Forchheim: Ein Gespenst sucht seinen Erlöser

13.6.2019, 14:00 Uhr
Forchheim: Ein Gespenst sucht seinen Erlöser

© Foto: Udo Güldner

Damit hatte das Gespenst von Canterville nicht gerechnet. Nachdem es 300 Jahre lang jeden Bewohner aus den Schlossmauern vertrieben hat, rücken ihm nun Amerikaner sehr nahe. Die Familie des Botschafters Otis (Benjamin Crane) ist schon einiges gewohnt: Schreckliche Dosenlimo etwa.

Doch weil die Aussicht gefällt, will man sich mit dem alteingesessenen Poltergeist arrangieren. Auf dass er sich ein neues Domizil sucht und einen beim Frühstück nicht mehr belästigt. Bald zeigt sich, dass das Schloss nicht groß genug ist für alle Parteien. Man versucht, das Gespenst mit Wildwest-Methoden loszuwerden.

Grelle Kostüme aus Sternen und Streifen, belangloses Geplapper in Endlosschleife und Überfälle mit Wasserpistolen sowie das Geschrei von Mrs. Otis (Johanna Förster) sollen dem Leiblosen den Garaus machen. Der Zusammenprall der Alten mit der Neuen Welt hat zwei Jahre nach Oscar Wilde auch Mark Twain beschäftigt. Er brachte die Satire "Ein Yankee am Hofe des König Artus" heraus. Nach Ansicht mancher Leser war sie schärfer.

Doch zurück zu Wilde. Da darf ein Cowboy mit Lasso die mittelalterlichen Ritter um den Finger wickeln. Kleiner Funfact am Rande: Als die Familie Otis sich die Statuen in der Schlossgalerie ansieht (Nil-Deniz Duman, Sophia Kunst, Caroline Elsäßer), trägt eine der antiken Figuren tatsächlich Nike-Socken. Als ob die gleichnamige Siegesgöttin selbst ihren Fuß im Spiel gehabt hätte.

Unbeschwerte Wesen

Es ist ein Symbol dafür, mit welcher Unbefangenheit man jenseits des Atlantiks auf abendländische Traditionen blickt. Dafür ist der sich ständig kämmende Sohn Washington (Maxim Soutschek) das beste Beispiel. Die Fassade ist alles.

Die Haushälterin Wynton Miller (Arzu Gezici) hat alle Hände voll zu tun, um die Ordnung in den düsteren Gewölben zu erhalten. Überall wartet sie mit Hausschuhen auf Besucher (Greta Beckenbach, Leni Buschhaus, Rebecca Ferdinand), damit die nicht das Parkett zerkratzen.

Wäre ihr der unglückliche Untote (Valery Zaruba) begegnet, auch ihm hätte sie Einhorn-Puschen übergestreift. Dabei sieht der ehemalige Lord eher wie ein Mönch aus. Seine vom Tüv-geprüfte rasselnde Kette beeindruckt weder die Erzählerin (Giorgina Krause), noch den Lichttechniker (Emil Saam). Sonst hätte der Scheinwerfer deutlich häufiger gezittert. Kein Wunder: War es doch kein Mord aus Eifersucht, der ihn verdammt hat, sondern schnöde Rache dafür, dass seine Gattin ihn so schlecht behandelt hat und keinen Schokokuchen gebacken hatte.

Hat die Erzählung anfangs noch satirische Momente, wechselt das Genre bald ins Melodram. Schließlich spielt das alles Ende des 19. Jahrhunderts, als Oscar Wilde dem Gespenst in Canterville über die Flure folgte. Nun wird ein Ding gesucht, das durch bedingungslose Liebe für Erlösung sorgt. Oscar Wilde setzt ein unschuldiges Wesen mit Helfer-Syndrom ein, das den Geist durch Beten und dank der Tränen befreit.

Virginia (Romy Pfister) ist die Retterin im Stück. Regisseur Bernd Pilipp findet hier noch einen netten Gag und weist sämtlichen Otis-Kindern (Hannah Schubert, Jasmin Madl) Namen von US-Bundesstaaten zu. Da kommt dann auch Montana ins Spiel.

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