Forchheim: Diskussionen um dunkelhäutige Trachtenträgerin

26.9.2017, 20:00 Uhr
Dies ist die "nachgebesserte" Version des beanstandeten Motivs.

© Roland Huber Dies ist die "nachgebesserte" Version des beanstandeten Motivs.

Im April dieses Jahres war es. Wie immer hatte Susanne Fischer vom Pfalzmuseum Forchheim kräftig die Werbetrommel gerührt. Schließlich sollte ihr Haus ein Wochenende lang Mittelpunkt der Trachtenfreunde aus ganz Oberfranken sein. Der Fotograf Walther Appelt aus Marloffstein hatte einige „aus dem Augenblick heraus entstandene Bilder“ für den Werbeflyer geliefert. Darunter eines, das die Kunsthistorikerin begeisterte, weil es „ein echter Hingucker“ war und besonders jüngere Besucher ansprechen sollte.

„Wenn wir nicht neue Wege im Trachtenwesen gehen, dann ist das Thema in spätestens 20 Jahren tot.“ Von der plötzlich besonders bei älteren Bürgern und Trachtentraditionalisten ausbrechenden Diskussion, das Bildmotiv sei „frauenfeindlich“, „sexistisch“, „rassistisch“ oder bediene „überholt geglaubte koloniale Muster“, sei sie „völlig überrascht“ worden, so die Leiterin des Pfalzmuseums. Schließlich gebe es ähnliche Fotos auch in großen Werbekampagnen von Senfherstellern, Getränkemärkten oder Textilmarken.

Walther Appelt, Susanne Fischer, Kirsten Hendricks und Martin Leipert (v.li.) diskutierten das umstrittene Motiv, das im Hintergrund zu sehen ist.

Walther Appelt, Susanne Fischer, Kirsten Hendricks und Martin Leipert (v.li.) diskutierten das umstrittene Motiv, das im Hintergrund zu sehen ist. © Udo Güldner

Der Fotograf habe mit den Klischees aus Heimat und Tradition spielen, ja sie durchbrechen wollen, so Kirsten Hendricks von der Universität Bamberg. Deshalb habe er nicht nur ein Geweih in die deutsche Hecke gehängt, sondern in das Bierglas kein Bier, sondern Milch gefüllt.

„Hätte die dunkelhäutige Frau in ihrer farbenfrohen Tracht eine selbstbewusste ,Ich gehöre auch dazu‘-Botschaft verbreitet, es wäre ein tolles Signal gewesen,“ so die Ethnologin. Immerhin war der Rassismus-Vorwurf schon nach wenigen Minuten vom Tisch. Alle waren sich einig, dass die Kritik nichts mit der Hautfarbe des Models zu tun hätte.
Walther Appelt erklärte, ihm sei es um Kontraste gegangen, nicht darum, laszive Blicke und Posen zu inszenieren, die man übrigens nicht finde. Deshalb trage das Model, eine Bekannte des Künstlers, auch eine moderne Punk-Tracht der Designerin Sandra-Janine Müller aus Ichenhausen.

Walther Appelt meinte, nun müssten neue Ideen das Ganze beleben. Er hätte niemanden diskriminieren wollen und habe deshalb in seinem Bildaufbau auch „keinen sexuellen Zusammenhang“ gesehen.

Scharfe Kritik von Männerseite

Einer der schärfsten Kritiker war Martin Leipert, Student an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied der Jusos Forchheim. Er sprach davon, bei dem Lippenlecken handle es sich um „eine Geste, die Männern die Bereitschaft der Frau zu leichtem und schnellem Sex signalisiere“.

Aus dem fast ausschließlich weiblichen Publikum kam die Frage: Was wäre denn gewesen, hätte es sich um einen Mann gehandelt? Ist die Frau zum Objekt degradiert oder strahlt sie eine starke Persönlichkeit aus? Hätte man wieder eines der harmlosen historischen Plakate machen sollen?

Noch im Frühjahr hatte Susanne Fischer reagiert und auf die Werbemittel ein zweites Bild drucken lassen, das sich nur in einem Detail vom umstrittenen Bild unterschied: Das Model leckt sich nicht die Lippen, sondern lacht den Betrachter selbstbewusst an. Damit hatte kein Besucher der von Christian Porsch vom Bezirk Oberfranken moderierten Veranstaltung ein Problem. Nur eine Dame störte sich daran, dass im Bierglas kein Bier sei, sondern Milch. Die sachliche Auseinandersetzung brachte die Erkenntnis: Jeder sieht die Welt mit eigenen Augen.

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