Forchheim: Grauer Riese riecht immer noch nach Schoko

29.5.2018, 15:58 Uhr
Forchheim: Grauer Riese riecht immer noch nach Schoko

© Martin Regner

Bei Joachim Schmitz weckt das alte Müllauto Kindheitserinnerungen. Dass ein Müllwagen überhaupt so alt wird, ist an sich schon außergewöhnlich genug.

Der graue Mercedes-Benz vom Typ LP 1513 trägt einen Drehtrommel-Aufbau von Kuka und hat sein für Nutzfahrzeuge schon fast biblisches Alter von 45 Jahren auf dem Werksgelände der Firma Piasten erreicht.

Dort fuhr Walter Woschke damit einmal am Tag um das Fabrikgebäude herum und sammelte allen Abfall ein, der eben so anfiel. Wenn die Trommel voll war, ging es ab zur Deponie zum Ausleeren. 45 Jahre lang gehörte der graue Müllwagen so zum Forchheimer Straßenbild. Dieses beschauliche Dasein hätte auch noch lange so weitergehen können, wenn, ja wenn nicht vor rund zwei Monaten plötzlich der Motor kaputt gegangen wäre.

In der Werkstatt stellten die Mechaniker fest, dass die Nockenwelle gebrochen war und sich eine Reparatur kaum mehr lohnen würde. Schnell fiel bei Piasten der Entschluss, den altgedienten Lkw an einen Schrotthändler zu verkaufen. Damit hätte die Geschichte des Müllwagens zu Ende gehen können. Er wäre dann zwar erst rund 30 Jahre später verschrottet worden, als die meisten anderen Entsorgungsfahrzeuge aus den 1970er-Jahren. Aber im Schrott wäre er wohl zum Schluss trotzdem gelandet.

Ein Forchheimer Oldtimerliebhaber verhinderte dieses Schicksal: Der Mann wusste von dem raren Stück und der Ausmusterung bei Piasten und machte die Fangemeinde für historische Nutzfahrzeuge auf den grauen Lkw aufmerksam. Als erster Interessent meldete sich Johannes Schmitz, der in Bedburg bei Köln einen Entsorgungsbetrieb mit Containerdienst betreibt. Von dem Forchheimer LP 1513 war Schmitz spontan begeistert: "Als mein Vater im Jahr 1971 die Firma aufgemacht hat, hat er als erstes genau so einen Müllwagen gekauft. Damals war ich gerade ein Jahr alt."

Johannes Schmitz erinnert sich, dass der erste Müllwagen seines Vaters bis 1983 im elterlichen Betrieb blieb, dann wurde das Fahrzeug veräußert. Zum Schmitzschen Firmenfuhrpark gehört heute eine ansehnliche Sammlung orange lackierter Nutzfahrzeug-Oldtimer. Und eigentlich ist der Entsorgungsunternehmer überzeugter Anhänger der Marke MAN: "Ich hatte mir vorgenommen: Auf den Hof kommt kein Lkw mit Stern mehr", erklärt Schmitz lachend. Doch bei dem grauen Mercedes-Benz aus Forchheim konnte er dann doch nicht widerstehen. Schließlich hatte ja der Vater vor fast 50 Jahren mit genau dem gleichen Modell sein Unternehmen begründet.

Der Schrotthändler, der den Müllwagen von Piasten erworben hatte, ließ sich erweichen und gab den alten Wagen zu einem akzeptablen Preis ab. Letzte Woche wurde er auf einen Tieflader geschoben und machte sich auf den Weg Richtung Bedburg.

Dort sah Johannes Schmitz am Wochenende seine Neuerwerbung zum ersten Mal. Und er ist zufrieden: "Für das Alter ist der Zustand super. Und für einen Müllwagen riecht der sogar sehr gut, weil hinten an der Pressschnecke alles voll mit Zucker und Schokolade klebt."

Als nächstes will Schmitz sich dem kaputten Motor widmen, um den Lkw wieder fahrbereit zu bekommen. Der Nachwelt bleibt damit ein besonderes Stück Nutzfahrzeug-Geschichte erhalten. In der Nutzfahrzeug-Oldtimerszene werden sonst vor allem Kipper, Fernverkehrs-Pritschenwagen und Feuerwehrfahrzeuge gesammelt und restauriert. Historische Lkw mit Sonderaufbauten wie Betonmischer, Tankwagen und Müllautos dagegen sind richtige Seltenheiten.

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