Forchheims YT-Industries will zu den Großen gehören

20.1.2015, 06:00 Uhr
Forchheims YT-Industries will zu den Großen gehören

© Foto: Roland Huber

Wer in der Zweibrückenstraße 2 anruft, wird konsequent geduzt. Dort hat Young Talent (YT) Industries seinen Sitz. Auf der Internetseite wird der Kunde ebenfalls so angesprochen, sogar in den allgemeinen Geschäftsbedingungen findet sich kein „Sie“. Das Du gehört zum Image. Hip, originell und jugendlich – der Mountainbike-Konstrukteur weiß, wie er wahrgenommen werden will.

Und so kommt auch Geschäftsführer Markus Flossmann daher. Kurze schwarze Haare, Bart, enger schwarzer Pulli, die Arme und Hände tätowiert. Auch die Ausdrucksart des 39-Jährigen passt zu seiner Firma: Flossmann sagt „geil“, wenn andere Geschäftsführer „gut“ sagen würden; er sagt „angepisst“, wenn andere Chefs „sauer“ sagen würden. „Im Kopf und im Herzen bin ich 25 geblieben. Man muss hinter dem Image der Marke stehen“, sagt Flossmann, während er im sogenannten Aquarium sitzt. Ein Besprechungsraum mit Glasfront, hellgrünen Stühlen und Flatscreen — mitten im Lager. Das ist ausnahmsweise nicht so gewollt, aber mittlerweile fehlt es an Platz in den Räumlichkeiten an der Zweibrückenstraße 2.

Die Preise locker unterboten

Der Standort ist nämlich zu klein geworden für ein Unternehmen, das seit 2008 einfach immer weiter wächst. 2011 haben die Nordbayerischen Nachrichten schon einmal ausführlich über YT Industries berichtet. Wir erzählten die Geschichte von zwei Mountainbikern, die einfach ihr Hobby zum Beruf gemacht hatten.

Flossmann und der Nürnberger Stefan Willared (44) begegnen sich in einem Fahrradladen. Sie beschließen, zusammen günstige, wettkampftaugliche Räder zu produzieren. Sie konstruieren sogenannte Dirtbikes: Fahrräder, die besonders für Sprünge im Gelände geeignet sind, lassen die Teile in Taiwan herstellen, bauen sie in einer Leutenbacher Mietwohnung zusammen und vertreiben sie übers Internet. Weil sie dafür keinen Zwischenhändler brauchen, unterbieten sie locker die Preise der Konkurrenz.

Forchheims YT-Industries will zu den Großen gehören

© Foto: privat

Aus einem Hobby wurde ein Geschäft, daraus wiederum ein ernsthaftes „Business“, wie Flossmann erzählt: „2012 kam für mich der Punkt, dass wir bei den ganz Großen der Branche mitspielen können.“ Jedes Jahr kommt eine neue Kollektion mit neuen Fahrrädern heraus. Dirtbikes sind dabei längst nicht mehr genug, die Produktpalette wurde um sogenannte Downhill- (Fahrräder für schnelle Abfahrten im schweren Gelände) und Enduro-Fahrräder — Fahrräder mit Vollfederung und einem maximalen Gewicht von 15 Kilogramm — erweitert.

Das Wachstum brachte weitere Veränderungen mit sich. Früher genehmigten sich Flossmann und sein Team um 15 Uhr gerne ein „Kreativbierchen“, wie er es nennt. „Wir haben uns im Lager getroffen und zusammen ein Bier getrunken. Dann kamen immer die geilsten Einfälle.“ Inzwischen herrscht Alkoholverbot im ganzen Unternehmen. „Ich kann es nicht dem einen Mitarbeiter erlauben und dem anderen nicht. Dafür sind wir einfach zu viele geworden, als dass wir uns alle im Lager auf ein Bierchen treffen könnten.“

Um genau zu sein hat YT mittlerweile 35 Mitarbeiter. 33 in Forchheim und zwei in Taiwan, die sich dort um die Qualitätssicherung kümmern. Fast alle Mitarbeiter eint die Liebe zum Mountainbikefahren. Die Affinität zu diesem Sport ist Einstellungskriterium bei YT.

Geht man durch die Räumlichkeiten des Unternehmens, sitzen in fast jedem Zimmer Leute mit hippen Klamotten, Baseballkappen und Brillen mit dicken Rahmen — in fast jedem. Nur in den Abteilungen Buchhaltung, Verwaltung und Fakturierung drückt Flossmann bei den Einstellungskriterien ein Auge zu. Auch das war früher anders: „Wir haben immer darauf geachtet, dass wir nur Biker in unserem Team haben. Aber bei unserer Größe wird es schwierig, dieses Kriterium noch aufrechtzuerhalten.“

Wobei YT ja noch viel größer werden will. 2013 betrug der Umsatz sechs Millionen Euro, im vergangenen Jahr waren es schon zehn Millionen Euro. Auch 2015 dürfte es wieder mehr werden, weil sich Flossmann mittlerweile zwei Franchisenehmer ins Boot geholt hat. Einer wird den Markt in den USA und Kanada füttern, der andere kümmert sich um Neuseeland und Australien. Dann ist YT nicht mehr „nur“ in den Ländern der Europäischen Union (EU), in der Schweiz und in Israel tätig.

Der US-Amerikaner Cameron Zink unterzeichnete im Januar 2014 einen Vertrag bei den Franken. Für YT dürfte Zink zwar eine kostspielige Investition sein - doch für das Image des Bikeproduzenten ist der Amerikaner Gold wert.

Stammsitz bleibt in Forchheim

Der Stammsitz wird allerdings in Forchheim bleiben. Das Haus an der Zweibrückenstraße ist zwar zu klein geworden. Ein, zwei Abteilungen muss Flossmann in die Bayreuther Straße verschieben, „ich reiße damit die Firma auseinander“, ärgert er sich.

Aber: „In zwei Jahren ziehen wir ganz um. Wir werden auf jeden Fall in der Stadt bleiben, sie ist der Lebensmittelpunkt meiner Familie“, sagt Flossmann, der gebürtig aus Neustadt an der Aisch stammt.

Auch am Image wird sich nichts ändern: „Wir werden nie Bikes für einen Zahnarzt entwerfen, der sich am Wochenende ein Fahrrad ausleihen will.“

Vielleicht bekommt YT ja dann mal wieder Besuch von Oberbürgermeister Franz Stumpf. Der war vor einigen Jahren zu Gast, als das Unternehmen noch deutlich kleiner war. Flossmann erinnert sich: „Damals habe ich beim Du eine Ausnahme gemacht. Ich habe ihn mit Herr Stumpf angesprochen. Aber jetzt würde ich sagen: Servus, Franz.“

1 Kommentar