Forchheim: Goldbach-Ensemble fängt Vivaldis Jahreszeiten ein

25.5.2019, 12:00 Uhr
Forchheim: Goldbach-Ensemble fängt Vivaldis Jahreszeiten ein

© Foto: Udo Güldner

Normalerweise kennt das Publikum so programmatische Musik eher aus der Romantik. Da gibt es Antonin Dvoraks "Moldau" und Claude Debussys "La Mer" doch auch hundert Jahre zuvor hat es bereits im Barock den Versuch gegeben, literarische Landschaften in Töne zu fassen.

So eben Antonio Vivaldis Violinkonzerte, die als "Die Vier Jahreszeiten" bekannt geworden sind. In dem vom Goldbach-Ensemble gespielten Sommer herrscht erbarmungslose Hitze. In den Wäldern fangen die Pinien Feuer. Und sogar die Saiten des Goldbach-Ensembles scheinen zu glühen. Erst als Vivaldi die Streicher ein sanftes Lüftchen herbeisäuseln lässt, regen sich Bratsche und Geige.

Ein Kuckuck ist zu hören, dann eine Taube, schließlich ein Distelfink. Letzterem Singvogel widmete Vivaldi einige Jahre später gar ein ganzes Konzert. Weil sich pastorale Szenen Anfang des 18. Jahrhunderts einiger Beliebtheit erfreuten, darf ein Hirte nicht fehlen. Axel Stutz und Ulrike Schreyer an den Violinen, Jutta Schnabel mit der Bratsche, Andrea Herzog am Cello und Frank Ermer hinter dem Kontrabass verfinstern das Firmament. Schließlich künden Blitz und Donner die beinahe biblischen Plagen: Schwärme von musikalischen Mücken, die das Unwetter aufgescheucht hat, schwirren durch die Gegend.

Dass die Ähren auf dem Felde auch solche Sommer überstehen, kann man wenig später an den hüpfenden Bögen hören. Da taumeln einige Bauern umher, die beim herbstlichen Erntedankfest allzu tief ins Weinglas geblickt haben.

Solo-Geigerin Raphaela Debus von der Musikhochschule Stuttgart behält trotz bacchantischer Begeisterung einen klaren Kopf und singt selbst die nüchternen Zuhörer in einen beglückenden Schlummer. Dazu bedient sie sich der Bariolage-Technik, um mittels eines raschen Wechsels von leerer und gegriffener Seite eine möglichst reichhaltige Resonanz zu erzeugen. Eine Art herbstlicher Klang. Die rebensüßen Träume stört einzig die Jagd, die mit Hörnerschall und Hundegebell den grauenden Morgen eröffnet. Den Flinten kann das flüchtende Wild nicht lange entkommen. Von überall her scheinen die Schüsse zu kommen – das Echo der präzisen Klänge verrät es.

Dann erzählen Michaela Kratzer und die Dissonanzen von klappernden Zähnen, eisigen Stürmen und durch den Schnee stapfenden Füßen. Als ob Vivaldi einen Blick auf Pieter Breughels des Älteren "Winterlandschaft" geworfen hätte.

Vorsichtig tastet sich Lukas Meuli auf dem kompositorischen Eis voran. Kein Taktstock hilft ihm dabei. Nur die Akkorde halten ihn über der zerbrechlichen Oberfläche. Dafür sind es die Sechzehntel-Noten, die sich im Kreise drehen, ganz wie die Eisläufer und mitunter das Goldbach-Ensemble in Unruhe versetzen. Wenn sich doch Risse zeigen unter ihren Füßen.

Zuletzt weichen Winterstürme dem Wonnemond – das hätte zumindest ein gewisser Siegmund gesungen, dem Richard Wagner das in seiner "Walküre" in den Heldenmund gelegt hat. Die Schneeschmelze lässt die Quellen und Bäche murmeln. Der milde Frühlingshauch erweckt all die Vögel zum Leben. Ein Schäfer wandelt durch die erblühende Natur, ihm zur Seite sein noch frühjahrsmüder Hund.

Mit tänzerischen Tönen, die fast schon Beethoven vorwegnehmen, enden "Die Vier Jahreszeiten", die zwischendurch von Franziska Schreyer und ihrer Blockflöte umspielt worden waren. Das Goldbach-Ensemble darf nächstes Jahr ruhig wiederkehren. Das machen Frühling, Sommer, Herbst und Winter ja auch.

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