,Glaubt nicht an Hetze der braunen Bestie‘

19.6.2009, 00:00 Uhr
,Glaubt nicht an Hetze der braunen Bestie‘

© M. Och

Vermutlich ist es in den zwei achten Klassen der Volksschule Kirchehrenbach zu Beginn einer Unterrichtsstunde nicht immer so schnell still. Bei den Erinnerungen von Eva Rößner und Max Mannheimer an ihre Leiden in der Zeit des «Dritten Reiches» herrschte von Anfang an «Mucksmäuschenstille».

Schon die Befragung der 1926 in Nürnberg geborenen Zeitzeugin Eva Rößner durch die Sozialpädagogin Silvia Ferstl und Schüler zeigte eine an Schulen selten erlebte didaktische Vorbereitung auf das Projekt, bemerkte Max Mannheimer nach seinen Erfahrungen aus 24 Jahren.

Bei Großeltern aufgewachsen

Eva Rößner hat ihre jüdischen Wurzeln in Vater Walter Jakob sowie den Großeltern Therese und Max Jakob; nach den 1935 erlassenen «Rassegesetzen» wurde sie von den Nationalsozialisten als «Mischling 1. Grades» bezeichnet. Schon 1933 wurde die Familie auseinander gerissen. Nach einer Warnung aus der Nachbarschaft floh der Vater in die Tschechoslowakei, die Mutter wurde von der Gestapo verhaftet und ins Gefängnis Aichach gesperrt.

Mit ihrem Bruder Hans wuchs Eva bei den Großeltern auf. In der Reichspogromnacht wurde aus der Wohnung ein einziger Scherbenhaufen. Zu Bruch ging an diesem 10. November 1938 auch der Glaube, Hitler werde sich nicht lange halten. 1942 wurden die Großeltern in ein Lager nach Polen deportiert und ermordet.

Ähnlich erging es 1944 dem anderen Großvater Sebastian Bleistein, er starb im Gefängnis in Amberg. Auch in der Fränkischen Schweiz habe es Orte gegeben, die mit Plakaten «Juden nicht erwünscht» ihre Gesinnung offenbarten, erinnerte sich Eva Rößner an die Repressalien und Schmähungen.

«Glaubt nicht an die Hetze der braunen Bestie, die jetzt in Gräfenberg oder Warmensteinach ihren Kopf wieder hochreckt. Wir sind alle gleich, es gibt kein deutsches, jüdisches oder farbiges Blut – Krieg und Ausgrenzung bringen uns keine Zukunft» lautete die Botschaft von Eva Rößner an die jungen Menschen.

Nicht weniger dramatisch war der Leidensweg des heute 89-jährigen Max Mannheimer. Den Holocaust überlebten aus der achtköpfigen Familie nur er und sein Bruder Edgar. Mit Passagen aus seiner 1964 entstandenen Autobiografie «Spätes Tagebuch» machte er seine Erlebnisse auf der Todesrampe von Auschwitz/Birkenau lebendig.

Bilder des Grauens schilderte Mannheimer aus seiner späteren KZ-Zeit; er sah Häftlinge mit aufgeschlitzten Bäuchen. In der Küche wurden sieben Häftlinge an einem Eisenträger erhenkt, danach wurde Wiener Walzer gespielt.

In Gräfenberg sprach Mannheimer auf Einladung des Bürgerforums, des evangelischen Dekanats und des Kreisjugendrings im vollbesetzten Rathaussaal. Fragen aus dem Publikum zeigten dann aber, dass nicht alle Zuhörer die ganze Dimension der nationalsozialistischen Gräueltaten erfasst zu haben schienen.

In Neutitschein im heutigen Tschechien 1920 geboren, lebte Mannheimer mit seinen Eltern und drei Geschwistern unbehelligt bis zum 9. November 1938. Da wurden die Synagogen geplündert, Gebetsbücher und Gebetsschals sowie die Thorarollen auf die Straße geworfen. Sein Vater landet im Gefängnis und muss mit der Entlassung erklären, innerhalb von acht Tagen das Reichsgebiet zu verlassen. Im Januar 1939 verlassen sie ihr Haus in Neutitschein in der Hoffnung, im nicht besetzten Teil der tschechischen Republik ein Leben ohne Angst führen zu können. Doch wenige Wochen später erlebt die Familie zum zweiten Mal den Einmarsch deutscher Truppen.

1943 wird die gesamte Familie schließlich ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Vater, Mutter und die kleine Schwester wandern nach der Selektion durch den KZ-Arzt Mengele gleich ins Gas, er und seine zwei Brüder werden als arbeitsfähig aussortiert. Sein jüngerer Bruder stirbt. Max Mannheimer kommt im August 1944 ins KZ nach Dachau.

36 Kilogramm Körpergewicht

Am 30. April 1945 wird Mannheimer von US-Truppen aus einem Güterwagen befreit. Mit 36 Kilogramm Körpergewicht kommt er in ein provisorisches Krankenhaus und als er nach vier Wochen entlassen wird, schwört er sich, das Land seiner Peiniger zu verlassen und nie mehr zurückzukehren. Doch dann lernt er eine junge Deutsche kennen, die im Widerstand gegen das Nazi-Regime fast ihr Leben gelassen hätte, und gründet mit ihr in der Nähe von München eine Familie.

Mannheimer sagt selbst von sich, dass er nicht als Ankläger oder Richter, sondern nur als Zeuge einer Zeit auftrete, die nie mehr wiederkehren darf. Und, so Mannheimer, es gelte stets auf der Hut zu sein. «Demokratie», so sein Credo, «gibt es nicht zum Nulltarif, man muss etwas dafür tun – und wenn es nur das ist, ein Hakenkreuz wegzuwischen, denn unter diesem Symbol sind mehr als 50 Millionen Opfer zu beklagen.»