war ein Nachschubzug abgestellt, welcher durch Beschuss und Brandbomben zum Teil in hellen Flammen stand. Brandbomben fielen auch in den nördlichen Teil des Bahnhofsgebäudes, wobei die Wohnung des Reichsbahnobersekretärs Uhlig ausbrannte.

Gesamter Eisenbahnverkehr gesperrt

Bahn und Postpersonal (Postluftschutz) war an der Bekämpfung der Brände beteiligt. Die Forchheimer Feuerwehr war an den östlich des Bahnhofs gelegenen Brandplätzen tätig. Das gesamte Bahnpersonal hatte Marschbefehl nach Ingolstadt, war um diese Zeit im Luftschutzkeller untergebracht und wartete auf den Absetzzug, der von Erlangen kommen sollte. Er kam nicht. Gegen 15.30 Uhr kam die Meldung vom Befehlsstellwerk, dass die Truppachbrücke gesprengt worden sei.

Damit war nicht nur der gesamte Eisenbahnverkehr von und nach Nürnberg gesperrt (ebenso der Verkehr Richtung Behringersmühle und Höchstadt/Aisch), sondern es war auch das gesamte Fernsprechnetz zerstört. Kurze Zeit später ging die große Eisenbahnbrücke Richtung Bayreuther Straße in die Luft, so dass der gesamte Straßenverkehr für Fuhrwerke aller Art von Ost nach West vollständig unterbrochen war. Die Bahnunterführung war intakt. Die nördlichen Brückenbogen der vier Gleise waren ebenfalls gesprengt. Amerikanische Pioniere stellten die beiden Notbrücken der Hauptgleise wieder her.

Von Amerikanern besetzt

15. April 1945: Gegen 10 Uhr wurden Post und Bahnhof von Amerikanern besetzt. Die drei als Aufsicht am Bahnhof eingesetzten weiblichen Angestellten wurden beurlaubt und nicht mehr eingestellt: Grete Köppel, Grete Dankert, Amanda Drummer, Vertreterin: Grete Fehn.

15. April 1945: In den folgenden Tagen wurden die beschädigten Brücken notdürftig von amerikanischen Pionieren instandgesetzt. Der Nachschubverkehr rollte wieder in Richtung Bamberg und Nürnberg. Die Fahrdienstleitung lag in den Händen der amerikanischen Truppen (ab 26. Juli 1945) – Bahnstrecke wieder befahrbar.

2. Mai 1945: Deutsches Bahnhofspersonal wurde wieder eingesetzt.

(Mitarbeit: Heidi Amon)

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