So soll das Forchheimer Kino eine "Wohnzimmeratmosphäre" kriegen

13.5.2019, 16:00 Uhr
Martin Hebendanz (re.) hatte dieses Mal Glück und sicherte sich einige der begehrten Kinosessel. Die Nachfrage war groß und mancher ging am Samstag mit leeren Händen nach Hause.

© Patrick Schroll Martin Hebendanz (re.) hatte dieses Mal Glück und sicherte sich einige der begehrten Kinosessel. Die Nachfrage war groß und mancher ging am Samstag mit leeren Händen nach Hause.

Und sie hat keine gute Nachricht im Gepäck. "Ich kann nicht versprechen, dass noch Stühle übrig bleiben." 447 davon standen über Jahrzehnte im größten der drei Kinosäle im Kinocenter Forchheim.

Am Samstagmorgen herrscht am Notausgang des Union stressiges Treiben. Sitzreihen mit Kinostühlen werden herausgetragen, in Autos oder gleich auf dem Anhänger verfrachtet. Auch Martin Hebendanz hievt insgesamt zehn Sitze in seinen Transporter. Für sich und für Freunde. Im Internet hat er vom Verkauf der Sitze erfahren. Für fünf Euro das Stück holt sich Hebendanz das Kinoflair nach Hause. „Für ein extra Kino- oder Fußballzimmer“, hat sich Hebendanz kurz vor 11 Uhr noch rechtzeitig in die Reihe der Kinoliebhaber eingereiht, um nicht leer auszugehen wie einst 2013.

„Bitte nicht böse sein“

Damals tauschte das Kino 265 smaragdfarbene Sessel aus. Der Andrang war ähnlich groß wie jetzt, sechs Jahre später. Auch dieses Mal gehen einige Wartende leer aus. „Sie sollen mir bitte nicht böse sein“, sagt Dengler-Redlin am Nachmittag im Gespräch mit den NN. „Wir haben mit dem Andrang nicht gerechnet und sind regelrecht überrannt worden.“

2019 ist das Union mit einer Überholung an der Reihe. Über 100.000 Euro investiert der Familienbetrieb in einen neuen Boden und neue Stühle. „Wir wollen mehr Komfort bieten.“ Die Sitzflächen klappen nicht mehr aus, sondern stehen fest. Auf den neuen Polstern sollen sich Kinobesucher mindestens genauso wohlfühlen wie auf dem Sofa zu Hause.

Mehr Komfort für die Zuschauer verspricht sich Dengler-Redlin auch vom breiteren Reihenabstand. Der sei heutzutage Standard und gewünscht. Sie verzichtet dafür auf rund 100 Stühle. 350 Zuschauer statt 447 passen in das neue Union. Das ist eine Ausnahme: „Im Apollo oder Domino können wir auf keinen Stuhl verzichten.“ Dort finden 264 und 106 Zuschauer Platz.

Doch bevor die neuen Stühle im Boden verschraubt werden, müssen Bodenleger ans Werk. Sie fräsen den alten Belag heraus und verlegen einen neuen Untergrund. Der sei zwar unkaputtbar gewesen, doch neue Stühle bedingen einen neuen Untergrund, weil die neuen Sitze nicht an den alten Stellen in den Boden verschraubt werden können. Die bisherige Noppenoptik verschwindet. Der neue Boden in Holzoptik soll für eine wohnliche Atmosphäre sorgen.

Vier rund 15 Zentimeter lange Schrauben mussten fleißige Helfer mit viel Kraft und mancher Schweißperle auf der Stirn je Stuhl am Samstag aus der Verankerung lösen. Um 7 Uhr sind Familie und Freunde angerückt, um Manuela Dengler-Redlin unter die Arme zu greifen. Auch das Parkett und die Treppe im Foyer erhalten eine Überholung. Handwerker schleifen beides ab und lassen es neu ein.

Deluxe geht nur mit höheren Preisen

Für den Umbau im Union-Saal veranschlagt die Kinochefin drei Wochen, so lange bleibt die Leinwand dort im Dunkeln. In den beiden anderen Sälen flimmert der Filmbetrieb wie gewohnt weiter. Den größten Saal mit dem Interieur aus Ende der 80er Jahre zu überholen ist für den Familienbetrieb eine große Investition. „Doch wie in jedem anderen Geschäft muss man versuchen, am Ball zu bleiben und Investitionen zu tätigen“, sagt Dengler-Redlin. Aufschieben bringe nichts. „Das ist dann irgendwann nicht mehr stemmbar.“ In den nächsten Jahren werde eine neue Generation Projektoren ins Haus einziehen. Und die sind nicht für lau zu haben.

Die Konkurrenz globaler Streaming-Anbieter fürchtet Dengler-Redlin nicht. „Filme wie Avengers zeigen, dass die Leute ins Kino kommen, wenn sie ein Streifen interessiert.“ Der US-Blockbuster hat in den ersten Tagen weltweit 1,2 Milliarden Dollar eingespielt – ein Rekord.

Dem Trend großer Kinoketten, Deluxe-Säle oder Bereiche einzurichten, in denen der Zuschauer in einer Art Wohnzimmersessel und großzügigem Beistelltisch für Essen und Getränke das Geschehen auf der Leinwand verfolgt, will Manuela Dengler-Redlin in Forchheim nicht nacheifern. „Wir wollen unsere Preise halten und für alle spielen, auch für diejenigen mit einem kleineren Geldbeutel.“ Diese Familientradition ist bei den Denglers fest verankert, neue Stühle hin oder her.

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