Forchheim: Ein Dach über dem Kopf und eine Heizung

16.2.2018, 05:55 Uhr
Forchheim: Ein Dach über dem Kopf und eine Heizung

© Jana Schneeberg

Eine Wohnungsbesichtigung in Hausen. Zwei Zimmer, Küche, Bad in einem kleinen Mehrfamilienhaus, nichts Besonderes. 450 Euro Warmmiete, bezahlbar. Der Vermieter, ein Privatmann.

Als Ulla Bork zum vereinbarten Besichtigungstermin kommt, ist sie nicht die Einzige. Im Gegenteil: "Es waren bestimmt 50 Bewerber", erzählt sie. "Die Schlange ging bis raus auf die Straße."

Ob sich die Rentnerin vorstellen konnte, dort zu wohnen? "Darum ging es gar nicht", meint sie. Bei einem Termin wie diesem gehe es vielmehr darum, beim Vermieter einen guten und vor allem solventen Eindruck zu hinterlassen. Um es vorweg zu nehmen: Ulla Bork hat diese Wohnung nicht bekommen. Und so bitter es klingt: Sie hatte es schon geahnt. "Wenn die Vermieter hören, wie viel Geld ich im Monat zur Verfügung habe, hat sich die Sache meistens schon erledigt. Oft bekomme ich die Absage schon am Telefon." Dass sie immer ihre Miete bezahlt habe und noch nie auf staatliche Hilfe angewiesen war, interessiert nicht. Auch nicht, dass das geringe Einkommen die Folge einer Erkrankung ist.

Ulla Bork, gelernte Bankkauffrau und Mutter von zwei Kindern, ist 42 Jahre alt, als sie 1997 am Augenmuskel erkrankt. Der Muskel versagt die Arbeit, aus eigener Kraft kann sie ihre Augenlider nicht mehr öffnen. "Ich war funktional blind", erzählt die heute 62-Jährige. Sie musste aufhören zu arbeiten. Erst Jahre später fanden die Ärzte eine Therapie gegen ihr Augenleiden. "Sie spritzen Botox in den Muskel, seitdem kann ich wieder sehen." In der Zwischenzeit kamen jedoch weitere chronische Erkrankungen wie Rheuma dazu.

Seit ihrem 45. Geburtstag erhält Ulla Bork deshalb eine Erwerbsunfähigkeitsrente. 930 Euro seien das im Monat. Zu viel, um Wohngeld oder Grundsicherung zu beantragen. Und zu wenig, um eine Miete jenseits von 400 Euro zu finanzieren. Und die Anzahl der Wohnungen in diesem Preissegment lassen sich an einer Hand abzählen.

Suche im Internet

Das weiß man sofort, wenn man in den Internetportalen nach einer Ein- bis Zwei-Zimmer-Wohnung in Forchheim und den Nachbarorten sucht und dabei 400 Euro als maximale Miete eingibt. Das Ergebnis: Bei immowelt.de erscheinen vier Wohnungen, eine in Forchheim, eine in Effeltrich, zwei weitere liegen schon außerhalb des Landkreises. Und auch bei den anderen Portalen sieht es nicht besser aus.

Einzig weitere Option: eine Ein-Zimmer-Wohnung mit 31 Quadratmetern im neu gebauten Brauhaus in der Stadtmitte gibt es für 350 Euro Kaltmiete, zuzüglich Nebenkosten. Der Quadratmeter-Preis beträgt damit etwas über elf Euro.

Das ist hoch. Das bestätigt Martina Hübner, Immobilienmaklerin in Forchheim. Die Durchschnittskaltmieten für Wohnungen, die sie als Mietobjekte hereinbekommt, lägen bei 7,50 Euro pro Quadratmeter, sagt sie. Bei einer Zwei-Zimmer-Wohnung mit 50 Quadratmetern käme man dabei immerhin auf 375 Euro. Für Ulla Bork machbar. Und trotzdem kann die Immobilienmaklerin in Fällen wie ihrem kaum weiterhelfen. "Die günstigen Wohnungen landen oft nicht bei Maklern, da versuchen es die Eigentümer eher über private Anzeigen", erklärt sie.

Sie vermittele eher Wohnungen in den neu gebauten Anlagen im Stadtgebiet. "Und die Mietpreise dort sind nun einmal wesentlich höher." Das bedeute nicht, dass nur noch Luxus-Wohnungen gebaut würden, möchte die Maklerin festhalten. Doch die energetischen Vorschriften seien hoch. Dazu käme noch die hohe Auslastung der Unternehmen in der Baubranche. "Günstig bauen geht heutzutage fast gar nicht mehr."

Auf der Warteliste

Angesichts dessen bleibt für Mietinteressenten mit kleinem Geldbeutel deshalb oft nur eine Option: sich bei den Forchheimer Wohnungsbaugenossenschaften auf die Warteliste für eine Wohnung setzen zu lassen. Und die ist lang: 470 Haushalte sind dort momentan verzeichnet (wir berichteten). "Natürlich finden einige zwischenzeitlich etwas anderes", sagt Wolfgang Bonengel, Geschäftsführer der Wohnungsbaugenossenschaft WVG. Doch mindestens ein halbes Jahr, in den meisten Fällen sogar ein Jahr und länger, müssten Interessenten auf eine passende Wohnung warten. Dafür liegt die Höchstmiete bei den öffentlich geförderten Neubauten bei sieben Euro pro Quadratmeter, in den älteren Wohnanlagen häufig darunter.

Der Bestand jedoch hat Grenzen. "Wir als Genossenschaften haben leider keinen Vorrat an Grundstücken, die wir im Bedarfsfall bebauen können, wir können es nur über Nachverdichtung regeln", so Bonengel. Und selbst da seien die Grenzen schon erreicht.

Dennoch sendet er deutliche Hoffnungssignale an alle Suchenden in der Stadt: "Der Stadtrat hat einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung gemacht, in dem er bei künftigen Neubaugebieten einen gewissen Anteil an sozial geförderten Wohnbau fordert." Bei der Bebauung des Pointäckers in Kersbach und auch auf dem Jahn-Gelände soll das der Fall sein.

Entlastung auf dem Wohnungsmarkt bringt das jedoch erst in ein paar Jahren. Rentnerin Ulla Bork will bis dahin längst eine Wohnung gefunden haben. Hohe Ansprüche hat sie nicht mehr. "Die haben sich verflüchtigt", sagt sie. Ein Dach über dem Kopf und eine warme Heizung, mehr müsse es nicht sein.

2 Kommentare