Schwester im Erzgebirge

Forchheim in Sachsen: Das Dorf mit der ganz besonderen Kirche

15.7.2021, 06:03 Uhr
Ein Blick in den unteren Teil des Dorfs Forchheim, das im waldreichen Erzgebirge in Sachsen liegt und zur Stadt Pockau-Lengefeld gehört.

© Stadtverwaltung Pockau-Lengefeld Ein Blick in den unteren Teil des Dorfs Forchheim, das im waldreichen Erzgebirge in Sachsen liegt und zur Stadt Pockau-Lengefeld gehört.

Auf die Frage, ob es in Forchheim womöglich Einkaufmöglichkeiten, Gaststätten oder größere Betriebe gibt, lacht Arnold bitter auf: "Da gibt es ein paar kleine Handwerker und dann viel Nichts." Um das zu verstehen, müsse man in die Forchheimer Geschichte blicken, erklärt Arnold weiter: "Die Besiedelung von Forchheim erfolgte, indem man im Wald Flächen auf der einen Seite des Baches abgemessen hat. Im unteren Bereich des Dorfes hatte sich um 1850 herum durch die Nutzung der Wasserkraft eine gewisse Industrie angesiedelt." Ein vielversprechender Anfang, doch dann sollte alles anders kommen.

Auf 550 Einwohner geschrumpft

Die nahe Stadt Chemnitz nämlich, Luftlinie rund 30 Kilometer entfernt, wollte ihre Trinkwasserversorgung etwa ab der Jahrhundertwende auf sichere Füße stellen. Dazu wurde zwischen 1929 und 1933 die Talsperre Saidenbach errichtet. Es entstand dahinter ein Stausee mit einer Wasserfläche von rund 146 Hektar Oberfläche – der größte Stausee im mittleren Erzgebirge. Dafür weichen mussten allerdings das Forchheimer Industriegebiet und fünf große Mühlen: "Das wurde damals alles platt gemacht. Das waren 200 bis 300 Arbeitsplätze."

Das Forchheimer Feuerwehrdepot von 1927 steht unter Denkmalschutz und ist laut Friedemann Arnold als Modellbausatz für Modelleisenbahnen erhältlich.

Das Forchheimer Feuerwehrdepot von 1927 steht unter Denkmalschutz und ist laut Friedemann Arnold als Modellbausatz für Modelleisenbahnen erhältlich. © Foto: Stadtverwaltung Pockau-Lengefeld

Der Verlust der Industrie und der Bau der Talsperre führten laut Arnold dazu, "dass Forchheim zu einem sogenannten Schwunddorf deklariert wurde." Das Trauma, das durch den Bau der Saidenbach-Talsperre entstanden ist, "hat Forchheim bis heute nicht verwunden." Der letzte Lebensmittelladen schloss Mitte der 1990er-Jahre nach der Wende seine Pforten - wahrscheinlich für immer. Von ursprünglich rund 1800 Einwohnern schrumpfte die Ortschaft seit dem Bau des Stausees auf nur noch 550 heute. Das Lebensgefühl im Forchheim des Jahres 2021 beschreibt Friedemann Arnold zwiespältig: "Es ist für mich persönlich eine Mischung aus Enttäuschung und einer liebenswerten Heimat."


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Denn Forchheim hat aus Arnolds Sicht durchaus seine Reize: "Forchheim ist ein stilles Dorf, das aber einen großen Charme hat." Etwa durch eine recht aktive Kulturszene in der Kirche, in der auch eine echte Silbermann-Orgel steht. Gebaut wurde das Instrument anno 1726 von Gottfried Silbermann, der als einer der bedeutendsten deutschen Orgelbauer der Barockzeit gilt. Die vom Kirchenbaumeister George Bähr errichtete Kirche von Forchheim ist allerdings auch noch aus einem ganz anderen Grund überregional bedeutsam: "Man weiß, dass Bähr das Prinzip des freitragenden Dachreiters bei unserer Kirche ausprobiert hat, um es später in der Dresdner Frauenkirche umsetzen zu können." Als die im Zweiten Weltkrieg zerstörte Frauenkirche in Dresden nach der Wende rekonstruiert worden ist, seien die Kirchenbauhistoriker ins sächsische Forchheim gereist, um die Konstruktion für den Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche zu studieren, erzählt Arnold.


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Rund um Forchheim wird Land- und Forstwirtschaft betrieben. Die Landschaft, in der das Dorf liegt, "ist wunderschön, das ist das waldreiche Erzgebirge", sagt Arnold. Das Dorf sei dennoch seit dem Bau der Talsperre, die Arnold als "Strafe" für die Forchheimer bezeichnet, gekennzeichnet durch "fehlende Antriebskraft" nach dem Motto: "Es hat eh keinen Zweck mehr". Es gebe auch relativ wenig Tourismus in der Gegend, aber zumindest seit rund 20 Jahren einen jährlichen Weihnachtsmarkt, der am zweiten Adventswochenende rund um die Kirche stattfindet. Die Feuerwehr zelebriert immer am 30. April ein Maibaum-Fest – zumindest, wenn gerade kein Corona ist.

Das ehemalige Schulhaus, das jetzt eine KiTa und ein Vereinshaus beherberg, enthält eine kleine Ausstellung zur Geschichte des Dorfes Im Gegensatz zum "großen" Forchheim in der Fränkischen Schweiz, das Arnold nur aus der Ferne bekannt ist, ist im "kleinen" Forchheim also nur wenig los: "Einen Besuch in der Stadt Forchheim habe ich leider noch nicht geschafft. Aber die fränkische Region mag ich persönlich sehr", meint Arnold.

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