Flugzeugabsturz 1961 im Kreis Forchheim: Zwei Brüder erinnern sich an Einsatz

3.4.2021, 07:51 Uhr
Flugzeugabsturz 1961 im Kreis Forchheim: Zwei Brüder erinnern sich an Einsatz

© Repro: Udo Güldner

Auf unsere Recherchen zum Flugzeugabsturz am 28. März 1961 bei Oberrüsselbach haben sich zwei der damaligen ehrenamtlichen Helfer des Technischen Hilfswerkes Forchheim gemeldet. Die Brüder Herbert Schmitt (79) aus Forchheim und Egon Schmitt (77) aus Wiesenthau erzählen in den NN erstmals von einem schrecklichen Einsatz, der alle Beteiligten an ihre körperlichen und seelischen Grenzen brachte.

Morgens um vier Uhr ist es, als es bei Familie Schmitt in der Wiesentstraße 1 an der Haustür klingelt. Draußen steht Oskar Schmelmer, der herumfährt und alle Freiwilligen zusammentrommelt. "Telefon hatten viele damals noch nicht", so Herbert. Vater Johann (1914-1985) und seine beiden noch minderjährigen Söhne Herbert und Egon machten sich auf den Weg ins THW-Hauptquartier.

Flugzeugabsturz 1961 im Kreis Forchheim: Zwei Brüder erinnern sich an Einsatz

© Foto: Udo Güldner

Das befindet sich damals im ehemaligen Pferdestall des Magistratsgebäudes in der Nürnberger Straße 3. Dort sind bereits andere Kameraden eingetroffen, die nun ihr Werkzeug einpacken. In einem geländegängigen Mannschafts-Lastkraftwagen der Marke Borgward geht es eine Stunde später ans östliche Ende des Landkreises. Fahrer ist Manfred Vogler.

"So viele Leichen"

Auf solche Flugzeugabstürze haben sich die THW-Kräfte etwas mehr als ein Jahr zuvor noch vorbereitet. Auf einem Übungsgelände oberhalb der Spinnerei Forchheim simulierte man eine solche Katastrophe. "Es ist aber kein Vergleich, wenn der Ernstfall eintritt", so Egon. Bislang haben die THW-Helfer vor allem technische Hilfe bei Stürmen und Hochwassern sowie bei Felssprengungen geleistet.

Flugzeugabsturz 1961 im Kreis Forchheim: Zwei Brüder erinnern sich an Einsatz

© Foto: Udo Güldner

Aber ein solches Trümmerfeld haben sie noch nicht gesehen. "Da lagen so viele Leichen, da ein Arm, da ein Bein, dort ein Kopf". An einigen Stellen glimmt und raucht es noch, obwohl die Feuerwehren stundenlang gelöscht hatten. Mit einigen Kollegen am Schlauch kommt Egon ins Gespräch. Einer schildert die Angaben eines Augenzeugen, wonach die Passagiermaschine abgedreht sei, um nicht ins Dorf hineinzustürzen.

Untersuchungen der Mediziner

Es gilt, die Unglücksstelle abzusperren, Zelte für die Untersuchungen der Mediziner aufzubauen und eine funktionierende Stromversorgung mittels eines Diesel-Generators aus Bayreuth zu schaffen.

Zur Identifizierung der Toten braucht es neueste Röntgentechnik. "Zudem haben wir in den Schreinereien in Forchheim und Ebermannstadt alle Särge geholt, die wir bekommen konnten." Danach geht es an das Wegräumen der Wrackteile und die Bergung der Toten und ihrer Habseligkeiten.

1000 Einsatzstunden

Fünf Tage lang, von fünf Uhr morgens bis elf Uhr nachts schuften die THW-Leute fast pausenlos. Nachts geht es für ein heißes Bad und einige Stunden Schlaf nach Hause. Schließlich hat das Wetter mit Kälte, Regen und Schnee den Freiwilligen zugesetzt. Am Ende sind es knapp 1000 Einsatzstunden, die auch während der Osterfeiertage geleistet werden.

"Daneben mussten wir ständig spionierende Amerikaner und aufdringliche Schaulustige verscheuchen." Die einen hätten sich besonders für die Triebwerkstechnik und die Diplomatenpost interessiert. Die anderen wollten einen Blick auf das Geschehen erhaschen oder sich sogar ein Souvenir sichern.

Souvenir-Jäger verscheuchen

"Es gab Motorradfahrer, die durch die Absperrung kamen, um sich ein Stück des Flugzeugs mitzunehmen." Die schlimmste Aufgabe für die Ehrenamtlichen aber ist die Bergung der Leichen – oder das, was davon übrig ist. "Einen Fall habe ich nicht verkraftet. Georg Schmitt kam mit Tränen in den Augen auf mich zu, mit einem Kissen in den Händen. Darin lag ein Baby", so Herbert.

Allerdings sei das Kind so stark verbrannt gewesen, dass es ihm als Asche durch die Finger gerieselt sei. Solche und andere Anblicke kann nicht jeder so einfach wegstecken. Der noch minderjährige Helmut Gerlach meldet sich nach einem Tag voller Schrecken ab. "Das haben wir sehr gut verstanden." Das Rote Kreuz kümmert sich um die Verpflegung der Einsatzkräfte. "Großen Appetit auf die Weißwürste hatten wir allerdings nicht."

Zweifel an den offiziellen Berichten

Was die offiziellen Berichte angeht, haben die Schmitts so ihre Zweifel. Sie haben vor Ort nicht nur die eine 9mm-Pistole gesehen, die in den Papieren auftaucht. "Da war noch eine zweite Waffe, die später verschwunden ist." Zudem hätten in beiden Magazinen insgesamt drei Patronen gefehlt. "Wir merkten, dass da etwas nicht passt."

In der Maschine hat sich nach Herberts Überzeugung ein Drama abgespielt. Dafür spräche auch die Behauptung der Schmitts, es habe nicht nur 52 Tote an Bord gegeben, sondern 54. "Zwei tote Körper sind in keinem Bericht aufgetaucht." Man hätte ihnen aber ein Schweigegebot erteilt. Daran haben sich die Schmitts sechs Jahrzehnte lang gehalten – bis heute.

Furchtbare Erlebnisse nicht vergessen können

Die Schmitts haben die furchtbaren Erlebnisse auf dem Acker bei Oberrüsselbach nicht vergessen können. "Den Geruch verbrannten Menschenfleisches bekommt man nicht mehr aus dem Kopf." Sie haben aber ihren Dienst weiter getan. So auch zwei Jahre später, als sich bei Oesdorf der Absturz eines Kleinflugzeuges der Marke Mooney M20 mit vier Toten ereignete.

Herbert weiß noch: "Die Maschine war kopfüber in den Waldboden gerast." Er habe bemerkt, dass die Opfer durch den Aufprall zusammengepresst worden seien. Die Bergung der Leichen habe aber erst abends stattfinden können, im gespenstischen Licht der Scheinwerfer. "Wir mussten warten, bis die Ermittler aus Braunschweig da waren."

Die Liste der THW-Helfer an der Absturzstelle: Georg Schmitt, Oskar Schmelmer, Helmut Gerlach, Uwe Seiler, Manfred Vogel, Paul Schmelmer, Egon Schmitt, Herbert Schmitt, Fritz Fuchs, Helmut Kalbfleisch, Ludwig Bächle, Hans Stöhr, Johann Schmitt, Georg Ziegler.

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