Gößweinstein: Die Wirklichkeit im "Schlaraffenland" kann hart sein

4.7.2017, 11:58 Uhr
Gößweinstein: Die Wirklichkeit im

© Ralf Rödel

Wenn Werbe-Profis eine Image-Kampagne für einen Ort weit weg von den Boom-Gemeinden und den Zentren gestalten müssten – sagen wir für Gößweinstein —, dann würden sie sofort Hanngörg Zimmermann als Top-Model buchen – seiner Biografie wegen. Das sagt noch nichts über seine Kompetenz als Bürgermeister aus, umso mehr über sein Selbstverständnis und die Werte, die er lebt.

Hanngörg Zimmerman, eines von vier Kindern, die Mutter spanische Gastarbeiterin, wird 1967 in Unkel am Rhein (5000 Einwohner) geboren, büffelt sich über den zweiten Bildungsweg zum Diplom-Betriebswirt hoch. Seine Frau Iris arbeitet als Chirurgin an der Uni-Klinik in Erlangen, er als Geschäftsführer eines Medizintechnik-Unternehmens in Nürnberg. 2004 macht Tochter Lena die Familie komplett.

Die Zimmermanns wollen sich niederlassen, suchen eine Heimat — und wählen Gößweinstein. Zweifelsohne ein schöner Ort, "landschaftlich reizvoll gelegen", wie Hanngörg Zimmermann sagt. Damit steht Gößweinstein allerdings nicht allein in der Fränkischen Schweiz. "Wir liegen nicht nur wunderschön, wir haben eine gute Infrastruktur, die Gemeinschaft funktioniert, manche wissen gar nicht, wie sehr wir hier im Schlaraffenland leben." Die Basilika als Anziehungspunkt für Touristen sei einer der Garanten dafür. Am liebsten verbringe er seinen Urlaub daheim.

Als im Ort geborener Bürgermeister hätte man sagen können, der muss ja so reden, kennt nichts anderes. So aber staunt man. Nicht so sehr über die Wohnort-Wahl. Sehr viel mehr über die Art, wie er sich als Zugezogener einbringt. Als Gemeinderat, als Bürgermeister, auch als spätberufener Feuerwehrmann. Da ist jemand, der nicht nur angenehm leben, sondern auch etwas geben will, damit die Zukunft funktioniert. Es liegt vielleicht auch in seinen Genen. Schon Hanngörg Zimmermanns Vater engagierte sich 25 Jahre als Bürgermeister in Unkel, später hauptberuflich als Verbandsbürgermeister.

Als 2013 klar wird, dass Amtsinhaber Georg Lang (CSU) noch einmal kandidieren will, Hanngörg Zimmermann aber findet, es muss ein frischer Wind durch Gößweinstein wehen, tritt er erst vom Fraktionsvorsitz zurück, dann ganz aus der CSU aus, gründet eine eigene Gruppierung und steigt in den Wahlkampf ein. Die Mehrheit der Wähler geht das Wagnis ein. "Das hat mich sehr beeindruckt, dass die Gößweinsteiner mir als Neigeschmecktem so vertrauen", sagt Zimmermann.

Nach der Wahlsieg-Euphorie begann die politische Realität für den Bürgermeisterneuling. Ein paar Sachen haben nicht so geklappt, wie es sich Hanngörg Zimmermann vorgestellt hatte. "Mehr Zeit für die Familie" werde er haben, glaubte er vor drei Jahren. Pustekuchen. Bürgermeister-Sein endet nicht hinter der Rathaustür. Zig Vereine und Gruppierungen freuen sich, wenn er abends oder am Wochenende zu ihnen kommt.

Er tue sich sehr schwer mit dem Nein-Sagen, erzählt Zimmermann. Weil ihm der Job Spaß mache und weil er nah am Bürger sein wolle. Deswegen hat er die Zahl der Bürgerversammlungen erhöht, schreibt dabei selbst Protokoll, um die Verwaltungsarbeit zu reduzieren. Wenn er auf der Straße unterwegs ist, grüßt ihn alle paar Meter jemand oder spricht ihn an.

Lernen musste Hanngörg Zimmermann, dass er zwar auch als Bürgermeister eine Art Geschäftsführer ist, aber einer, der Mehrheiten für sich gewinnen muss und nicht alleine entscheiden kann. Wie schnell Beschlüsse gefasst werden, hängt jetzt davon ab, wie er den Gemeinderat überzeugen kann — auch die CSU. Wie schnell es dann umgesetzt wird, hängt noch von ganz anderen Faktoren ab, die er nicht immer beeinflussen kann.

Beispiel 1: der Breitbandausbau. Ein Wahlkampfversprechen. Gößweinstein ist die größte Flächengemeinde im Landkreis Dass es immer noch Orte gibt, an denen es keinen Spaß macht, im Internet zu surfen, hänge damit zusammen, dass die zweite Förderwelle, diesmal vom Bund, stocke. "Wir haben unsere Hausaufgaben erledigt."

Beispiel 2: Rathaus. Einen neuen Verwaltungssitz hatte sich Hanngörg Zimmermann als Ziel gesetzt. Schon vier Mal hat er das Büro gewechselt und damit anderen Verwaltungseinheiten Platz gemacht.. "Es liegen jetzt alle Fakten auf dem Tisch", sagt Zimmermann. Noch in diesem Jahr will er eine Entscheidung in der mehr oder weniger seit 30 Jahren geführten Diskussion. Es klingt trotz allem optimistisch. "

Es läuft nicht immer alles so schnell, aber es läuft auch nach drei Jahren so gut, dass Zimmermann zum Schluss des Halbzeit-Gesprächs ziemlich überzeugend sagt: "Ich gehe jeden Morgen gerne ins Rathaus."

Drei Stimmen aus Gößweinstein zur Halbzeit von Bürgermeister Hanngörg Zimmermann.

Jürgen Kränzlein (SPD-Gemeinderat): "Er ist sehr engagiert, bereitet die Sitzungen akribisch vor, allerdings leidet er immer noch etwas unter den Schwierigkeiten seiner Wahl. Es ist ihm aber gelungen, auch CSU-Räte zu einem sachlichen Miteinander zu gewinnen."

Georg Schäffner, Regionalkantor, Kirchenmusiker an der Basilika in Gößweinstein: "Bei meiner Arbeit als Kirchenmusiker — speziell in Verbindung mit den Konzerten in der Basilika — erfahre ich von Herrn Zimmermann uneingeschränkte Unterstützung. Ich erlebe ihn als stets freundlichen, aufgeschlossenen Bürgermeister, der auf die Meinung anderer Wert legt."

Peter Helldörfer, CSU-Gemeinderat: "Drei wenig effektive Jahre, wesentlich neue Maßnahmen sind nicht in die Wege geleitet worden. Das, was umgesetzt wurde, basiert in der Mehrheit auf alten Entscheidungen. Wir treten in Punkten wie Rathaus und Baugebieten auf der Stelle. Kommunalpolitik bedeutet auch, unpopuläre Entscheidungen treffen zu müssen."

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